Название: Mechanik
Автор: Michael Schulz
Издательство: John Wiley & Sons Limited
Жанр: Физика
isbn: 9783527828616
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(1.6)
schreiben kann und die jetzt durch eine zweifache Integration gelöst wird. Wir erhalten nach der ersten Integration
(1.7)
wobei ẋ0 eine noch offene Konstante und t0 die Anfangszeit sind. Die zweite Integration ührt uns dann auf das Resultat
(1.9)
(1.10)
Dieser Ausdruck sieht offensichtlich ganz anders aus als (1.1). Es handelt sich um ein Polynom zweiter Ordnung in der Zeit, das neben der Schwerebeschleunigung g noch eine Anzahl weiterer Parameter enthält, die wir allein aus dem mathematischen Lösungsverfahren erhielten, aber mit mathematischen Methoden nicht weiter spezifizieren können. Die Ursache für das Auftreten dieser neuen Terme liegt in der unvollständigen mathematischen Formulierung des Problems. Genau genommen besteht unser physikalisches Problem nicht nur aus der Bewegungsgleichung (1.5), sondern erfordert zu seiner vollständigen Formulierung noch die Angabe von Anfangsbedingungen. Setzen wir in unsere allgemeine Lösung (1.11) die Anfangszeit t = t0 ein, dann erhalten wir die Anfangsposition
(1.12)
und wenn wir (1.11) nach der Zeit differenzieren bzw. (1.8) verwenden und anschließend wieder die Anfangszeit einsetzen, erhalten wir die Anfangsgeschwindigkeit
(1.13)
Die zunächst freien Größen ẋ0 und x0 sind also Anfangsgeschwindigkeit und Anfangsort des Massenpunktes beim freien Fall. Wir erhalten unser ursprüngliches Ergebnis (1.1), wenn wir die Anfangszeit t0 = 0 wählen, den Ursprung unseres Koordinatensystems auf den Startpunkt legen und schließlich den Anfangszustand als ruhend annehmen.
Aus diesem sehr einfachen Beispiel ergeben sich zwei wichtige Schlussfolgerungen: Einerseits liefert die mathematische Behandlung physikalischer Probleme ganze Klassen von Lösungen, die im Prinzip alle realisierbar sind. Damit wird der allgemeine Charakter vieler physikalischer Bewegungsgleichungen deutlich.
Auf der anderen Seite enthält dieses Beispiel auch eine Warnung, die den Umgang mit theoretischen Ergebnissen betrifft. Man sollte sich immer verdeutlichen, unter welchen Bedingungen ein Resultat entstanden ist. Offenbar ist (1.1) eine spezielle Lösung des Fallgesetzes, die z. B. auf den freien Fall mit einer von null verschiedenen Anfangsbedingung nicht anwendbar ist.
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Kinematik eines Massenpunktes
Bei der kinematischen Beschreibung der Bewegung eines Massenpunktes kennt man zu jedem Zeitpunkt seine Lage im Raum und möchte daraus gewisse Eigenschaften über den Charakter der Bewegung ableiten. Wir können die Aufgabe der Kinematik wie folgt beschreiben: Aus einer gegebenen Bahnkurve r(t) eines Massenpunktes, der Trajektorie, die in einem physikalischen Raum eingebettet ist, sollen charakteristische Größen der Bewegung des Massenpunktes abgeleitet werden. Bei kinematischen Problemen wird die physikalische Ursache der Bewegung nicht vorausgesetzt, sondern vielmehr durch Analyse der Bahnkurven erkundet. Daher spielen Kräfte in der Kinematik nur eine sekundäre Rolle. Sie sind, wenn überhaupt, als mit den Beschleunigungen verbundene Größen höchstens das Ziel kinematischer Untersuchungen, nicht aber deren Ausgangspunkt. Dem Kraftbegriff kommt erst im Rahmen der im nächsten Kapitel behandelten Dynamik von Massenpunkten eine zentrale Bedeutung zu.
Kinematische Untersuchungen spielen in vielen Bereichen der Mechanik eine bedeutende Rolle. In der Astrophysik nutzt man z. B. kinematische Methoden um die Masse verborgener Gravitationszentren (schwarze Löcher, durch Staub verdeckte Sterne) aus der Bewegung der umgebenden kosmischen Körper zu bestimmen. Auf einer ganz anderen Skala werden im Rahmen der Maschinenüberwachung kinematische Methoden genutzt, um aus den Bahnkurven ausgewählter Punkte von beweglichen Bauteilen auf Belastungen und Störkräfte zu schließen.
2.1 Grundbegriffe der Kinematik
2.1.1 Bezugssystem und Räume
Wenn wir die Bahn eines Massenpunktes beschreiben wollen, müssen wir zu jedem Zeitpunkt seine Lage in Bezug auf einen anderen Körper oder einen geeigneten Punkt angeben. Als Bezugspunkt können wir beispielsweise die Ecke eines Labors nehmen. Dann können wir die betreffende Ecke als Ursprung O eines kartesischen Koordinatensystems definieren und die drei zugehörigen Kanten als die durch diesen Anfangspunkt laufenden, zueinander senkrecht stehenden Koordinatenachsen der X-, Y - und Z-Richtung ansehen (vgl. Abb. 2.1). Die Lage eines beliebigen Punktes P ist dann festgelegt durch die Angabe der drei kartesischen Koordinaten (x, y, z). Diese drei Koordinaten sind gerade die Komponenten des Vektors
= r. Die Bahnkurve des Massenpunktes ist festgelegt, wenn wir die Komponendes Ortsvektors r(t) zu jeder Zeit kennen(2.1)
Abb. 2.1 Darstellung eines Ortsvektors in einem kartesischen Koordinatensystem.
In dieser Darstellung wird der Ortsvektor ausschließlich durch das Tupel der der Koordinaten beschrieben. Das ist natürlich nur dann eindeutig, wenn die Basisvektoren des Koordinatensystems bekannt sind,1) siehe auch (2.13). Wir wollen hier zunächst festhalten, dass die Bahn eines Massenpunktes unabhängig vom benutzten Koordinatensystem ist. Hätten wir ein anderes Bezugssystem gewählt, dann bliebe die Trajektorie des Massenpunktes nach wie vor unverändert, obwohl sich ihre mathematische Darstellung in Form der Komponenten des Ortsvektors r(t) geändert СКАЧАТЬ