Название: Mechanik
Автор: Michael Schulz
Издательство: John Wiley & Sons Limited
Жанр: Физика
isbn: 9783527828616
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1.5 Gültigkeitsgrenzen der klassischen Mechanik
Im Laufe der Zeit hat es sich herausgestellt, dass die Gesetze der klassischen Mechanik ihre Gültigkeit verlieren, wenn Objekte beschrieben werden sollen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen. Dann müssen die Gesetze der relativistischen Mechanik herangezogen werden.
Auf eine andere Gültigkeitsgrenze der Mechanik stößt man, wenn versucht wird, sehr kleine Teilchen, z. B. Elektronen oder Atome zu beschreiben. Für solche Probleme wird erst durch die Quantenmechanik eine adäquate Beschreibung geliefert.
Es ist aber keineswegs so, dass durch diese allgemeineren Theorien die Mechanik vollständig außer Kraft gesetzt wird. Vielmehr wird man feststellen, dass der Gültigkeitsbereich der Mechanik beschränkt ist. Wenn man zu Geschwindigkeiten übergeht, die klein verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit sind, gehen die Gesetze der relativistischen Mechanik wieder in die der klassischen Mechanik über. Analog verhält es sich, wenn makroskopische Körper im Rahmen der Quantenmechanik beschrieben werden sollen. Auch hier erhält man – ausgehend von einer quantenmechanischen Formulierung – die Gesetze der klassischen Mechanik.
1.6 Struktur des Bandes Mechanik
Lässt man einen Körper, z. B. einen Stein frei fallen, so ist bekannt, dass er nach der Zeit t einen gewissen Weg
zurückgelegt hat, wobei g die Erdbeschleunigung ist. Der Körper hat eine endliche Ausdehnung. Daher ist es eine durchaus berechtigte Fragestellung, welcher Punkt des Körpers denn nun die Strecke x zurückgelegt hat. Kandidaten gibt es hierfür beliebig viele. So könnten bei einer wenig sorgfältigen Betrachtung sowohl der Punkt P1 als auch der Punkt P2 in Abb. 1.1 infrage kommen.
Tatsächlich erweist sich aber der Schwerpunkt S des Körpers als die richtige Wahl. Wenn wir uns auf die Bewegung des Schwerpunkts konzentrieren, dann können wir von der räumlichen Ausdehnung des Körpers völlig absehen und so tun, als hätten wir einen punktförmigen Körper vorliegen, dessen Masse im Schwerpunkt vereinigt ist. Der Konjunktiv in diesem Satz bringt zum Ausdruck, dass wir den realen Körper durch ein Modell beschreiben. Dieses Modell nennt man in der Mechanik einen Massenpunkt.
Das klassische Beispiel für die Benutzung des Massenpunktmodells ist die Beschreibung der Planetenbewegung. Wir wissen natürlich, dass die Erde zu unserem Glück kein Massenpunkt ist, sondern einen Radius von rund 6000 km hat. Aber verglichen mit dem Radius der Umlaufbahn der Erde um die Sonne von rund 150 Millionen km ist dies ungefähr 0,004 %. Somit erscheint es durchaus gerechtfertigt, die Erde bei dieser Bewegung wenigstens näherungsweise als Massenpunkt zu betrachten.
Das Massenpunktmodell spielt nicht nur in der Mechanik eine grundlegende Rolle, sondern ist mit fundamentalen Problemen der Physik verbunden. Das Prinzip des Welle-Teilchen-Dualismus, dem wir in der Quantenmechanik begegnen werden, besagt, dass Materie entweder als Superposition von Wellen oder als System punktförmiger Teilchen beobachtet werden kann. Ausgedehnte starre Objekte stehen dagegen im Widerspruch zur heutigen Erkenntnis. Partikel, die bei der Interpretation aller Messungen als punktförmig beschrieben werden können, z. B. Elektronen und Quarks, werden als Elementarteilchen betrachtet. Alle anderen Partikel, z. B. Protonen, Atome oder Moleküle sind letztendlich aus solchen miteinander wechselwirkenden Elementarteilchen aufgebaut. Wir werden bei der Behandlung der Quantenmechanik in Band III dieser Lehrbuchreihe sehen, dass ein Elementarteilchen Träger von nur wenigen Eigenschaften ist, zu denen auch elektrische Ladungen und seine Ruhemasse gehören.
Abb. 1.1 Welcher Punkt des frei fallenden Körpers ist der richtige Bezugspunkt für (1.1)?
Bei der Behandlung der Bewegung eines Massenpunktes gibt es zwei grundsätzliche Fragestellungen. Zum Ersten kann man die Bahnkurve des Massenpunktes, etwa durch eine hinreichend genaue Vermessung, vorgeben und daraus Eigenschaften ableiten, die uns Informationen über die Ursache der Bewegung des Massenpunktes geben. Das ist die Aufgabe der Kinematik, die wir im nachfolgenden Kapitel behandeln werden.
Zum Zweiten wird aber der viel häufiger auftretende, umgekehrte Fall zu besprechen sein. Wir kennen die Ursache der Bewegung und fragen, wie die Bahnkurve des betrachteten Massenpunktes aussehen wird. Eine solche Fragestellung gehört zur Klasse der Dynamik und kann im Prinzip als Standardproblem der Theoretischen Mechanik bezeichnet werden. Wir werden uns im dritten und vierten Kapitel dieses Bandes eingehend mit der Dynamik einzelner Massenpunkte befassen.
Wenn wir uns nicht nur für die Bewegung der Erde um die Sonne, sondern die Bewegung aller Planeten im Sonnensystem interessieren, dann haben wir ein System von miteinander wechselwirkenden Massenpunkten vorliegen. Mit der geeigneten Verallgemeinerung der Theorie einzelner Massenpunkte auf Massenpunktsysteme werden wir uns im fünften Kapitel befassen. Natürlich kann man diese Theorie auch benutzen, um die mechanische Bewegung makroskopischer Körper, etwa des anfänglich diskutierten fallenden Steines zu beschreiben. In diesem Falle würde man sich den Stein aus vielen in Wechselwirkung stehenden elementaren Partikeln, etwa Atomen oder Molekülen zusammengesetzt denken, die alle den gleichen mechanischen Gesetzen unterworfen sind. Wir werden dann insbesondere feststellen, dass sich der Schwerpunkt dieses Systems so bewegt, als wäre die gesamte Masse aller Bestandteile des Steines im Schwerpunkt vereinigt.
Im sechsten und siebenten Kapitel werden wir uns mit fundamentalen Darstellungen der klassischen Theoretischen Mechanik befassen. Dabei wollen wir uns vor allem auf die Lagrange’sche und Hamilton’sche Formulierung der Mechanik konzentrieren. In den späteren Bänden dieser Lehrbuchreihe wird man erkennen, dass die hiermit verbundenen Prinzipien eine weit über die klassische Mechanik hinausgehende allgemeine Bedeutung haben.
Die Newton’sche Mechanik kennt keine obere Grenze für die Geschwindigkeit eines Massenpunktes. Tatsächlich ist aber keine Übertragung von Masse, Energie oder Informationen zwischen zwei Punkten mit einer Geschwindigkeit möglich, die größer als die Lichtgeschwindigkeit ist. Allein dieses fundamentale Naturgesetz führt zu einer völlig anderen Mechanik, deren Theorie mit der im letzten Kapitel dieses Bandes dargestellten speziellen Relativitätstheorie beschrieben wird. Mit dieser Einstein’schen Mechanik werden die Erkenntnisse der in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Newton’schen Mechanik nicht außer Kraft gesetzt, vielmehr erweist diese sich als ein Grenzfall, der seine volle Gültigkeit für Relativgeschwindigkeiten behält, die klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit sind.
Abb. 1.2 Deformierbarer Körper: Unter dem Einfluss einer äußeren Kraft wird die Form des СКАЧАТЬ