Название: Fettnäpfchenführer Japan
Автор: Kerstin und Andreas Fels
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги о Путешествиях
Серия: Fettnäpfchenführer
isbn: 9783958892279
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Diese lächelt aber nur gelassen: »Good morning, Hoffmann-san, nice to meet you. But it’s Mrs. Watanabe.«
Seine Betreuerin ist vermutlich deshalb ausgewählt worden, weil sie schon einige Kontakte mit Westlern hatte (sie spricht auch gutes Englisch). Daher ist sie nicht davon ausgegangen, dass Herr Hoffmann sie mit einer traditionell japanischen Verbeugung begrüßen würde.
Herr Hoffmann hat keine Zeit, sich über seinen Fauxpas zu ärgern, denn er grübelt. Hoffmann-san? Was soll das nun wieder heißen?
Frau Watanabe hat einfach die übliche höfliche Standard-Anrede benutzt. Die Silbe ›san‹ wird dabei einfach an den Nachnamen angehängt – und zwar egal, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt. An einen Vornamen angehängt, drückt -san sowohl Respekt als auch Nähe aus. In der japanischen Sprache gibt es eine ganze Reihe verschiedener Anreden, die nur darauf lauern, dass der unbedarfte Reisende sie vertauscht und sich damit aufs gesellschaftliche Glatteis begibt. Die meisten werden jedoch zum Glück kaum von Ihnen erwartet.
In den nächsten Kapiteln werden historische Persönlichkeiten in japanischer Schreibweise geschrieben, also erst mit dem in Großbuchstaben geschriebenen Familiennamen, danach folgt der Vorname. Immer, wenn wir jedoch Herrn Hoffmanns Gedankengängen folgen, bleiben wir – wie er selbst auch – bei der westlichen Schreibweise und der einfachen Anrede ›Herr‹ oder ›Frau‹. Im Übrigen möchten wir Sie nicht weiter mit Herrn Hoffmanns zum Teil etwas eingerostetem Schulenglisch belästigen. Ab jetzt werden die Passagen, die er in Japan auf Englisch redet, zur Erhaltung Ihres Seelenheils auf Deutsch wiedergegeben. Glauben Sie uns – es ist besser so.
Was können Sie besser machen?
Wenn Sie beim einfachen -san bleiben, können Sie schon mal nicht ganz falsch liegen. Aber Vorsicht: Mit dieser Silbe drücken Sie Respekt aus. Es wäre also unhöflich, sich selbst oder Familienangehörige mit -san vorzustellen. Auch die Mitglieder der eigenen Firma, die ja in Japan fast so etwas wie die eigene Familie sind, werden ohne Anrede angesprochen oder vorgestellt. Hier kann man stattdessen die Position desjenigen in den Namen mit aufnehmen. Dasselbe würde in Deutschland zu eher seltsam klingenden Anreden wie ›Buchhalter Krause‹ oder ›Abteilungsleiter Müller‹ führen – aber Sie können dieses Verhalten ja abperlen lassen wie Regentropfen von einem Lotusblatt, sobald Sie wieder in das Flugzeug nach Hause steigen.
Falls es sich bei Ihrem Gegenüber allerdings um einen Lehrer, Professor, Anwalt oder Arzt handelt, kann -san schon zu wenig sein. Hängen Sie vorsichtshalber ein -sensei an den Namen an (auch dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen), dann sind Sie auf der sicheren Seite. Falls Sie den Namen nicht wissen, können Sie auch nur ›sensei‹ sagen. Auch bei älteren Männern, die in der Hierarchie des Konfuzianismus sehr hoch stehen, liegen Sie mit sensei nie falsch. Vielleicht werden Sie feststellen, dass in Japan recht häufig nach dem Alter gefragt wird, möglicherweise, um die Hierarchien auf diesem Weg möglichst schnell zu klären. Bei Frauen gilt dies allerdings, wie ja auch bei uns, als nicht besonders höflich. In Japan kann man daher auch trickreich nach dem Tierkreiszeichen fragen und sich so unauffällig das Alter ausrechnen.
Übrigens: Hüten Sie sich davor, Ihre Geschäftspartner mit der Anrede -chan statt -san anzusprechen, auch wenn es recht ähnlich klingt. Das könnte Ärger geben. Diese Silbe wird nämlich nur für kleine Mädchen und allgemein alles was niedlich ist verwendet.
3
HERR HOFFMANN ISST MIT STÄBCHEN
WIE EIN VERBOT ZUR ERFINDUNG VON SUSHI FÜHRTE
Die Sonne brennt heiß vom Himmel und die Schlange wird einfach nicht kürzer. Ganz Tôkyô scheint zur Mittagszeit auf den Beinen zu sein. Und Tôkyô ist riesig. Davon hat Herr Hoffmann sich gerade eben selbst überzeugen können, als er mit Frau Watanabe im 46. Stock des Rathauses stand und auf das sich scheinbar unendlich erstreckende Häusermeer herabschaute. Einfach unglaublich.
»Sehen Sie, wir sind gleich dran«, reißt ihn Frau Watanabe aus seinen Gedanken – und wirklich. Sie sind nun fast am vorderen Ende der Schlange der kleinen Sushi-Bar angelangt. Laut Frau Watanabe einer der besten Läden in Shinjuku.
Kurz darauf sitzen die beiden an einem kleinen Tischchen vor dem Mittagsmenü, das Frau Watanabe geordert hat. Nach einem Seitenblick auf seine Begleiterin reinigt sich nun auch Herr Hoffmann die Hände mit dem oshibori, das ihn an die heißen, feuchten Tücher erinnert, die er im Flugzeug beim Aufwachen bekommen hat.
»Essen Sie oft hier?«, fragt Herr Hoffmann, als er beobachtet, wie Frau Watanabe mit geübtem Griff die hashi, die Essstäbchen, aus dem Papier zieht und mit einer schnellen Bewegung auseinanderbricht.
Sie lacht: »Ich weiß schon, ihr Deutschen denkt immer, wir Japaner würden jeden Tag Sushi essen. Aber das stimmt gar nicht, viel häufiger esse ich mittags Nudeln oder eine Suppe.«
Herr Hoffmann nimmt schnell einen Schluck grünen Tee, der kostenlos zum Essen gereicht wird, um zu überspielen, dass er das tatsächlich gedacht hatte. Nun sieht er sich das Essen genauer an. Auf einem Holzbrettchen sind verschiedene Röllchen zu sehen, dazu Fischstücke auf kleinen Reisbällchen. Und eine Art rosafarbener Schwamm. Daneben, in einer kleinen Schale, eine Misosuppe. Um den Wasabi – den scharfen japanischen Meerrettich – macht er lieber einen Bogen. Das Erlebnis im Flugzeug reicht ihm.
Am besten fängt er mit der Suppe an – dass die hier aber auch die Vorspeisen zusammen mit dem Hauptgang bringen müssen ... Nur, wo ist der Löffel? Ein schneller Blick auf Frau Watanabe liefert die Lösung. Sie trinkt die Suppe direkt aus der Schale und fischt mit ihren Stäbchen die Tofu- und Algenstücke heraus. Das ist Herrn Hoffmann jetzt zu kompliziert. Er ist schließlich froh, wenn er überhaupt etwas mit seinen Stäbchen gegriffen bekommt, da muss es nicht gleich der glitschige Tofu aus der Suppe sein. Das ist doch eher für Fortgeschrittene. Misstrauisch beäugt er noch mal die Platte und entscheidet sich dann für ein Röllchen mit einer gelben Füllung. Das scheint kein Fisch zu sein, erst mal probieren. Frau Watanabe zeigt ihm noch mal, wie er die hashi richtig halten muss: Ein Stäbchen liegt als Basis unbeweglich zwischen Mittel- und Ring-finger. Nur das obere Stäbchen wird mit Daumen und Zeigefinger gegen das untere bewegt.
Herr Hoffmann greift ein wenig ungeschickt, aber dennoch erfolgreich das anvisierte maki-Röllchen, tunkt es kurz in das kleine Schüsselchen mit Sojasoße und nimmt es dann schnell in den Mund, bevor noch etwas schiefgeht. Geschafft. Zufrieden und auch ein bisschen stolz kaut er sein erstes Sushi. Nicht schlecht, schmeckt leicht säuerlich, erfrischend.
Frau Watanabe erklärt ihm, dass er zwischen den Sushis seine Geschmacksnerven mit dem eingelegten Ingwer – aha, das also ist der rosa Schwamm – neutralisieren kann. Die dünn geschnittenen Ingwerscheiben einzeln mit den Stäbchen hoch zu nehmen ist Herrn Hoffmann aber dann doch zu heikel.
So, welchen Fisch nun? Rohen Fisch hat er noch nie gegessen. Er denkt nun doch ein wenig wehmütig an das schnitzelähnliche katsu-karee zurück, das er gestern Abend im Hotel gegessen hatte. Vorsichtig nimmt er eines der Reisbällchen mit einem Stück СКАЧАТЬ