Abara Da Kabar. Emil Bobi
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Название: Abara Da Kabar

Автор: Emil Bobi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783702580773

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СКАЧАТЬ wartete darauf, dass ich weiterredete. Nachdem ich einige Atemzüge geschwiegen hatte, sagte ich: »Ich habe da oben heute so manchen interessanten Menschen getroffen und alle sind auf einer glaubhaften Suche. Aber, wenn ich Ihnen als Laie mit meinen profanen Wortspielereien nicht zu nahe trete, Herr Professor, was suchen diese Forscher denn, wenn nicht passende Worte? Sie suchen eine Sprache für die Sprache. Und wäre es denn so unmöglich, dass das Problem weniger vom Forschungsgegenstand ausgeht als vielmehr vom Untersuchungsinstrument?«

      Der Linguisten-Greis blickte verschwommen auf und lächelte ermunternd auf meine Jugend hin, als wollte er sagen, mach nur, lauf los, ich bin zu alt dafür. Und ich wollte in diesem Lächeln etwas wie Gerührtheit entdeckt haben. Möglich, dass ich mir das eingebildet habe. Er war ein kultivierter Mensch, der alles leben ließ und mit Höflichkeit bediente.

      Draußen auf der Straße, als der Nachtwind durch meinen Kopf blies und die Bilder dieser Veranstaltung wie Laub aufwirbelte, beschloss ich, zu Fuß nach Hause zu gehen, obwohl die Strecke gut vier, fünf Kilometer betrug. Ich mochte diese Linguisten-Gesellschaft. Auch, aber eigentlich gerade weil sie mit so viel Ehrlichkeit im Dunklen tappte und das innere Wesen ihres Forschungsgegenstandes sich ihrem Zugriff so entschieden entzog. Sie befasste sich mit der Karosserie der Sprache, hatte ihre Motorhaube geöffnet und hantierte staunend an einem fremdartigen Triebwerk herum. Ein weltweites Heer von Fachleuten diskutierte frei zusammengebaute Thesen, deren Substanz sich darauf beschränkte, nicht widerlegbar zu sein. Zig Fachzweige waren entstanden, Zigtausende Bücher geschrieben und Tausende Lehrstühle weltweit eingerichtet worden. Abertausende Forscher hatten ihre Antennen ausgefahren. Doch eine Gesetzmäßigkeit, nach der Sprachen entstanden, sich entwickelten und wieder untergingen, war nicht zu erkennen. Also setzte sich die Meinung durch, es gäbe keine Gesetzmäßigkeit und alles passiere zufällig, chaotisch. Das Rätsel »Sprache« war so rätselhaft, dass die Fachwissenschaft nicht einmal wusste, wie und wonach sie eigentlich genau fragen sollte. Jede klare Antwort machte sich da verdächtig. Ich meine, Antworten gab es endlos viele. Doch nur von Fremddisziplinen, die für nichts verantwortlich waren, aber den Mund offen hatten. Was sie hervorbrachten, war meisterhaft aus der Luft Gegriffenes, virtuose Fantastereien. Schöne, vernebelte Luftschlösser. Da gab es viele großartig formulierte Aussagen aus hochintellektuellem Unverständnis. Manche wollten die Sprache in eingeschüchterte Reimchen-Poesie zwängen (»Ich fürchte mich so sehr vor der Menschen Wort«, der arme kleine, große Rilke). Ich meine, es gab schon auch Pragmatiker, die wussten, dass Sprache etwas mit Krieg und Frieden zu tun haben musste und sie arbeiteten an der Realisierung einer Utopie: Sie versuchten, eine Einheitssprache für die Menschheit zu konstruieren, gedacht für den Frieden der Welt, wie sie sagten, denn dass Gott die Menschen in so vielen verschiedenen Sprachen aneinander vorbeireden ließ, war keine schöne Vielfalt, sondern die reine Geißel. Aber niemand wollte die seelenlose Sprache vom Reißbrett sprechen. Sie hätte auch kaum die allgemeine Sprachverwirrung behoben, denn die Sprachverwirrung trat nicht nur zwischen verschiedenen Kultursprachen auf, sondern auch innerhalb ein und derselben. Jeder einzelne Mensch sprach seine eigene unübersetzbare Weltsprache, die nicht nur von allen anderen Sprachen verschieden war, sondern auch von denen anderer Menschen innerhalb derselben Sprache. Es gab nicht siebentausend Sprachen, sondern acht Milliarden.

      Ich überquerte die Wienzeile und kam meiner Wohnung näher. In meinem zunehmend durchlüfteten Kopf klangen Sektgläser nach und Bilder von angeregt plaudernden Menschen flackerten wie in einem alten Stummfilm.

      Mir war bewusst, dass mein Verdacht von der funktionsuntauglichen Sprache einigermaßen radikal war, hoch veränderungsschwanger und zu unruhig für eine konfliktscheue Gesellschaft, die dermaßen an Ordnung hing, dass sie sich auch mit einer Illusion von Ordnung zufrieden gab. Aber wenn ich recht hatte, stand die Welt Kopf. Und ich hatte recht. Die Welt stand Kopf. Zwei Tage später kam die Bestätigung.

       7

      Zwei Tage später: Ich saß hoch über dem Urban-Loritz-Platz, vor der Hauptbücherei, knapp unterhalb des Gipfels einer Pyramide aus weiten, steilen Steinstufen, die etwas Aztekisches hatte. Ich blickte hinunter auf den Platz, der in der Nachmittagssonne lag. Das weiche Glockengebimmel der eintreffenden Straßenbahn entstieg dem Donner des Straßenverkehrs wie akustische Seifenblasen.

      Eine glückstrahlende Japanerin fragte, »sprichst du Deutsch?«, und ich nickte. Dann nickte auch sie. »Ist das die Stadtbücherei?«, fragte sie begeistert. »Ich glaube«, sagte ich, »ja. Hauptbücherei. Aber ob das dasselbe ist, weiß ich nicht.« Die Japanerin nickte hastig, ging aber nicht in die Bücherei, sondern trippelte die Stufen hinunter und ihr schwarzes, glattes Haar flatterte im Rhythmus ihrer Schritte. Wie auf der Flucht überquerte sie die Straße im Zickzack zwischen den sich zäh dahinwälzenden Autos und erreichte die bereits eingefahrene Straßenbahn im Augenblick, als sich ihre Türen öffneten. Da stieg Michaela Halbmond aus.

      Sie wirkte frisch, fit, glücklich und attraktiv wie aus einem Werbespot, den man für einfach alles einsetzen konnte. Was immer man zu dieser Erscheinung einblendete, Mineralwasser, Traumurlaub oder Anti-Aging-Kosmetik sowieso, aber auch ein Akku-Bohrer-Set oder ein Mähdrescher würde in eine Verlockung verwandelt und schmackhaft gemacht. Sie trug Jeans, ein weißes, bis unter die Hüften fallendes Seidenhemd, dunkelrote Mokassins und eine Umhängetasche aus rotbraunem Leder. Ihr Gang federte vor Freude an der Bewegung, ihr Haar glänzte silbrig wie gefärbt, war es aber nicht. Es war weiß geworden, als sie siebzehn war und sie hatte nie einen Grund gesehen, das künstlich zu ändern.

      Sie entdeckte mich und zeigte mir ihre erhobene rechte Handfläche. Dann machte ihr Arm eine bogenförmige Bewegung und ihr Zeigefinger stach nach rechts, während sich ihre Lippen überdeutlich bewegten. Sie wölbte ihre Handflächen, fügte sie zu einer Kugel, öffnete sie wieder und führte die Spitzen ihres Daumens und Zeigefingers knapp aneinander, um eine geringe Entfernung oder kleine Menge zu symbolisieren und nickte lebhaft fragend. Ich hob meine Hand und nickte als Eingangsbestätigung für ihre Nachricht. Sie lächelte zufrieden und zeigte wieder die Handfläche.

      Das war weder Jowulu noch Nostratisch und auch nicht Esperanto. Das war Ursprache, die jeder Mensch verstand, denn jeder Mensch war und blieb ein Urmensch. Sie wollte da drüben noch schnell etwas Rundes beschaffen, es dauere nicht lange, ich bin gleich da, ok?

      Als sie so dastand und mir ihre pantomimische Botschaft sendete, kam sie mir vor wie eine Erscheinung aus der Vorzeit und wie eine Verbindung in die Vergangenheit. In allem, was aus der Vergangenheit kam, begann ich eine mögliche Brücke zu sehen. Es gab ja anscheinend auch Sprachen, die Spuren altertümlicher Strukturen bewahrt hatten, wie das Hawaiianische, das, wie die Neandertaler-Sprachen, mit wenigen Vokalen und acht Konsonanten auskam. Aber damit konnte ich in Wahrheit nichts anfangen. Michaela Halbmond hatte diese lustige Geschichte mit den Farbeindrücken erzählt und ich hatte danach ein bisschen hineinrecherchiert. Es war einleuchtend, dass man Farbbezeichnungen zu den ganz alten Wörtern zählen wollte, einfach, weil der Umgang mit Farbeindrücken wohl zu den Grunderfahrungen des Menschen gehörte. Die Bezeichnung für Schwarz, also Dunkelheit, war möglicherweise eines der ältesten Wörter überhaupt. Und ich fand es mehr als erstaunlich, dass das Wort für »schwarz« in gar so vielen miteinander vollkommen unbekannten Kultursprachen ähnlich oder gleich lautete. Kar. Kr. Kär. Karä. Kuroi. Kirikiri. Kuru. Kora.

      Jetzt kam sie. Mit jedem Schritt nahm sie zwei Stufen. »Hi«, strahlte sie.

      Ich erhob mich von den Stufen, neigte mich zu ihr hin und deutete links und rechts eine Wangenberührung an. »Ich freue mich«, sagte ich und dann entstand eine Pause. Während der Buchpräsentation hatten wir beide gleichermaßen die persönliche Anrede vermieden und umständlich drum herum formuliert, denn wir wagten es nicht, uns zu duzen, obwohl heutzutage jeder jeden duzte, aber siezen wollten wir uns auch nicht. Jetzt sagte ich: »Schön, dich zu sehen. Geht’s dir gut?«

      »Ja«, nickte sie, »wollen wir da sitzen bleiben, oder СКАЧАТЬ