Название: Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis
Автор: Walter G. Pfaus
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745214024
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„Ich würde sagen, ja, aber das muss nicht bedeuten, dass ich recht habe. Das Magazin liegt etwas außerhalb von Hammond, unweit der Morrison Barracks, einer Artilleriekaserne. Zwischen den beiden Komplexen befindet sich eine Mülldeponie. Es dürfte nicht schwer gewesen sein, von dort aus die Gewohnheiten des Wachpersonals zu erkunden. Ebenso leicht war es später, die Türschlösser aufzusprengen.“
„Spuren?“
„Wir kennen den Wagen, der für den Transport des elektrischen Stuhls benutzt wurde. Er wurde eigens zu diesem Zweck einem Garagenbesitzer namens Jerome Littleton gestohlen und am nächsten Tag am Ortsrand aufgefunden. Der Stuhl ist also, wie vermutet werden darf, umgeladen worden. Die Reifenprofile von Littletons Truck wurden an der Magazinrampe gesichert. Littleton selbst ist nach unseren Erkenntnissen ein braver Bürger, ein untadeliger Mann - und doch habe ich den Eindruck, als enthielte er uns etwas vor.“
„Nämlich?“
„Wenn ich das wüsste, wäre ich klüger. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er weiß, wer den Wagen gestohlen hat. Vielleicht vermutet er es auch nur, hat aber Angst, darüber zu sprechen. Das ist es - Angst. Aus Angst vor Rache hält er den Mund. Sie kennen das ja. Natürlich habe ich Littleton in die Mangel genommen, sehr gründlich sogar, aber er ist stur, er schweigt sich aus. Ich bin nicht in der Lage, ihn der Lüge oder der bewussten Verheimlichung wichtiger Informationen zu beschuldigen.“
„Ist es nicht denkbar, dass irgendein Sonderling, ein Sammler abartiger Gegenstände, auf die Idee gekommen ist, seine Kollektion um einen elektrischen Stuhl zu bereichern?“
„Natürlich, das ist durchaus denkbar, aber ich kann es mir nicht leisten, Hypothesen aufzustellen, ich muss Gewissheit haben. Mehr noch: Ich muss den verdammten Stuhl zurückbekommen, um jeden Preis.“
„Ich nehme an, Sie haben sich schon mit meiner Tarifordnung beschäftigt und ...“
Preston fiel Bount ins Wort.
„Louisiana ist kein reicher Bundesstaat, wir schwimmen nicht gerade im Geld, aber ich habe Vollmacht, Sie mit allem auszustatten, was zur Klärung des Falles notwendig ist. Sind Sie bereit, ihn zu übernehmen?“
„Es kann Wochen dauern, ehe ich fündig werde“, warnte Bount.
„Darauf sind wir eingerichtet.“
Bount stülpte die Unterlippe nach außen, dann sagte er: „Okay, ich bin Ihr Mann.“
2
Wie sich herausstellte, hatte Ronald M. Preston gründliche Vorarbeit geleistet. In einem Aktenköfferchen, das er aus dem Hotel holte, befanden sich die Unterlagen über ein paar Dutzend Exekutionen mit kurz gefassten Darstellungen der Hingerichteten, der Urteile, und der ihnen zugrunde liegenden Verbrechen. Ein Anhang wies aus, wie groß die Zahl der Angehörigen war, die noch lebten, außerdem waren ihre Adressen vermerkt, und ihre Vorstrafen. Preston hatte darüber hinaus eingetragen, ob er den Erwähnten einen Racheakt von der Art zutraute, von dem er gesprochen hatte.
Die Fülle des Materials brachte es mit sich, dass einige Angaben nur vage und unvollständig waren. Preston wusste um diesen Schwachpunkt seiner Arbeit und bekannte: „Ich habe mich zwar bemüht, systematisch vorzugehen, gewissermaßen nach wissenschaftlichen Leitlinien, aber vor dieser Unzahl von Namen und Möglichkeiten musste ich beinahe kapitulieren. Außerdem war es schlechthin nicht machbar, diejenigen zu erfassen, die bislang ohne Vorstrafen durchs Leben gegangen sind und irgendwo als scheinbar brave Bürger leben.“
„Scheinbar?“, fragte Bount amüsiert.
„Natürlich scheinbar! Muss immerzu an einen Nachbarn denken, der, als ich noch jung war, jahrelang neben uns wohnte und allgemein als großartiger Bursche galt - bis die Polizei ihn des Kindesmordes überführte. Seitdem hat meine Überzeugung, dass man einen Gauner schon an der Nasenspitze erkennt, stark gelitten.“
Bount, der in Prestons Gegenwart das Material sichtete, sah, was auf ihn zukam. Er konnte sich nicht erinnern, jemals mit einer solchen Fülle von Verdächtigen konfrontiert worden zu sein - ohne Anhaltspunkte für ein Tätigwerden zu bekommen, oder sagen zu können, wie oder wo es Schwerpunkte zu setzen galt.
„Der Henker“, fragte Bount. „Lebt er noch?“
„Ja.“
„Wo?“
„Hier in New York. Er hielt es damals aus verständlichen Gründen für besser, Louisiana zu verlassen.“
„Wie heißt er?“
„Sein richtiger Name ist Martin Cervant“, erwiderte Ronald M. Preston, „aber nach seiner Pensionierung waren er und die Behörden der Meinung, es sei klüger, ihn mit einer neuen Identität auszustatten.“
„Wie lautet sie?“
„Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass Sie darüber nicht sprechen dürfen - mit keinem Menschen, nicht einmal mit Ihren Mitarbeitern“, sagte Preston.
„Die sind absolut zuverlässig. Wären sie es nicht, könnte ich den Laden schließen.“
„Okay, der Mann heißt jetzt Dark. Derek Dark.“ Preston kicherte kurz. Es klang ein wenig unheimlich, sogar ein bisschen verrückt. „Ein passender Name für einen, dessen Beruf es war, Menschen vom Leben zum Tode zu befördern, nicht wahr? Dark wohnt in der östlichen Einundsechzigsten.“
„Wie alt ist er jetzt?“
„So alt wie ich. Zweiundsechzig.“
„Er bezieht eine ausreichende Rente, nehme ich an?“
„Soweit ich es erkennen kann, lebt er nicht schlecht“, meinte Preston ausweichend.
„Weiß er, dass man den elektrischen Stuhl aus dem Magazin gestohlen hat?“
„Ja.“
„Sie haben es ihm gesagt?“
„Ich war bei ihm, noch ehe ich Sie aufsuchte“, erwiderte Preston. „Wir haben über alte Zeiten gesprochen, aber natürlich auch über diesen ärgerlichen, mysteriösen Diebstahl.“
„Wie hat er die Nachricht vom Verschwinden des elektrischen Stuhls aufgenommen?“
„Erstaunlich ruhig und gefasst. Dark ist ein ungewöhnlich sanfter Mann.“ Preston lächelte. „Wir waren damals miteinander befreundet. Ich war seinerzeit Sheriff von Ponchatoula, einem Ort in der Nähe von Hammond.“
„Henker haben keine Freunde“, meinte Bount. „Jedenfalls war ich bis heute der Meinung, dass es sich so verhält.“
„Für den Normalfall dürfte das zutreffen, aber mir imponierte dieser Mann, ich hatte Respekt vor ihm. Er leistete eine Arbeit, mit der andere sich nicht die Hände schmutzig machen wollten, und der dennoch merkwürdig kultiviert blieb, ein Mann mit guten Manieren, ein gebildeter und sehr angenehmer Gesprächspartner - und einer, den ich im Schachspiel nicht ein einziges Mal zu schlagen vermochte.“
„Zu welchem Schluss ist er hinsichtlich des Stuhldiebstahls gekommen?“
„Es СКАЧАТЬ