Название: Der FC Bayern und seine Juden
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783895337826
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Erster Mäzen des FC Bayern ist der angesehene Kochherd- und Ofenfabrikant Friedrich Wamsler sen., Vater der Bayern-Gründungsmitglieder Fritz und Karl Wamsler. 1875 hatte Wamsler eine Werkstatt in München bezogen. Dort arbeitete er zunächst als Kunstschmied. Aber die Tätigkeit ist nur Mittel zum Zweck. Wamsler benötigt Geld für die Verwirklichung seiner Idee eines leicht transportablen Sparherdes. Von der Münchner Presse groß angekündigt, eröffnet Wamsler 1877 eine »Spar- und Kochherdfabrik« (das Unternehmen existiert noch heute als Wamsler Koch und Küchen GmbH). Im selben Jahr kommt der erste transportable Sparherd auf den Markt. Ein Jahr später avanciert Wamsler zum königlichen bayerischen Hoflieferanten.
1901 stellt Friedrich Wamsler dem FC Bayern an der Schwabinger Clemensstraße ein Gelände für den ersten eigenen Platz zur Verfügung. Sohn Fritz, das FC-Bayern-Gründungsmitglied, wird das Familienunternehmen von seinem Vater übernehmen und weiter ausbauen. Er betätigt sich auch politisch und wird von 1928 bis 1932 für die Bayerische Volkspartei (BVP) im bayerischen Landtag sitzen.
In den Inflationsjahren nach dem Ersten Weltkrieg bemüht sich die Firma Wamsler, ihre Kapitaldecke durch Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zu vergrößern. Dabei hilft ihr das jüdische Bankhaus H. Aufhäuser. Unternehmensgründer Heinrich Aufhäuser gehörte viele Jahre dem Vorstand der Münchner Israelitischen Kultusgemeinde an. Das Haus Aufhäuser, zeitweise Hausbank des FC Bayern, zählt zu den angesehensten Privatbanken Deutschlands. Zu seinen Kunden gehören auch die Familie von Thomas Mann, Herzog Luitpold von Bayern und der deutsch-amerikanische Musikwissenschaftler Alfred Einstein.
Freiburg, Schwabing und die Maxvorstadt
Gustav Randolph Mannings Pläne mit dem FC Bayern können nur funktionieren, wenn der neue Klub erfolgreich ist und möglichst schnell zur ersten Kraft in der Metropole wird. Daher unterstützt er die Bayern durch Gastspieler seines Freiburger FC. Es handelt sich dabei um die Studenten Ernst Schottelius, August Falschlunger, Theo Schillig, Hermann Geis und Hermann Specht.
Die Rechnung geht auf, denn die Neugeburt startet furios. Die ersten 14 Spiele enden allesamt mit einem Sieg des FC Bayern. So wird beim zweiten Auftritt der Stammverein MTV 1879 mit 7:1 von der Theresienwiese gefegt.
Nachdem Schottelius und Co. ihre Mission erfüllt haben, kehren sie nach Freiburg zurück. Schottelius promoviert 1903 zum Doktor der Medizin. 1904 zieht er nach Berlin und anschließend nach Leipzig. In seiner Freizeit widmet sich der Fußballpionier nun primär dem Skisport, über den er auch einige Fachbücher veröffentlicht.
Wie der Freiburger FC ist auch der FC Bayern ein elitärer und vornehmer Klub. Laut FFC-Chronist German Kramer war es Josef Pollack, der die Freiburger Kleiderordnung in München einführt: Auch über die frühen Bayern wird berichtet, sie hätten aus Frankreich importierte, ausgefallene, einheitliche Strohhüte getragen. Weshalb man sie entweder anerkennend einen »Kavaliersklub« oder ablehnend einen »Protzenklub« nennt.
Und überhaupt dürfen beim FC Bayern bis 1908 nur »Einjährig-Freiwillige« mitmachen. Gemeint sind Wehrpflichtige mit höherem Schulabschluss (Abitur). 1813 hatte Preußen als erste Nation einen einjährig-freiwilligen Dienst als verkürzte Form des Wehrdiensts eingeführt. Der »Einjährig-Freiwillige« diente nur ein Jahr statt der sonst üblichen zwei oder drei Jahre, musste aber seine Ausrüstung und Verpflegung selbst bezahlen. Nach Ableistung des Dienstjahres wurde der »Einjährig-Freiwillige« gewöhnlich zum Offizier des Beurlaubtenstandes (Reserve) ernannt. Mit der Einrichtung des Deutschen Bundes 1867 und Deutschen Kaiserreiches 1871 wurde der Einjährig-Freiwilligen-Dienst nach und nach auf ganz Deutschland ausgedehnt.
Über das 1. Stiftungsfest des FC Bayern 1901 ist in der Festschrift zum 25-Jährigen zu lesen: »Die Abhaltung dieses Festes geschah in einem vornehmen Rahmen, wie überhaupt der Klub stets das Künstlerische und Vornehme bei seinen öffentlichen Auftritten von allem Anfang an betonte. Dazu war er mehr oder weniger verpflichtet, da sich seine Mitglieder in der Hauptsache aus Studenten, Künstlern, Kaufleuten usw. zusammensetzten.«
Die Heimat des FC Bayern ist Schwabing und die angrenzende Maxvorstadt, wo die meisten seiner Gründer wohnen. Seit 1901 hat der Klub an der Schwabinger Clemensstraße seinen ersten eigenen Platz; 1907 zieht er an die äußere Leopoldstraße. Vorausgegangen war eine Fusion mit dem ebenfalls vornehmen Münchener Sport-Club. Erst 1922 wird der Klub Schwabing verlassen.
München hatte sich im 19. Jahrhundert zu einem geistigen Zentrum und schließlich zur Kunstmetropole entwickelt. 1826 war die Universität hier angesiedelt worden; sie erhielt ihr ständiges Zuhause an der Adalbertstraße in der Maxvorstadt, während die Akademie für bildende Künste einen repräsentativen Bau an der Akademiestraße und Leopoldstraße beim Siegestor bezog. Maxvorstadt und das angrenzende Schwabing avancierten bald zum Literaten- und Künstlerviertel der Stadt.
Der FC Bayern wird gewöhnlich mit Schwabing assoziiert, aber man muss wohl die Maxvorstadt, das eigentliche Universitäts- und Studentenviertel, hinzufügen. Anton Löffelmeier: »Die Frage nach der Verortung Schwabings ist eine historisch-topographische und eine philosophische und daher nicht so leicht zu beantworten. Historischtopographisch beginnt Schwabing hinter dem Siegestor, also mit Beginn der Leopoldstraße, sodass Arcisstraße, Adalbertstraße, Schelling-und Türkenstraße (samt und sonders Straßen, wo die Bayern-Gründer Spuren hinterließen, Anm. d. A.) eindeutig in der Maxvorstadt liegen. Wenn man Schwabing als Lebensgefühl und eine Lebensart nimmt und so die ganzen Cafés, Studentenbuden und bohemienhaften Erscheinungen mit einbezieht, dann sind wohl große Teile der Maxvorstadt dem Ort ›Schwabing‹ zuzurechnen – was landläufig auch geschieht. Viele sogenannte Schwabinger Künstler in der Zeit um 1900 wohnten in der Maxvorstadt, in den oben genannten Straßen um die Universität, die Akademie der bildenden Künste und die Technische Hochschule. Wenn man jetzt den Gründervätern des FC Bayern gewisse Attitüden des ›schwabingerischen‹ Lebensstils zurechnet – z.B. Inszenierung, Auftreten, Gründungsakt in einem Weinlokal –, kann man sie durchaus auch als ›Schwabinger‹ verorten.«
Um die Jahrhundertwende, also zum Zeitpunkt der Gründung des FC Bayern, leben und arbeiten in Schwabing und der Maxvorstadt u.a. Paul Klee, Wassily Kandinsky und Gabriele Münter aus der Malervereinigung »Blauer Reiter«, Ludwig Ganghofer, Heinrich Mann, Thomas Mann, Oskar Panizza, Ricarda Huch, Frank Wedekind, Rainer Maria Rilke, Ludwig Thoma, Stefan George, Christian Morgenstern, Lion Feuchtwanger, Joachim Ringelnatz, Oskar Maria Graf. Von ihrer Herkunft her ist diese Szene ähnlich gestrickt wie der frühe FC Bayern: Die wenigsten der Schwabinger Kulturschaffenden sind Münchner oder auch nur Bayern. Ihre Freizeit verbringen sie in den zahlreichen Kaffeehäusern Schwabings und der Maxvorstadt. Hier verkehren auch viele der ersten Bayern-Aktivisten. Ähnlich wie in Wien und Budapest kommt es zu einer Melange von Kulturszene und Fußball. Wie einige der Wiener und Budapester Klubs ist auch der in einem Weinlokal gegründete FC Bayern zunächst ein »Kaffeehausverein«.
Das Schwabing der Jahrhundertwende gilt als liberalster Ort Deutschlands und erfreut sich deshalb auch bei politischen Dissidenten großer Beliebtheit. Im Jahr der Bayern-Gründung treffen vier russische Sozialrevolutionäre in Schwabing ein, auf der Flucht vor der zaristischen Geheimpolizei. Einer von ihnen heißt Wladimir Iljitsch Uljanow und nennt sich in München erstmals »Lenin«. Im Künstlerlokal »Café Stefanie« an der Ecke Amalienstraße/Theresienstraße verkehren mit Kurt Eisner, Gustav Landauer und Erich Mühsam einige der späteren Rädelsführer der »Münchner Räterepublik«. Angeblich wurde das revolutionäre Unternehmen hier ausgeheckt.
Die Pioniere verlassen München
Die meisten Studenten oder Kulturschaffenden allerdings werden in München nicht dauerhaft heimisch. СКАЧАТЬ