Название: Mein Bruder, Muhammad Ali
Автор: Rahaman Ali
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783903183827
isbn:
Natürlich machten sich auch unsere Eltern Sorgen. Ich erinnere mich, wie mein Bruder zu ihnen sagte: „Ich folge dem ehrenwerten Elijah Muhammad. Ich bin ein Muslim. Elijah Muhammad sagt, ich kann nicht für dieses Land kämpfen. Ich kann nicht einfach unschuldige Menschen töten, die mir nichts antun. Diese Menschen nennen mich nicht ‚Nigger‘. Ich kann dort nicht hinfahren und kämpfen. Ich werde es nicht tun.“
Darauf sagten unsere Eltern: „Wenn das deine Überzeugung ist, dann tu das, was du für richtig hältst. Geh und stehe deinen Mann. Wir stehen zu 100 Prozent hinter dir.“
Selbst heute noch übersehen viele Leute die Tatsache, dass unverhältnismäßig viele Afroamerikaner eingezogen wurden, um in Vietnam zu kämpfen. Das sorgte wiederum für einen anderen Konflikt: Da waren nun Menschen, die mit ihrem Gewissen kämpften, unsicher darüber, aus welchem Grund in Vietnam Krieg geführt wurde, doch viele von ihnen hatten Söhne, Onkel, Brüder und Väter, die zum Militär gingen, um gegen den Kommunismus zu kämpfen. Also gab es einige, die die Entscheidung meines Bruders unterstützten und sich gleichzeitig fragten, warum ihre Verwandten dienen mussten, und andere, die der Meinung waren, dass mein Bruder über dem Gesetz stehen solle.
Vor allem Mainstream-Amerika betrachtete Muhammad als einen Dummkopf, aber auch als einen vorlauten schwarzen Mann, der nicht wusste, wo sein Platz war. Er war gelegentlich der „Kentucky Clown“ genannt worden, oder die „Louisville Lippe“, doch nachdem er der Nation of Islam beigetreten war und seinen Namen auf Muhammad Ali geändert hatte, bekam die Kritik an ihm einen immer aggressiver werdenden Unterton. Nun, als er sich weigerte, mit gutem Beispiel voranzugehen und sich zum Militärdienst zu melden, wurde er zu einem öffentlich gehassten Sportler, vor dessen Tür die Kommentatoren und Zeitungsschreiber Schlange standen, um ihr Gift auf ihn zu spritzen.
HARTE ZEITEN
In der Zwischenzeit protestierte Muhammad weiter öffentlich, nachdem ihm die amerikanische Regierung seine Boxlizenz zwei Monate
nach seiner Weigerung, in den Vietnamkrieg einzurücken, entzogen hatte. Als Konsequenz daraus verschlechterte sich seine finanzielle Lage rapid, und schon bald steckte er in Geldnöten.
Niemand in den Vereinigten Staaten stellte ihm eine Boxlizenz aus. Und da die Behörden auch seinen Pass beschlagnahmt hatten, war es ihm auch nicht möglich, im Ausland zu boxen. Obwohl ihn die Nation of Islam in dieser düsteren Zeit finanziell unterstützte, war mein Bruder fest entschlossen, von selbst wieder auf die Beine zu kommen.
Ein Grund, warum ihn das zu diesem Zeitpunkt so hart traf, war, dass Muhammad gerade zum zweiten Mal geheiratet hatte. 1964 hatte er Sonji Roi, eine Cocktailkellnerin, die Herbert ihm nach unserer Reise nach Afrika vorgestellt hatte, geheiratet. Wir tourten damals durch Ghana und Ägypten, wo wir sogar von Präsident Nasser empfangen wurden. In Ghana wurden wir von Hunderten stürmischen Fans umringt, die alle so nahe wie möglich an Muhammad ran wollten, und Herbert rannte sogar davon, da er um sein Leben fürchtete. Anfangs war Sonji gar nicht so angetan von meinem Bruder. Sie konnte seine Angeberei einfach nicht ausstehen, ja, es törnte sie sogar eher ab. Doch Muhammad blieb hartnäckig und war ganz auf dieses junge hübsche Mädchen fixiert. Nach einer stürmischen Romanze von fünf Wochen traten sie am 14. August 1964 vor den Altar, und ein paar Tage später besuchten sie uns in Louisville, um unsere Eltern zu kennenzulernen.
Doch die Schwierigkeiten waren bereits vorprogrammiert. Eines der größten Probleme, das Muhammad mit seiner ersten Frau hatte, war, dass sie die Lehren des Islam in Bezug auf Moral strikt ablehnte. Ich erinnere mich, wie mein Bruder ihr immer wieder lautstark sagte, sie solle sich sittsam kleiden. Er sagte: „Du kannst nicht in diesen kurzen Kleidern herumlaufen.“
Mein Bruder hatte große Schwierigkeiten damit, dass seine Frau Miniröcke trug und viel Haut zeigte – es entsprach nicht unserer Religion. Er glaubte, er müsse ein Vorbild sein, und wenn seine Frau nicht mit gutem Beispiel voranginge, welche Botschaft würde das denn aussenden? Immer wieder gerieten Muhammad und Sonji deswegen aneinander, und sie sagte zu ihm, dass sie nicht dazu bereit sei, sich seinen Regeln unterzuordnen. Sie warf meinem Bruder vor, dass er denke, dass der Mann der „Herr im Haus sei“ und immer recht habe, und Muhammad konnte dem kaum widersprechen. Sonji stritt immer wieder mit meinem Bruder über das, was sie tat und wie sie sich anziehen sollte, aber ebenso, weil sie Elijah Muhammads Lehren permanent infrage stellte. Zwei Jahre nach ihrer Heirat ließen sie sich wieder scheiden, und mein Bruder nahm sich vor, dass seine nächste Ehefrau einen positiveren Einfluss auf sein Leben haben sollte.
Schließlich heiratete er im August 1967 die damals erst 17-jährige Belinda Boyd. Es war mehr oder weniger eine arrangierte Ehe. Muhammad musste die Zustimmung ihrer Eltern einholen, und die spielten eine wichtige Rolle. Mein Bruder lebte zu dieser Zeit im Süden Chicagos, in einem bescheidenen Haus, das Herbert ihm und seiner neuen Frau zur Verfügung gestellt hatte, während ich mir ein eigenes Quartier einige Blocks entfernt vom Heim meines Bruders mietete. Muhammad und Belinda hatten sich zum ersten Mal gesehen, als er 18 war und sie zehn. Zu dieser Zeit stattete er gerade der Muhammad University of Islam Number Two einen Besuch ab, einer muslimischen Schule in Chicago, die Belinda während seiner Tour nach dem Gewinn der Goldmedaille abschließen sollte.
„Ich werde noch vor meinem 21. Geburtstag Weltmeister im Schwergewicht sein“, erzählte er einer Gruppe von Schülern, zu denen auch sie gehörte. „Holt euch also eure Autogramme jetzt schon! Ich werde bald berühmt sein.“
Muhammad ging zu Belinda und sagte: „Hier, Kleine. Hier ist mein Autogramm. Eines Tages werde ich berühmt sein. Mein Name wird etwas wert sein.“
„Wie kannst du wissen, dass du das schaffst, bevor du 21 bist?“, fragte eine verwunderte Belinda, als sie das Stück Papier, das er ihr gegeben hatte, betrachtete. „Warte, dein Name ist Cassius Marcellus Clay? Weißt du überhaupt, was die Römer anderen Menschen angetan haben? Und du hast das Wort Clay in deinem Namen, das bedeutet Lehm, Erde, die man formen kann, und darauf bist du stolz?“
Das war wohl ein wenig zu viel für meinen Bruder. Bedenkt man, dass Belinda noch ein kleines Mädchen war, war sie bereits außerordentlich selbstbewusst und reif. Als sie nachlegte, suchte Muhammad noch immer nach einer Antwort.
„Bruder, ich sage dir etwas“, fuhr sie fort, riss das Papier in Stücke – und faszinierte meinen Bruder mit ihrer Schlagfertigkeit. „Wenn du mit mir reden willst, dann brauchst du einen Namen, der Respekt und Ehre ausstrahlt. Du brauchst einen muslimischen Namen. Dann können wir reden.“ Und sie drückte ihm das zerrissene Autogramm wieder in die Hand. „Das kannst du wieder mitnehmen.“
Sie erklärte ihm, dass an der muslimischen Schule, die sie besuchte, die Schüler die Geschichten der Kalifen lasen – Abū Bakar, Usman, Umar und Ali –, große Männer, die Helden waren und für ihre Religion gekämpft hatten.
„Du bist einer dieser Kalifen“, sagte sie zu meinem Bruder. „Du musst für den Islam kämpfen.“ Dann ging sie.
Muhammad war schwer irritiert. Niemand hatte bis jetzt so mit ihm gesprochen, schon gar nicht ein zehn Jahre altes Mädchen.
„Sie hat meinen Namen zerrissen. Sie hat mein Autogramm zerrissen“, murmelte er. „Wer ist sie?“
Die Antwort der Anwesenden kam prompt und war recht entmutigend.
„Leg dich nicht mit ihr an“, sagte man meinem Bruder. „Sie ist СКАЧАТЬ