Die Nann. Anna Croissant-Rust
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Читать онлайн книгу Die Nann - Anna Croissant-Rust страница 8

Название: Die Nann

Автор: Anna Croissant-Rust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711460832

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СКАЧАТЬ jemand kommen, ausser es musste sie etwas von höchster Wichtigkeit dazu treiben. So waren die Kinder wie gefangen, und die Tage gingen langsam hin. Anderl war nicht böse über die stille Zeit; hatte er seine Arbeit getan, gefüttert, den Stall gerichtet oder Holz gemacht, so schlief er meistens auf der Ofenbank, und es gefiel ihm vorderhand ganz gut so. Juli machte sich daran, nach und nach das Haus zu säubern und zurechtzuflicken.

      Die kleine Nann fing schon an zu lachen und nach dem Licht zu greifen, sie versuchte, sich überall aufzurichten und in der Stube umherzukriechen. Wunderlich genug sah sie aus in den Kitteln, die ihr die Schwester zusammenzauberte, wie ein Kind fahrender Leute. Sie ass und schlief tüchtig und machte der Juli wenig Sorgen.

      Als der Frost nicht nachliess und ein Tag wie der andre grau und trübselig dahinging, legte sich die grosse Einsamkeit lähmend auf die Kinder, sie wurden mürrisch und wortkarg, doch hatten sie sich schon an vielen stillen Abenden zuvor beraten, sie wollten Weihnachten feiern. Gleich am Abhang beim Haus stand eine kleine Fichte, die schlug Anderl, und nun freuten sie sich Tag für Tag auf den Heiligen Abend. Juli hatte altes Seidenpapier gefunden, dazu ein paar Lichtstümpfchen im Schrank der Mutter; damit putzten sie das Bäumchen, die Juli legte noch Äpfel und Nüsse darunter, die der Hansi im Herbst gebracht und die sie sorgsam gehütet. Als sie die Lichter angezündet hatten, standen sie vor dem Bäumchen und warteten auf die Freude, die nicht kommen wollte, und wurden traurig und trauriger; es kam ihnen vor, als seien sie ganz allein und verlassen auf der Welt und verloren in Schnee und Eis.

      „Die Muatter,“ sagte die Juli und sah’s dabei auch dem Anderl an, dass er sich nicht fassen konnte vor Heimweh. Nur die Nann, die noch nichts wusste von Sehnsucht und Verlassenheit, freute sich an den brennenden Lichtern. –

      In der Nacht raste, ganz plötzlich erwacht, der Sturm durchs Tal, fegte den Schnee hier weg und blies ihn dort fast haushoch zusammen. Alles war verändert ringsum, man kannte sich am Morgen fast nicht mehr aus, und die Kinder schauten mit grossen, fast furchtsamen Augen auf die neuen Hügel und Täler, die entstanden waren. Später entdeckten sie erst, dass der Brunnen durch den starken Frost eingefroren war, nun hatten sie kein Wasser mehr und wussten, dass eine saure und harte Arbeit ihrer warte, denn jetzt hiess es Schnee holen, viel Schnee, und ihn dann schmelzen, um Wasser für den Haushalt zu bekommen.

      Anderl sträubte sich, was er nur konnte, gegen diese Plage; das Liegen auf der Ofenbank und das Rauchen, das er nun angefangen mit alten Pfeifen und altem Tabak vom Vater, gefielen ihm viel besser. Aber sein Widerstand half nicht viel, die Juli war viel zu schwach, die schwere Arbeit allein zu tun, und schalt so lange, bis er sich endlich zur Hilfe entschloss. Aber er war böse auf Juli, dass sie ihn in seiner Musse störte, ganz wie wenn sie Schuld daran trüge, dass der Brunnen eingefroren. „Wirscht a Duifl wie der Voda,“ sagte er, doch die Juli war viel zu müde, um ihm zu antworten. Zu müde vom Arbeiten, zu müde von dem trüben Einerlei der Tage. – Um sechs Uhr krochen sie manchmal schon in ihre Betten. Sie mussten Licht sparen, wer weiss, wie lange sie noch gefangen blieben! Auch am Morgen standen sie nicht zu frühzeitig auf, so hatten sie eine lange, lange Nacht und mussten oft beide wachen. Sie schliefen jetzt alle der Wärme halber in der grossen Stube. Anderl war in den langen dunklen Nächten so furchtsam geworden, dass er schon aufschrie, wenn ein Brett krachte oder ein Scheit im Ofen umfiel. „Juli, es ischt was!“ schrie er in seiner Herzensangst, oder gar: „Juli, a Diab!“, und sie musste den grossen Buben beruhigen wie ein kleines Kind. Sie selbst war sehr gewachsen in der letzten Zeit, sie war fast so gross wie Anderl, aber überall sahen ihr die Knochen heraus, die Kleider schlotterten an ihr herum, und den ganzen Tag war sie müde. Am liebsten wäre sie immerfort sitzengeblieben und hätte immerfort auf die weisse Öde ringsum gestarrt, die tagein, tagaus sich glich, stumm, weit und ohne Erbarmen. Aber sie musste ja mit Anderl Schnee holen, Eis aufhacken, kochen; wenn es nur endlich tauen wollte! –

      Endlich, endlich fing es an in grossen Flocken zu schneien, die wie weisse Vögel geflogen kamen; sie freuten sich beide, jetzt gab’s Tauwetter! Und es schneite, schneite, dass sie kaum einen Schritt weit sahen; es schneite am Morgen, am Mittag und am Abend, und wieder am Morgen, am Mittag und am Abend. Als sie ins Bett gingen, war der Schnee so hoch gekommen wie das Fenster. Das beunruhigte besonders die Juli so, dass sie kaum schlafen konnte. Wenn es so weiterschneite, waren sie in ein paar Tagen begraben!

      Während der Nacht entstand auf einmal ein furchtbares Getöse – ein langandauerndes Krachen war’s, ein Splittern und ein Poltern –, die Kuh wollte nicht aufhören mit Brüllen, und die Geiss meckerte dazwischen; es war ein beständiges Klirren der Ketten, ein immerwährender Lärm im Stall – die Juli fuhr im grössten Schrecken auf, ihr Herz klopfte so, dass sie nichts andres sonst hörte. Doch der Lärm wiederholte sich nicht, nur die Unruhe im Stall, das Klagen der Tiere dauerte an. Aber die Angst vor etwas Unheimlichem, das da draussen vorgehen mochte, verliess die Juli nicht. Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und verrammelte die Türe mit dem Tisch und mit Stühlen, damit ja nichts zu ihnen dringen könne. Anderl hatte sich in seiner Todesangst vollständig vergraben im Bett, er war nicht einmal dazu zu bewegen, eine Antwort zu geben. Ohne Laut, in stummem Schrecken hielt er sich die ganze Nacht unter den Kissen verborgen.

      Die Juli hörte wohl das Stossen gegen den Barren im Stall, hörte das Klagen der erschreckten Tiere, wagte es aber erst aufzustehen, als es hell wurde, und da stand sie mit Zagen auf, es war ihr, als müsse etwas Schreckliches auf sie da draussen warten. Nach vielem Zureden und Betteln und Bitten und Schelten und Zanken gelang es ihr, Anderl auf die Beine zu bringen; er hielt sich immerfort hinter ihr und dazu noch an ihrem Rocke fest, als sie ihn nach dem Stall mitnahm. Zweimal versuchte sie dort die Türe zu öffnen und fand nicht den Mut dazu, das drittemal machte sie gleich herzhaft weit auf.

      Was war denn da geschehen?! Das war ja, wie wenn sie ins Freie gingen! –

      Oben zum Stalldach schaute der blanke Himmel herein, auf dem Boden lagen grosse Haufen Schnees, Balken und Holzschindeln von dem durch den Schnee eingedrückten Dach durcheinander, das Vieh stand, steif vor Frost, mitten drinnen.

      „Jess’s Maria, des aa no!“ schrie sie. Hatte sie es nicht dem Vater gesagt, das Dach sei schlecht, und hatte er es nicht ausbessern sollen? Nun war er im Haus herumgesessen, hatte gefaulenzt und war gegangen, ohne nur einen Nagel da oben einzuschlagen! Und sie begann in Verwünschungen auszubrechen gegen diesen Vater, der sie verhungern und verkommen und elend zugrunde gehen liess, der sie allein da heroben wusste und nicht kam und nicht bei ihnen blieb – es war ihr ganz aus dem Sinn gekommen, dass sie es nicht hatte erwarten können, bis er aus dem Haus ging!

      „Jetz hammer’s, jetz hammer’s!“ jammerte sie und lief wie eine Verrückte hin und her mit Schaufel und Körben und schaufelte und schleppte; aber obgleich sie beide mit aller Kraft arbeiteten, sah man gar nicht, wo sie angefangen hatten! Wo sollten sie denn die Kraft hernehmen, den vielen Schnee wieder wegzuschaffen?

      In der Stube schrie die Nann, neben ihr begann Anderl zu heulen, vor ihr klagte die Kuh, da fing auch die Juli bitterlich zu weinen an.

      „Was tuan mir, Anderl! Was tuan mir?“ jammerte sie.

      Da hatte Anderl einen guten Gedanken, einen so guten, dass er viele Jahre lang, wenn er gescholten und für tapsig und blöd erklärt wurde, nie vergass, ihn aufzutischen.

      Er nahm die Kuh an der Kette, führte sie stolz über den Gang nach der Küche und holte auch die Ziege nach. Dann zündete er im Herd ein gutes Feuer an und brachte den erfrorenen Tieren Futter. Die Ziege fing gleich, obzwar immer noch mit anklagendem Meckern, zu fressen an, aber die Kuh schnupperte nur so am Futter herum und gab ihr heiseres Brüllen nicht auf.

      Auch in der Stube machte Anderl ein grosses Feuer und wärmte Milch für die Nann, denn die Juli war ganz aus der Fassung gebracht, ganz verwirrt, und anstatt wie sonst den Anderl anzutreiben, liess sie nun alles geschehen, was er tat, sie wusste sich keinen Rat mehr.

      „Wenn d’ СКАЧАТЬ