Die Nann. Anna Croissant-Rust
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Nann - Anna Croissant-Rust страница 6

Название: Die Nann

Автор: Anna Croissant-Rust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711460832

isbn:

СКАЧАТЬ führen können bis hinauf zu den kleinen Stadeln, wo man weit, weit bis ins Dux und gegen das Zillertal zu, nach Navis und über den Brenner sehen konnte, wo alles im Sommer voller Blumen stand, dass man sich nichts Schöneres denken konnte als dort liegen und den blauen Himmel ansehen; jemand, mit dem er über die Steilhänge hätte herabrollen können, der mit ihm schrie und jauchzte vor Lust – einen kleinen Kameraden zum Rodeln im Winter, wo er wie der Sturmwind über die Halden sauste, eine Gefährtin beim Schneeballen, die seine grossen Schneemänner, seine Wälle, seine Schneehäuser bewundert hätte, ein kleines Schwesterchen, dem er seine Schnitzarbeiten zeigen, dem er Spielsachen hätte schnitzen können. Gerade jetzt, wo er nur des Sonntags zur Schule ging und ihn der Vater noch nicht immer zur Arbeit anhielt, ging’s ihm ab, und er hatte oft die Mutter gequält, dass sie ihm ein ‚Poppele‘ bestellen solle, aber ein Schwesterchen musste es sein, von einem Bruder wollte er nichts wissen.

      „Wenn sie grad schon grösser wär’“, sagte er nachdenklich und etwas geringschätzig zur Juli und gab ihr die kleine Nann. Nie war ihm in den Sinn gekommen, mit Juli zu spielen, die ihm im Alter doch näher stand als der Anderl. Er war ja oft genug zu der Kuchlerin heraufgekommen, war viel bei ihr im Garten gewesen, aber nie erinnerte er sich, mit der Juli gespielt zu haben. Er hiess sie nur die Zigeunerin und mochte ihr krauses, wirres Haar, das bronzefarbene Gesicht, ihre pechschwarzen, etwas glanzlosen Augen nicht leiden.

      Dagegen gefiel ihm die weisse kleine Nann mit den gelben Löckchen sehr.

      „Da schau grad’ die feinen Haarlen an und die kloan Fingerlen! I muass sie glei der Muatter zeig’n,“ und eilends nahm er sie wieder Juli ab und stieg hinunter.

      „Da schau, Muatter, ’s Poppele, wie nett es ischt.“

      Die Mutter nahm’s ihm vom Arm.

      „Wie a Engerl, gelt, Kuchler, ma muss es ja gern hab’n, das arme Heiterl!“

      Aber der Kuchler stand am Fenster, drehte ihr den Rücken und tat, als höre und sehe er nicht. Erst als Hansi gegangen war, gab er seinen Platz am Fenster wieder auf, und auf seinem Gesicht stand deutlich zu lesen: ‚Was willst du denn noch? Ich brauch’ niemand von Malsein in meinem Haus,‘ und die Sprache war so deutlich, dass die Malseinerin sich gleich zum Gehen anschickte.

      „Also, Kuchler“, sagte sie, „es bleibt dabei, du nimmscht die Moidl nit?“

      „I nit.“

      Die Malseinerin hatte auch ihren Trotz, und jäh, wie sie war, fuhr’s ihr heraus: „Na nimm ich sie.“

      Der Kuchler lachte. „G’halt sie nur, i wünsch’ dir Glück dazua!“

      Nun musste sie eben sehen, wie sie den Malseiner herumbrachte, auf der Alm war Arbeit genug oben und immer eins zu wenig, da konnte man sie fürs erste schon aus dem Weg räumen.

      Die Juli ging noch ein gutes Stück Weges mit und kam dann mit all ihren Sorgen und bat um Rat.

      „Sei du nur brav, Juli, es wird schon gehn, i will gern nachschaug’n“, war der Malseinerin letztes Wort. „Du musst es dem armen Hascherl seiner Muatter zulieb tun, wenn der Vater nix von ihm wissen will.“

      3

      Für die Juli begann nun ein hartes Leben; sie hatte gehofft, dass der Vater, wie immer, auf das Zimmern ausgehen und sie mit Anderl und der Kleinen allein lassen würde. Sie hatte sich das recht schön gedacht, so allein im Häusl wirtschaften zu dürfen, wo doch der Anderl gut folgte und die grossen Schwestern fort waren, die immerfort Zank und Unfrieden stifteten. Aber da wurde nichts daraus. Der Vater bestand darauf – was er nie getan hatte – das Heu selber zu machen und mit Anderl und mit ihr herunterzubringen. Obwohl er in der Nähe Geschäfte hatte, merkte sie sehr wohl, dass er nicht gehen wollte, sondern sich einrichtete, ein paar Wochen zu Hause zu bleiben, wahrscheinlich, damit die beiden Schwestern nicht wieder hereinkamen. Sie arbeitete ja gern und hätte mit Anderl so nach und nach alles in Ordnung gebracht. Aber wie der Vater arbeitete! Von früh bis nachts wurde sie gehetzt. Hatte sie die Frühsuppe gekocht und das Vieh versorgt, so blieb ihr kaum Zeit, die Nann zu richten und ihr Nahrung zu geben, gleich musste sie Nachkommen zum Mähen, zum Wenden, zum Einführen. Wenn’s zu lange dauerte, rief sie ein Pfiff des Vaters zur Arbeit; kam sie dann nicht gleich, schlug er sie. Es war, als übertrage er den Groll, den er gegen die Nann hegte, auf ihre Wärterin. Dabei sollte gekocht sein, wenn der Vater Hunger hatte, und draussen sollte sie auch mithelfen, besonders zur Zeit des Heuens. Der Vater liess ihr keine Stunde, wo sie hätte aufräumen und säubern können; kam er aber des Abends heim mit Anderl, der keuchend und schwitzend hinterdreintrabte, so begehrte er auf, wenn nicht alles in Ordnung war. Dabei musste die Juli alles für die Nann heimlich tun; des Nachts, wenn ihr beinahe die Augen zufielen, musste sie noch für die Kleine waschen oder ihr noch etwas kochen – –. Den ganzen Tag blieb die arme Nann oft in der Kammer allein, und viele Male hörte die Juli das Kind weinen und durfte nicht von der Arbeit weg.

      Es zuckte ihr in den Fingern, sie hätte alles hinwerfen und zu ihr laufen mögen, wenn sie sich nur vor dem Vater getraut hätte. Nie fragte er nach dem Kinde, die kleine Nann hätte ebensogut tot sein können. Wenn er sie schreien hörte, sah man ihm den Groll über das Dasein dieses kleinen Wesens an, das ihm nur Schande und Spott gebracht hatte und das in seinem Hause vor ihm verräumt und versteckt werden musste. Die Juli durfte sich nicht einmal getrauen, die kleine Wäsche aufzuhängen, denn er warf sie zu Boden, schalt und fluchte und trat mit den Füssen darauf herum. Sie konnte sich oft nicht mehr helfen, beständig gehetzt, beständig in Aufregung, immer in Angst vor dem Vater, immer gescholten – sie setzte sich untertags hin, vollständig stumpf und gleichgültig, und selbst wenn der Vater gekommen wäre, würde sie sitzengeblieben sein. Mochte er sie hauen, mochte er sie totschlagen, dann war’s doch wenigstens aus! Da hatte es ja der Anderl noch besser, der machte halt seinen Trab fort, wenn er auch einmal seinen Fusstritt oder seine Maulschellen bekam, er machte es deshalb nicht schneller, er weinte nicht, er widersetzte sich nicht, er ‚stellte seinen Buckel auf‘, wie der Vater sagte, wie wenn ihm das von allem helfen könnte. Manchmal brachte das verstockte und scheue Wesen Anderls den Vater freilich so in Wut, dass er ihn schlug, bis ihm der Arm wehtat. Allerdings weinte der Bub auch da nicht, er kroch nur hinauf in die Kammer zur Nann, setzte sich neben die Wiege, und indem er diese sanft in Bewegung setzte, erzählte er dem kleinen Diandl alles, was ihn drückte, wie’s ihnen ging, ja er redete sich oft in eine ganz blutrünstige Stimmung hinein und sprach vom Erschlagen und Erschiessen.

      Die Kammer, in der die kleine Nann mit der Juli schlief, war überhaupt eine Zufluchtsstätte für die beiden Kinder. Wollten sie dem Vater aus dem Weg gehen, weil er seinen Zorn hatte, so liefen sie über die Stiege in die Kammer, denn da waren sie sicher vor ihm, dahin kam er niemals. Manchmal versuchte die Juli, die kleine Nann ins Freie zu bringen, aber dann musste sie wie gejagt vorauslaufen, wenn der Vater in Sicht war, und nicht nur das Kind, sondern auch die Wiege mit fortnehmen, denn gerade der Anblick der Wiege versetzte ihn in die fürchterlichste Wut. Er stiess sie um, dass die Bettstücke nur so flogen, im Haus krachten dann die Türen, und die Kinder verkrochen sich.

      Die kleine Nann aber gedieh in der Atmosphäre von Zorn und Zank und Zittern und Angst. Wie eine Blume blühte sie in der Kammer auf. Weiss und rot, die feinen Härchen in lauter Ringeln über der Stirn. Die Malseinerin konnte sich nicht genug wundern, wie das Kind gedieh, wenn sie manchmal auf ein Viertelstündchen heraufkam. Gewöhnlich brachte sie Hansi mit, der immer sehen wollte, ob denn die Nann noch nicht laufen könne.

      Wenn die Malseinerin hereinkam, ging der alte Anderl gewiss zur Türe hinaus. Was hatte denn jemand von Malsein da heroben zu tun? Nur des Mahnens zur Arbeit halber kam die Malseinerin nicht. Ihre Reden schmeckten ihm schon gar nicht, die konnte es noch besser wie der Pfarrer. Jedesmal wusste sie etwas andres. Einmal, dass er Moidl wieder nehmen müsse.

      „Aha, СКАЧАТЬ