Die Nann. Anna Croissant-Rust
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Название: Die Nann

Автор: Anna Croissant-Rust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711460832

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СКАЧАТЬ die blasse Sonne, es sang und heulte im Kamin, und der Rauch drang aus allen Ritzen des Ofens, wenn ihn der Sturm niederdrückte. Die Juli sah und hörte nichts von allem, teilnahmslos kauerte sie am Ofen mit halbgeschlossenen Augen, während Anderl scheu um sie herumstrich. Sie nahm die Brotsuppe nicht, die er brachte, sie hörte nicht, was er sagte, sie gab keine Antwort, wenn er jammerte und fragte.

      Was soll denn werden um aller Heiligen willen?

      „So sag was, sag was, hörscht denn nit?“ redete er auf die Schwester ein, und weil sie hartnäckig schwieg, geriet er, der sich sonst nicht rührte, vor Angst und Schrecken ganz wild gemacht, ausser sich. Er riss Juli in die Höhe, er versuchte sie auf die Füsse zu stellen und schüttelte sie, doch sank sie ihm unter den Händen zu Boden. Und welche Mühe das dem erschrockenen Buben machte, sie auf die Bank hinaufzulegen, denn weiter brachte er sie nicht, mit welcher Angst er nach ihr schaute, wie er hin und her lief, bis er ein Kissen und eine Decke für sie fand und sie gebettet hatte!

      Da lag sie nun am warmen Ofen und zitterte vor Frost, hatte die Augen geschlossen und rührte sich nicht mehr.

      Er betete und weinte leise und betete und weinte laut, es blieb dasselbe. –

      Die Geiss hatte er nun in den neuen Stall geführt und sie schon gemolken, vielleicht trank Juli die Milch?

      Aber die Kranke nahm nur in grossen, gierigen Schlucken das Wasser, das er ihr reichte, und versank wieder in ihre Teilnahmslosigkeit.

      In der Stube hörte man nichts wie das Jauchzen oder Krähen Nanns, die ganz zufrieden mit den Hobelspänen spielte, die Anderl beim Feueranmachen verstreut hatte.

      In der letzten Zeit hatten die Kinder ganz vergessen, die Uhr aufzuziehen. Anderl wusste nicht mehr, welche Zeit am Tage es war; doch begann er jetzt nachzuzählen und brachte heraus, dass dies der letzte Tag des Jahres sein musste.

      So ging also das neue gut an! Was sollte denn aus ihnen werden, wenn die Juli auch noch krank wurde und keiner kam, nach ihnen zu sehen? Was blieb denn da übrig, wie zu versuchen, nach Malsein hinunterzukommen?

      Er trat vor die Haustüre, aber der Schneehügel versperrte ihm die Aussicht, nicht einmal den Rauch von Malsein konnte man sehen, nichts wie das weite, weite Weiss und das stille Rieseln und Rauschen war ringsum, ein leises Knacken, ein Zerstäuben, emporschnellende Äste, wenn ein Wind kam – sonst nichts.

      Aber da wachte plötzlich irgendwo ein dumpfer, fast verhaltener Ton auf, der stärker und stärker wurde und näher und näher kam, zuletzt in ein Sausen überging –

      Anderl sah erschreckt nach der Wand über dem Hause – dort hatte sich’s losgelöst, von dort kam’s auf ihn zu – er rannte wie besessen hinein: „A Lahn kimmt!“

      Da brach es schon mit dumpfem Getöse herein. Einen Augenblick wurde es dunkel vor den Fenstern, Steine, die die Lawine mitführte, schlugen krachend gegen die Türe – ein Sausen und Tosen und Splittern – dann stürzte der weisse Koloss ins Tal, sie waren verschont geblieben! Zitternd und fast ohne Besinnung, den Kopf in den Händen vergraben, blieb Anderl noch lange Zeit knien, ehe er es wagte, aufzustehen.

      An den Fenstern lief wässeriger Schnee herunter, ganz so wie im Frühjahr, wenn der Tauwind Regen und Schnee an die Scheiben warf; nach und nach erst getraute sich Anderl, hinauszusehen. Der Gartenzaun war weg und eine Ecke des Schupfens; weit über das Haus hinaus sah man die breite Bahn, die die Lawine genommen, und wie sie alles reingefegt hatte, sogar der Schneehügel war verschwunden. Jetzt konnte er gewiss nach Malsein hinunter! Er lief hin und her, von einer grossen Unruhe getrieben.

      Er kam ganz gut bis an den Platz, wo der grosse Schneehügel gelegen, aber dahinter sank er gleich wieder ein, und droben fing’s aufs neue an, ein Rutschen, ein sausendes Geräusch – an einer andern Stelle löste sich wieder ein Schneeklumpen los und stürzte, sich stetig vergrössernd, mit unglaublicher Schnelligkeit über die Matten herunter.

      Nein, nein, er wagte es nicht, er getraute sich nicht hinunter, nun war man erst recht seines Lebens nicht sicher!

      Was sollte er denn nun tun? – Wie konnte man helfen? – Anderl wusste sich keinen Rat; er hockte am Tisch, die Ellbogen aufgestützt, den Kopf darauf gelegt, und Viertelstunde um Viertelstunde verrann.

      Das Wasser draussen rieselte, die Bäume ächzten, der Föhn stöhnte, und plötzlich war die Dunkelheit da, alles Licht war wie auf einen Schlag ausgelöscht, nur der Schnee glänzte durchs Fenster. Jetzt musste er freilich aufstehen, Licht machen, Feuer anzünden, die Nann versorgen, füttern und kochen, so viel, so viel musste er tun! Lange rutschte er auf der Bank umher, ehe er sich endlich zum Aufstehen entschloss, aber die Küche mied er, dort hinein wäre er um keinen Preis der Welt gegangen! Er fürchtete sich vor der toten Kuh; er fürchtete sich überhaupt vor allem: vor den langen Schatten an den Wänden, die so plötzlich auf ihn zukamen oder sich aus den Ecken ganz unerwartet in die Höhe schnellten, vor dem Heulen im Kamin und dem Klappern der Läden, an denen der Sturm rüttelte, und nicht am wenigsten fürchtete er sich vor der Juli, die mit rotem Kopf und glänzenden Augen dalag und immerfort vor sich hinplapperte, wirres, unverständliches Zeug, oder mit den Armen um sich schlug und aufschrie. Sie tat ihm am Ende noch was! Mit schlotternden Knien ging er herum, den Buckel gekrümmter denn je, und mehr denn je einem verscheuchten Kater ähnlich. In weitem Bogen ging er um die Juli herum, und als er am Tische sass, um zu essen, sah er fortwährend von der Seite nach ihr – ach Gott, es schmeckte ihm auch kein Essen mehr!

      Dicke Tränen kamen ihm, immer mehr, bis er vor seinem Schüsslein Milchsuppe unaufhörlich schluchzte. Und vom Weinen kam er ins Beten und vom Beten wieder ins Weinen – und plötzlich hatte er einen Gedanken. Den hatte ihm Gott eingegeben, weil er gar so fleissig gebetet hatte!

      Alle Furcht vor den langen schwankenden Schatten war verschwunden, er sah sie gar nicht und dachte nur an das, was ihm soeben eingefallen war.

      So schnell er nur konnte, lief er hinters Haus, suchte im Schuppen Schaufel und Besen und erklomm im Dunkel den Hügel hinter dem Haus, den ihm die Lahn schön rein und glatt gefegt hatte. Droben brauchte er gar nicht viel Arbeit mit Schaufel und Besen, gleich lag der Rasen frei, so schön war aller Schnee weggewischt. Dann trug er Hobelspäne und Scheiter und Stücke Holzes herbei, schichtete einen Vorrat von Holz daneben auf – keine kleine Mühe, denn er musste immerfort den Hügel auf und ab, und er war hoch gestiegen! – und nun entzündete er das Ganze. Hui, wie da der Wind hineinfuhr! Wie die kleine gelbrote Flamme züngelte! Das knisterte und krachte, ein dicker, graugelber Qualm stieg auf, drückte sich gleich wieder nieder, die Scheiter glimmten nur mehr, dann erloschen sie – das Feuer war aus. Und wieder zündete Anderl den Holzstoss an, trug neue, leichtere Hölzer herbei, beim drittenmal erst brannte er endlich, und zwar mächtig. Von dieser Stelle aus musste man es drunten sehen, und sie mussten ihm zu Hilfe kommen!

      Hoch loderte die Flamme auf, duckte sich, stieg pfeilgerade in die Höhe, wehte wie eine glühende Fahne nach rechts, schoss wieder knisternd empor, leichter Rauch zerstob über ihr, während von unten dicker grauer Brodem nachdrang, denn immer mehr Holz trug Anderl her. Er sah zu, wie die kleinen Flämmchen aus den Scheitern krochen, wie sie an ihnen herumleckten, dann sich zurückzogen, im Versteck sassen und lauerten, plötzlich wieder glühend rot und spitz wurden und drohend ins Dunkel herausschossen. –

      Stunde um Stunde sass er da. Er wusste nicht, wie spät es war und ob noch Hilfe kommen konnte. Seine Hosen waren durchnässt vom Knien in dem wässerigen Schnee, seine Schuhe durchweicht, während die Glut ihm schier Gesicht und Hände versengte. Zuletzt überkam ihn eine grosse Schläfrigkeit, und während die Flamme neben ihm noch immerfort hoch gegen den Himmel brannte, fing er an einzuschlafen.

      So wollte ihnen also niemand Hilfe bringen? Dann mussten СКАЧАТЬ