Wahre Verbrechen: Morde am Fließband - Die bekanntesten Kriminalgeschichten aller Länder. Alexis Willibald
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Читать онлайн книгу Wahre Verbrechen: Morde am Fließband - Die bekanntesten Kriminalgeschichten aller Länder - Alexis Willibald страница 17

СКАЧАТЬ und dort den Vater Kleine und »womöglich auch seine Kinder zu vergiften«, nicht um damit die Schuld zu tilgen, sondern um fürs erste von seinen Mahnungen befreit zu werden. Weiter gingen ihre Absichten selten; sie ging nicht habsüchtig auf Gewinn aus, sie wollte in der Regel nur aus einer augenblicklich drückenden Verlegenheit gerettet sein und freien Atem schöpfen. Die Zukunft kümmerte sie wenig.

      Voraus schickte sie Briefe über Briefe voller Zärtlichkeit an den lieben Vater Kleine, der ihr einziger Freund wäre, der ihr in den kleinsten Angelegenheiten seinen Rat schenken müßte; denn sie könne nicht tun, was er nicht billige. Dann trat sie mit einer vollen Kruke Mäusebutter ihre vierte und letzte Reise nach Hannover an.

      Der Alte und seine Tochter nahmen die Gottfried wie eine Tochter auf. Ihr ganzes Sinnen und Trachten war, ihr den Aufenthalt angenehm zu machen. Am 17. Juli präparierte sie ihm seinen Schinken zum Frühstück, und am 24. gab er unter namenlosen Schmerzen seinen Geist auf. Nach der Sezierung gab das ärztliche Gutachten als Ursache seines Todes die Gallenruhr an.

      Tags darauf, am 25., erkrankte die ganze Kleinsche Familie infolge Genusses einer Hafersuppe, an der der älteste Sohn, welcher gerade zum Tode seines Vaters aus Paris zurückgekehrt war, bereits einen metallischen Geschmack bemerkt hatte. Glücklicherweise mußten sich alle so stark erbrechen, daß die Nachwirkungen des Giftes nicht erheblich waren.

      Über den Todesfall schrieb die Gottfried nach Hause: »Wenn Sie es doch gesehen hätten, wie der Selige mich mit seinen Kindern vor sein Sterbebette kommen ließ, mich bat, bei seinen Kindern zu bleiben und Luise, die Tochter, nie zu vergessen! Wir haben uns in seiner Gegenwart ewige Freundschaft gelobt. Ich kann sagen, an ihm wohl einen zweiten Vater verloren zu haben. Wen habe ich jetzt? Es ist schrecklich, mein Los auf der Welt! Alles, was ich liebe, wird mir genommen!«

      Durch Kleines Tod gewann sie allerdings den gewünschten Aufschub. Niemand dachte daran, den Rest von fünfhundert Talern, den sie ihm noch geschuldet hatte, jetzt zurückzufordern. Außerdem log sie den Erben vor, dem Verstorbenen fünf Louisdor zur Aufbewahrung gegeben zu haben. Obwohl dies auffiel, da man die Geldstücke nicht fand, auch nichts darüber verzeichnet fand, während Kleine doch der allersorgsamste Mann in seinen Geldangelegenheiten war, erhielt sie dieselben, und es erregte nicht den geringsten Verdacht. Ferner stahl sie einem Fräulein Stockhausen einen Doppellouisdor und der Kleineschen Tochter Wäsche und andere Kleinigkeiten.

      Dabei war sie so sicher. Jede Furcht vor Entdeckung war verschwunden; ja sie gestand, sie hätte letztere nach so vielem Erfolge für unmöglich gehalten. Zwar besuchten sie wieder ihre Visionen; auch den alten Kleine sah sie an einem Nebeltage vor ihrem Kammerfenster im dichten Nebel stehen, und, versicherte sie im Gefängnis, »dies ist so gewiß wahr, als ob ich es eben sähe!« Aber sie beschwichtigte die bösen Geister durch gute Worte. Ihre Briefe nach Hause, besonders die an Rumpf, waren voll frommer Ermahnungen, als habe sie in der Fremde keinen anderen Gedanken als an ihre daheimgebliebenen Bekannten und deren Leiden. »Fassen Sie nur Mut,« schreibt sie wiederholt an Rumpf, »und ehren Sie die dunklen Wege des Schicksals, das doch immer unser Bestes will. Und tun wir nicht auch am besten, unser Schicksal in die Hand des besten Führers glaubend und vertrauend zu geben?«

      Aus Hannover, wo man sie unter Tränen und Liebesversicherungen entlassen hatte, brachte sie viele Geschenke an ihre Lieben und Hausgenossen zurück, bestahl aber sogleich alle dafür und trieb Unfugs die Fülle im eigenen Hause. Ja es waren so tolle Streiche darunter, die man eher einem neckischen Kobold als einer vernünftigen Person zuschreiben sollte, so daß von einigen Richtern auf eine Geistesverwirrung geschlossen werden konnte. Frischgebackenes Brot lag im Schmutz auf dem Hofe; eine neue, sorgfältig verschlossene Blechtrommel war mit Menschenkot angefüllt und dergleichen. Aber alles geschah nur, um sich dem Witwer Rumpf unentbehrlich zu machen.

      Aber Gift wirkte doch besser, Gift und schöne Redensarten, wechselweise gebraucht. Wenn der arme Mann sich im Erbrechen würgte, hielt Tante Gottfried ihm teilnehmend den heißen Kopf; sie wischte mit ihrem Tuche seinen Angstschweiß ab und vergoß Tränen, daß sie nicht an seiner Statt leiden könne. Und wenn er erschöpft auf seinem Lager ruhte, steckte sie ihm ein Brieflein und Stammbuchblätter zu mit Gedenksprüchen erbaulichen Inhaltes, wie etwa folgendem: »Schuldlos sein ist des Leidenden höchste Würde, und der Edle, welcher mit heißem Antlitz unter das Geschick sich beugt, ist ein Anblick, über den der Himmel sich freut.«

      Es half ihr alles nichts. Rumpf wollte sie weder heiraten, noch fühlte er sich gedrungen, ihr Vermächtnisse zu machen. Im Gegenteil vermehrte sich von Tag zu Tag sein geheimer Widerwille gegen die Witwe; ja sie fürchtete, er ahne mehr, als er solle. Ihr Widerwille stieg zum Ingrimm an; zugleich aber auch ihre Angst vor dem unsichtbaren Rächer, den sie jetzt in allen ungewöhnlichen Ereignissen seinen Arm nach ihr ausstrecken sah. Als Bremen am 6. März 1827 durch Deichbrüche und Wassersnot heimgesucht wurde, meinte sie, es geschehe ihretwegen; als ein Feuer entstand und aus dem Haus eines Malers dessen Gemälde auf die Straße geschleudert wurden, sah sie das Gemälde fliegen, um das sie denselben Maler bei der Auktion ihres Vaters betrogen hatte. Bei anhaltender Dürre, bei Schlackerwetter und Stürmen sah sie sich als die Zielscheibe, und die Sonne brannte, die Orkane tobten, um sie der Gerechtigkeit in der Welt zu verraten. Sie erblindete einmal auf eine Viertelstunde; manchmal, wenn sie etwas anfangen oder anrühren wollte, trat plötzlich Nasenbluten ein. Es war das Walten der unsichtbaren Dämonen, Sie floh vor ihnen nach den Gräbern der von ihr Ermordeten, um sich homöopathisch vor ihnen zu retten. Aber sowie sie sich den Kirchhöfen näherte, schauerten Regengüsse nieder, und sie mußte umkehren.

      Die Dämonen hielten sie indessen nicht von neuen Untaten ab. Sie befand sich nur wohl, wenn sie in ihrer Tätigkeit war. Ihre Freundin Marie, die noch fortwährend an dem Gifte zehrte, hatte einen Pflegesohn, Wilhelm Suhling, einen elfjährigen Knaben. Am 31. Januar 1828, als Marie die Gottfried besucht, freut sich diese über den wahren Johanniskopf des Knaben, aber im selben Augenblick reicht sie ihm das vergiftete Butterbrot und fragt bedeutungsvoll ihre Freundin: »Was meinst du, Marie, wenn du den einmal verlieren müßtest?« Der Knabe erkrankte, aber verwand die Schmerzen, und nach drei Wochen war sein erster Ausgang zur Tante Gottfried, um geliebkost und beklagt zu weiden. Zugleich aber empfing er gekochte Pflaumen mit Mäusebutter zur Auffrischung der Vergiftung. Er kam noch glücklich mit dem Leben davon. Auch ein junges Mädchen, welches ihr zum Geburtstag gratulierte, erhielt zum Dank Mäusebutter. Sie vergeudete und verspritzte das Gift wie eine Rasende, die mit ihrem Vorrat von Kraft zu Ende kommen will.

      Die einzelnen Umstände ihrer letzten Giftgebung sind von keiner anderen Bedeutung mehr, als daß sie die Entdeckung herbeiführten. Am 5. März 1828 vergiftete sie den Speck, um Rumpf aus der Welt zu schaffen, wie sie im Verhör angab, in der Absicht, ihr Haus wiederzubekommen. – »Ich dachte, wenn alles ausstürbe, würde ich die Nächste zum Hause sein.«

      Ihre letzten Vergiftungen in diesem Schreckenshause waren doppelter Art gewesen. Einmal gab sie Rumpf besondere Portionen, dann aß er auch mit bei den allgemeinen Vergiftungen, welche sie den Hausgenossen in den gewöhnlichen Mahlzeiten bereitete.

      Am 6. März 1828, an ihrem Geburtstage, wurde die Gottfried mit Antritt ihres vierundvierzigsten Lebensjahres verhaftet, und die Laufbahn ihrer Verbrechen war mit dem fünfzehnten wirklich erfolgten Giftmorde und mit ungefähr (denn genau ist die Zahl nicht ermittelt worden) auch fünfzehn Vergiftungen, die keine schädlichen Folgen gehabt hatten, geschlossen. Außerdem belasteten sie als erwiesene Verbrechen wiederholter Ehebruch, Meineid, Diebstahl, Einbruch, Unterschlagungen und der Versuch, ihre Leibesfrucht abzutreiben.

      Wie die Verbrecherin zum Geständnis gebracht wurde, ist schon oft angeführt worden: wie sie mitten im Bekennen zurückhielt, widerrief und gleich darauf wieder bekennen mußte, wie die entsetzlichste Angst sie durchschüttelte, weniger vor dem Bewußtsein ihrer Sündenlast und vor der göttlichen Strafe als vor der weltlichen Gerechtigkeit. Die Furcht war ihr angeborenes Erbteil. Sie fürchtete alles, was ihr sinnlich entgegentrat, das Rauschen eines Blattes, ein wildes Pferd vor dem Wagen, die scharfe Ansprache des Richters. Mehr als СКАЧАТЬ