Название: Wahre Verbrechen: Morde am Fließband - Die bekanntesten Kriminalgeschichten aller Länder
Автор: Alexis Willibald
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027219490
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Es war um diese Zeit, da sie Shakespeares »Hamlet« im Theater sah. Als eine Freundin sehr gerührt war und weinte, sagte die Gottfried, sie solle doch denken, es wäre Komödie.
Nachdem sie im Frühjahr noch eine dritte Erholungsreise nach Hannover gemacht hatte, fuhr sie in ihren Vergiftungsarbeiten fort.
Im Juli 1825 vergiftete sie, doch ohne tödliche Folge, den schon erwähnten Lehrer S. (wie schon früher dessen Kind), weil seine Frau ihr zuwider war.
Ihr lieber Mietsmann, der fromme Mosees, kränkelte schon seit Jahren an dem ihm gelegentlich, wenn sie gerade daran dachte, beigebrachten Gifte. Als er im Begriffe schien, sie heiraten zu wollen, hielt sie es für an der Zeit, ihn ernstlich zu vergiften. Unter Kuß und Tränen gab sie ihm die stärkste Dosis, und er starb, vor Schmerz rasend, am 5. Dezember 1825, nachdem sie sich versichert hatte, daß er ihr ein bedeutendes Legat ausgesetzt hatte. Zum ersten Male schien sie beim Leichenbegängnisse dieses Opfers ihre Maske abzunehmen. Nach den Aussagen von Zeugen verbarg sie nicht die kälteste Gleichgültigkeit, und zu einer neben ihr stehenden Frau sagte sie während der Leichenrede, das sei nun die einundzwanzigste oder zweiundzwanzigste Leiche, die sie begraben lasse; es komme ihr gerade vor wie eine Hochzeit.
In ihrem Selbstbekenntnis aus jener Zeit räumt sie ein, daß ihr damaliger Seelenzustand ein unbehaglicher und sie am liebsten allein gewesen sei, auch Unlust am Anziehen, an jeder Ordnung, ja auch an vielen Vergnügungen empfunden habe. Besonders bedauerte sie, daß sie, wenn sie sterbe, den Armen nichts hinterlasse, wie andere tun, um ihre Sünden abzulösen.
Mosees Vergiftung, zwar ein Kapitalstück, genügte indessen nicht zum täglichen Brot. Sie übte und versuchte sich fortwährend in kleineren Vergiftungen, die schwerlich zur Kenntnisnahme der Richter gekommen sind. Um der unbedeutendsten Ursachen willen griff sie zu ihrer Mäusebutter. Sie reichte sie ihrer Magd, Luzie Block, dem Kindermädchen des Lehrers S., Blandine Witzel, also schon der dritten Person in einer Familie, die Gift essen mußte, nur um des Hasses der Gottfried gegen die Frau willen, die sie nicht vergiftete, und der Magd Sophie Luise Fette, die sich in den Diensten einer ihrer Mieterinnen befand. Schon wählte sie nicht mehr, noch verfolgte sie Einzelne, vielmehr gab sie das Gift, wenn der Zufall ihr die Personen zuführte. In ihren Geständnissen heißt es: »Zuweilen war ich monatelang von dem Triebe frei; dann aber kam wieder eine Periode, wo ich mit dem Gedanken aufwachte: wenn der oder die kommen sollte, da solltest du Gift geben. Am häufigsten gab ich die Mäusebutter Personen, die mich allein besuchten, weil ich dann am häufigsten den Trieb fühlte.«
Sie konnte, wenn sie einmal zum Nachdenken über sich selbst kam, sich oft darüber wundern, daß alles so unentdeckt blieb. Zugleich hatte sie es aber in der teuflischen Heuchelei so weit gebracht, daß sie ihre Opfer in ihren Qualen noch necken konnte. Seit Jahren vergiftete sie fort und fort ihre Freundin Marie Heckendorf, jedoch in geringen Dosen. Einst konnte sie, als von den Flecken die Rede war, welche infolge des häufigen Giftgenusses im Gesichte entstanden, den Finger heben und im Tone warnender Liebe fragen, sie genösse doch wohl nicht heimlich starke Getränke.
Mancherlei immer dringendere Geldverwicklungen zwangen sie, ihr Haus zu verkaufen. Von Anfang an schwebte ihr dabei vor, daß ihr dasselbe über kurz oder lang wieder als Eigentum zufallen müsse. Deshalb hatte sie sich auch die lebenslängliche Nutznießung zweier Nebenhäuser, die zu ihrem Besten vermietet wurden, vorbehalten und fing ihr Lebensverhältnis mit dem Käufer, dem Radmacher Rumpf, so an, daß sie in gewohnter Weise durch verschiedene Vergiftungen zu ihrem Zwecke zu kommen hoffte. Es gab hier eine Arbeit mit großem Ziel, und mit voller Kraft ging sie ans Werk. Im allgemeinen gaben ihr die Vorgänge mit Gottfried, Zimmermann, Mosees die Grundzüge ihres Verfahrens an; die vorliegende Aufgabe forderte aber Vorarbeiten. Um einen Bräutigam zu gewinnen, der ihr auf dem Totenbette alles oder doch den Teil seines Vermögens verschreibe, den sie wünschte, mußte sie zuvor seine Frau und so viele Mitglieder der Familie, als nötig waren, beiseite schaffen. Wie dies zu bewerkstelligen war, dazu fand sie in ihrer eigenen Geschichte genügende Anleitung.
Wie die Gottfried sich in das Vertrauen der Rumpfschen Familie einzuschleichen verstanden hatte, wissen wir. Sie betrachtete sich als Mitglied der Familie; wie in ihrem Verhältnis mit Kassow spiegelte sie dem neuen braven Freunde vor, daß sie, die alle Teuren auf dieser Welt verloren habe, doch jemanden haben müsse, dem sie ihr Hab und Gut hinterlasse, und die Rumpfschen Kinder sollten ihre Erben werden. Schon aus dem Zusammenleben mit ihnen zog sie bedeutende Vorteile, indem sie bei ihrer Absicht, den Rumpfs ihr ganzes Vermögen zuzuwenden, eine strenge Scheidung des Mein und Dein für überflüssig hielt.
Die Ehefrau des Rumpf starb am fünfzehnten Tage nach ihrer Entbindung, am 22. Dezember 1826, wie niemand zweifelte, infolge der Niederkunft, in der Tat aber vom Genuß einer Hafersuppe. Als diese zu langsam wirkte, frischte die Gottfried drei Tage vor dem Tode das Gift noch einmal auf. Es schien, als werde sie selbst an teilnehmendem Schmerz sterben. Wer hätte gegen sie Verdacht schöpfen sollen, obwohl bald darauf auch Magd und Amme, von ihr aus Mutwillen oder kleinen Nebengründen vergiftet, dieselben Qualen erlitten!
Nach einigen Wochen spielte sie gegen den Witwer auf eine Wiederverheiratung an. Er wies, »von entschiedener Abneigung beseelt«, den Antrag, wenn auch scherzend, so doch bestimmt zurück, indem er erklärte, am wenigsten eine Witwe heiraten zu wollen. Nun mußte auch er erkranken und verdankte nur dem Umstande, daß er sich nicht wie die früheren Opfer durch ihr einschmeichelndes Wesen zu Versprechungen und Vermächtnissen hinreißen ließ, die längere Fristung seines Lebens, freilich auch die langsameren Oualen.
Auch der Gottfried mochte dieser Vergiftungsprozeß zu lange dauern; wenigstens gewährte er ihrer rastlosen Seele nicht Beschäftigung genug. Sie vergiftete inzwischen ihre treue Beta Cornelius, die jetzt verehelichte Schmidt, während der Abwesenheit ihres Mannes. Das Motiv waren fünfzig Taler, welche Schmidt seiner Frau behufs der Kosten ihrer bevorstehenden Entbindung zurückgelassen hatte. Die Gottfried brauchte das Geld. Freilich, sie brauchte auch ihre Beta, welche ihr auch nach ihrer Verheiratung noch immer die treuesten Dienste leistete. War es aber doch vielleicht ein krampfhaftes Verlangen der Verlorenen, sich auch dieses letzten Trostes zu berauben, ein Kitzel der Verzweiflung, der nicht ohne Analogie dasteht? Ihre letzte Mäusebutter mußte die Wöchnerin verzehren, aber ihre gesunde Natur widerstand lange. Noch gebar sie einen Knaben; noch mußte die Todkranke auch ihre dreijährige Tochter vor sich hinsterben sehen, da auch das Kind von der vergifteten Kirschsuppe zu essen bekommen hatte. Ein neuer Vorrat Mäusebutter, den sich die Gottfried schnell zu verschaffen gewußt hatte, vollendete endlich die Zerstörung des kräftigen Körpers ihrer Beta. Kein Todesfall, außer dem ihres Sohnes Heinrich, scheint sie auf gleiche Weise, wenn nicht erschüttert, doch später in der Erinnerung bewegt zu haben, als dieser. »Ich bekenne,« schrieb sie, »zwei Menschen (Beta und ihren Mann) getrennt zu haben, die sehr glücklich waren, und die beide ihr Leben für mich würden hergegeben haben.«
Dieser Raubmord, durch den sie nur etwa fünfundzwanzig Taler gewonnen haben will, genügte nicht, sie aus den Verlegenheiten zu reißen. Der alte Herr Kleine in Hannover drängte um die geliehenen achthundert Taler. СКАЧАТЬ