Название: Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор: Friedrich de La Motte Fouque
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027207022
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Schon war Otto eine gute Strecke neben dem Fremden fortgeritten, da trabte es plötzlich hinter ihnen, und umschauend sahen sie, daß es Tebaldo war, der jedoch sein Roß anhielt, so wie nur Ottos Blick auf ihn traf, und mit einer ihm ganz ungewohnten Demut in deutscher Sprache ganz leise sagte: »Herr, ich glaube, ich hatte unrecht, und ich will gerne wieder mit.« – Da streckte Otto beide Arme nach ihm aus, und Tebaldo flog jubelnd heran, und während die Gefährten sich herzten und drückten, wieherten der Lichtbraune und der Goldgelbe lustig darein.
Als nun alle dreie mitsammen weiter ritten, gab der edle Jäger seine Freude über diese Versöhnung in recht innigen Worten zu erkennen, und sagte, es lohne wohl der Mühe, daß braver Ritter so bravem Reisigen was zugut halte, denn solch ein Bund halte manch Dutzend andrer Bündnisse, und sei es auch zwischen König und König, aus. Darauf fing er an, von seinem Falken die artigsten Dinge zu erzählen, und von den Falken überhaupt, und wie sie älter würden, als hundert Jahr, und man auf goldnen Halsbändern solch edler Tiere noch bei ihren Lebzeiten gefunden hätte, daß sie schon längst verblichner großer Helden Eigentum gewesen wären, und wie sie nach ihrer Herren Fall oft Land und Meer weitaus umzogen, wild bleibend, bis sie einen neuen Herren fänden, der des alten würdig sei. Tebaldo befreundete sich darüber ganz mit diesen ritterlichen Vögeln, und gab seine Reue, den edlen Flügeljäger eines solchen Herren verletzt zu haben, ganz unverhohlen kund.
In den ersten ruhigen Augenblicken aber hatte Otto alsbald bemerkt, daß der fränkische Waidmann der Freiherr Folko von Montfaucon sei, während dieser freilich in dem stattlichen, reichgeharnischten Rittersmann jenen vorlauten Knappen vom Donaustrande mit keinem Gedanken wiedererkennen konnte.
In Herrn Folkos Schloß, bei der lustigen Abendtafel, saßen viel edle Ritter von mancherlei Völkerschaften beieinander, und sonst auch andere Männer an Geist und Leben frisch, unter denen Tebaldo seine Stelle geziemend fand. Er sprühte bald in seiner italischen Lustigkeit zum Vergnügen der ganzen Gesellschaft auf, und ward vorzüglich durch einen seiner Landsleute, den man Graf Alessandro Vinciguerra nannte, wohlgefällig bemerkt, während Otto ganz still und schweigsam dasaß, nach dem ersten Erstaunen, welches seine hohe, schöne Gestalt und sein glänzend ritterlicher Aufzug geweckt hatte, von allen übersehn. Als die Becher schneller kreisten, und mit feurigem Weinen gefüllt, fiel man darauf, die gesellige Lust durch das Erzählen allerlei bedeutsamer Geschichten zu erhöhen. An Stoff konnte es unter so weit und rühmlich umhergefahrnen Rittern, unter so edlen Meistern in mancher Kunst, nicht fehlen, und alle baten gemeinsam den Hausherrn, daß er den Anfang machen sollte. – »Es dient dem Wirte nicht zur Entschuldigung«, sagte Folko, »daß er nur schlechte oder mittelmäßige Blumen in seinem Garten hegt; genug, wenn seine edlen Gäste ihrer begehren, und somit nehmt hin, was ich zu spenden vermag.«
»So wird mehrern unter euch nicht unbekannt sein, daß mein Haus in den Gebirgen von Norwegen seinen Ursprung hat, und wir dorten noch viel der edlen Verwandten zählen. Von da aus landeten meine Ahnen erobernd auf der fränkischen Küste, drangen erobernd ein in den Bezirk, welcher noch heutzutage Normandie geheißen ist, und brachten unter vielen wunderlichen Sagen auch folgende mit: Ein alter, weitberühmter Held hatte ein holdes Töchterlein, die war Schön-Sigrid geheißen, man sprach in allen nördlichen Landen von ihr, und sie hatte der Werber viel. Außer ihrer Schönheit war sie auch noch glänzend durch ihre seltne Kunde in allen anmutigen Weiberkünsten, und in allem Wissen, dem erfreulich heitern sowohl, als dem geheimen, zaubrischen, welchem sich die Frauen jener Gegenden gern ergeben. So wußte sie vor allem gut einen Trank zu bereiten, welcher, vorsichtig genossen, den Kämpfer mit unerhörter Kraft und Freudigkeit beseelt, ja ihn jeder andern als einer gefeieten Waffe unverletzbar macht. Es soll der Frauen, dieses seltsamen Trankes kundig, noch manche bis auf diese Stunde in den Nordlanden geben, ja, das Geheimnis desselben in einem Zweige unsers Stammes da oben erblich sein.
Nun sagte der alte Held einmal zu seiner Tochter: ›Schön-Sigrid mach dich auf, und geh in den Wald hinaus, und pflücke Beeren rot und Blätter grün. Ich brauche morgen deinen Trank, denn ich ziehe fort in eine heiße Schlacht.‹ – ›Mit wem, Vater, habt Ihr's denn?‹ fragte Schön-Sigrid; und der alte Held entgegnete: ›Mit Hakon Swendsohn, dem jungen Recken, der mich wohl einst in allen Nordlanden überfliegt, wenn ich den kühnen Aar nicht niederzwinge, bevor er noch all seine Kräfte hat. Zudem, weißt du wohl, ist er uns aus einem feindlichen Stamme.‹ – Und Schön-Sigrid zog hinaus in den abendlich dunkeln Wald, einsam, wie es die zaubrische Weise der Trankesbereitung gebot.
Felsen auf und Felsen ab, über die Ufer der Waldströme hin, die leichtgeworfne Fichtenstämme nur kaum verbanden, durch manches finstre Tal, und an manchem schaurigen Abgrund entlängst zog Schön-Sigrid fort, und hatte nun all ihre Kräuter zu dem seltsamen Tranke gefunden, da sah sie im schon hereingebrochenen Nachtdunkel umher, und stand an einer ganz unbekannten Waldesstelle einsam und verloren da. Sie hatte wohl nach den Blumen und Kräutern gesehn, aber nicht nach den Sternen, und so hell daher auch diese am Himmel funkelten, konnte sich dennoch Schön-Sigrid aus ihrem heimlich stummen Wegweisen nicht vernehmen. Wie sie nun noch so zögernd vor sich hinschaute, rasselte es, durch alle Zweige brechend, im nahen Forst, und kaum, daß sie aufschauend eines schwarzen Bären gewahrte, der aufgerichteten Leibes, in gräßlich menschlicher Nachäffung brüllend auf sie losgeschritten kam, so schwirrte auch schon ein Wurfspeer über sie hin, und gleich darauf wälzte sich der Bär in seinem Blute den nahen Felshang hinab. Anmutig lächelnd trat ein junger Kampfheld zwischen dem Gezweig hervor, und erbot sich, das holde Mägdelein, welches sein Lanzenwurf eben errettet, sicher nach Hause zu geleiten. Aber Schön-Sigrid weinte bitterlich, denn all ihre Zauberkräuter und Blumen waren im Schreck ihrem Schleier entfallen, das Pflücken von ähnlichen mußte, den Zaubergesetzen nach, von vorne wieder beginnen, und hoch schon stand der Mond, und fremd und unheimlich war der Jungfrau die Gegend. – ›Suche du und pflücke du nur immer fort‹, sagte der junge Kampfesheld. ›Auch weiß ich wohl, daß man dabei ganz einsam bleiben muß und ungestört. Da zieh ich denn weit um dich her, du schönes Lieb, die sichernde Runde, daß niemand dich hindern soll, und ehe es Morgen wird, geleit' ich dich heim in deines Vaters Felsenburg. Suche nur, schöne Maid, o suche recht emsig nach!‹ – Und zwischen dem Gesträuche verschwand der junge Recke, Schön-Sigrid aber suchte fürder mit großer Lust und Zuversicht, und wenn sie in dem fremden Forst ein ängstlicher Schrecken befallen wollte, fühlte sie sich alsbald wieder ermutigt und erquickt, wie das Klirren der Goldrüstung, welche der junge Ritter trug, fernher durch das Gesäusel der Blätter beschützend herüberklang.
Da war sie endlich fertig mit dem Sammeln der Kräuter, und gedachte nun, sie alsbald in einem goldnen Fläschlein zu kochen, das sie bei sich trug, und so den wunderbaren Trank leichter und sicherer nach Hause zu bringen. Ihr erster, leisester Wink rief ihren Beschützer herbei, und kaum, daß er ihr Begehr vernommen hatte, so trug er schon Reisig und Äste zusammen, und im Hui loderte, des Mägdleins Gebote zufolge, die Flamme lustig durch den gründunklen Forst gegen den einsamen Nachthimmel empor. Aber das Kochen des Zaubergebräues währte lang, und als es nun endlich zustande war, fing wieder Schön-Sigrid bitterlich zu weinen an, denn sie fühlte wohl, daß sie den langen Heimweg nicht mehr unverzüglich zu beginnen imstande sei.
›Schlaf sicher, holde Maid‹, sagte darauf der Kriegsheld, ›ich werde dich schon bewachen, und dich auch wecken zur rechten Zeit.‹ Und aus seinem Mantel und vielem zusammengetragenen Moos bereitete er ihr ein weiches, warmes Lager, und als sie mit scheuem Blicke davor stand, wich er alsbald in die finstersten Schatten des Haines hinein.
Sie erwachte soeben in den Lichtern des Morgenrots vor dem Geruf einiger Kriegshörner aus der Weite, da stand der junge Held wieder neben ihr, und sagte: ›Du mußt machen, daß du nach Hause kommst, denn was von dorten bläst, sind Hakon Swendsohns Hörner, die rufen deinen Vater zur Schlacht. Nimm deinen Trank schnell auf, und komm.‹
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