Название: Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор: Friedrich de La Motte Fouque
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027207022
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»Ich mag gar nicht singen«, sagte Otto. »Die Sehnsucht in mir überschwillt das holde Maß, in welchem sie ein tönend Meer des Liedes wird. Sag' mir, Tebaldo, ist es nicht unbegreiflich, daß man zwei so leuchtenden Gestalten, als Folko und Gabriele, zweien Namen, denen das ganze Frankreich zum Echo dient, noch immer vergeblich nachziehen kann, wenn man so lange und so eifrig bemüht ist, sie zu suchen, als wir?«
»Eben die vielen Spiegel, draus sie widerleuchten«, erwiderte Tebaldo lachend, »eben die zahllosen Echos, die von ihnen widerklingen, machen uns irre, und unsre Bemühungen zunicht. Sind die beiden nicht etwa schon ganz geworden, wie Erscheinungen aus der alten Sagenzeit, von deren wundervollen Taten jedermann erzählt, was ihm am wundervollsten vorkommt, und sich berechtigt glaubt, auf ihre Rechnung zu lügen, was er sich irgend erdenken kann? Sie sind gewissermaßen schon bei ihren Lebzeiten vergöttert, und eben deshalb auf Erden nicht mehr gut ausfindig zu machen.«
»Du willst mich zu lachen machen«, sagte Otto, »aber gib mir die Mandoline. Ich will doch lieber ein Lied singen.«
»Seht Ihr nun wohl?« sprach Tebaldo, ihm das Instrument hinreichend. »Ach ja, singt, lieber Ritter, singt. Gesang ist wahrlich der reinste Engel, der sich in unsre Welt herein verfliegt. Es müßte denn den Düften einmal einfallen, Paradies spielen zu wollen, die nehmen's wohl mit jenem auf.«
Otto rührte die Saiten und sang folgendes Lied:
»Vöglein dort im klaren Blauen,
Zeigt mir an
Rechte Bahn,
Wo sie führt zu meiner Frauen!
Ach, ihr fliegt so kreuz und quer
Irr umher,
Habt sie selbst noch nicht gefunden;
Bang' im Leib
Unterm bunten Federkleid
Tragt auch ihr der Sehnsucht Wunden.«
»Es ist seltsam«, sagte der Italiener, als Otto schwieg, »wenn Ihr deutsch redet und vollends etwas ungestüm, scheinen sich diese Bäume und Gräser und Gewässer ordentlich zu verwundern, ja wohl gar ein wenig zu erschrecken; aber so wie Ihr singt, ist alles wieder gut, und sie schauen ganz befreundet drein. Und seht einmal, was sie Euch jetzo gar, wie zur Belohnung, Wundervolles und Schönes bescheren wollen.«
Die Augen emporrichtend, sahe Otto, daß auf einem schlanken weißen Pferd ein junger Mann durch die Hainesschatten geritten kam. Er trug ein faltiges grünes Sängerkleid, und eine prächtige Goldkette darüber, an der ihm die blanke Zither vor der Brust herunterhing. Er spielte während des Reitens darauf, denn das Rößlein war so artig und wohlgezogen, daß es ordentlich den tiefer hängenden Zweigen aus dem Wege zu gehen suchte, damit sein Reiter nicht dadurch in seiner anmutigen Beschäftigung gestört wurde. Angekommen bei den Reisenden, fragte der Fremde: »Wart ihr es, die eben so ergötzlich gesungen habt?« Und auf Ottos höflich bejahende Antwort stieg er ab, sprechend: »So erlaubt, daß ich mich ein wenig zu euch setze. Gleich und gleich gesellt sich gern.« – Damit nahm er seinem Pferde das Hauptgestell ab, und ließ es über die frische Waldwiese hinlaufen. Alsbald kam Ottos Streithengst herbei, und stellte sich kampfheischend dem fremden Weidegesellen gegenüber, daß davor das zarte Tier erschrak, und Schirm suchend zu seinem Herrn zurücktrabte. Otto aber rief den zornigen Lichtbraunen mit strengen Worten an, und sogleich begab er sich ruhig zu dem Polacken, worauf denn des Sängers Rößlein wieder dreist ward, und sich in allerlei zierlichen Sprüngen auf dem Anger ergötzte.
»Wir ziehen vielleicht eines Weges«, sagte der freundliche Fremde, »ja ich hoffe es sogar stark. Denn wo ich jetzt einen geharnischten Ritter erblicke, kann ich mir immer nichts anders einbilden, als er reise nach Osten in das heilige Land.« – »Leider ist es mit mir nicht so«, entgegnete Otto mit einem flüchtigen Erröten, »aber es ist nicht meine Schuld. Ein gegebnes Wort treibt mich immer weiter gegen Abend fort, so sehr auch mein Herz der erquickenden Sonne des Orients entgegenschlägt.« – »Schade!« sagte der Sänger. »Es hätte hübsch sein müssen, in eurer Gesellschaft zu reisen. Aber so wie die Sache steht, habt ihr vollkommen recht. Gegebnes Wort ist heilig Pfand, und es wär' ein schlechter Gottesdienst, das Heiligste im Stich zu lassen, um dem Heiligen zu dienen. Wollt Ihr aber nicht für jetzt noch etwas singen?« – »Ich weiß nicht«, sagte Otto, »aber Ihr habt mir mit dem Gedanken an das Morgenland das Herz so schwer gemacht. Ich könnte jetzt nichts Ordentliches singen, oder doch wenigstens was Erfreuliches nicht. Viel lieber hörte ich von Euch ein Lied.« – »Ja«, sagte der Fremde, »ich weiß auch eben von nichts anderm zu singen, als vom Morgenland. Wenn Ihr mich aber hören wollt, so hört.« – Darauf schlug er die Saiten, und sang mit wundersüßer Stimme folgende Worte:
»Was bebt durch diese grünen Räume?
Was rauscht durch diese blaue Luft?
Was sagt ihr zueinander, Bäume?
Welch ferne Kunde bringst du, Duft?
Es klingt wie Jammer aus der Ferne,
Es hallt wie tiefer Seufzerlaut,
Es ist ein Weh, doch hört man's gerne,
Und hegt's, wie eine kranke Braut.
Ach Gott, wer hätt' es nicht verstanden,
In dem ein christlich Herze schlägt!
Seht ihr den Frevel in den Landen,
Wo man den Herrn ins Grab gelegt?
Die einen haben ihn erschlagen,
Die andern schwelgen um sein Grab;
Für jenes haben wir nur Klagen,
Für dieses Kling' und Lanzenstab.
Wenn Schmerzenlaut von dorther tönet,
Horch, wie von hier Trompete klingt,
Schau, wie mit rotem Kreuz verschönet,
Der Ritter sich in Bügel schwingt!
Sieh Wellen sich an Wellen schließen,
Und allesamt von blankem Stahl,
Den Speerwald sieh zusammenschießen,
Und jeder Zweig ist Gottes Wahl.
Wir wären lange schon gekommen,
Wir meinten's längst im Sinne gut,
Doch fehlt' es am Panier den Frommen,
Und blöd und einzeln schwieg der Mut.
Jetzt tönt ein freud'ger Sang von allen,
Steigt zuversichtlich himmelwärts;
Panier, Panier, wir sehn dich wallen,
Bist König Richard Löwenherz!«
Ottos Wangen brannten, er wäre um alles gern mit dem wunderbaren Sänger dem königlichen Kreuzpaniere nachgezogen in das Morgenland, und er wollte eben seinen Mund auftun, den Fremden СКАЧАТЬ