Название: Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Dramen
Автор: Hermann Stehr
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075831040
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Lange lagen sie dann in regungsloser Umarmung unter der sicheren Gewalt eines wegziehenden Sturmes. Sie tranken lange Küsse, weich und behutsam, als pflückten sie kostbare Blumen von schwankenden Stengeln. Mit weiten, glänzenden Augen genoß Leonore jenen verhüllten Bilderrausch, den solch leisere Glückswellen spielend mit sich bringen.
Die Tischlampe brannte noch im Wohnzimmer nebenan. Die rote Portiere hemmte den Eintritt des Lichtes soweit, daß nur ein feines Gewebe erschlaffter Strahlenfäden kraftlos in dem Dunkel der Schlafstube hing. Nur ein spitz verlaufender Lichtstreifen zog sich schräg an der Wand über den Kopfenden ihrer Betten hin, die rechts neben der Thür standen. Im Vergleich zu der weich verschwindenden Dämmerung des übrigen Raumes war dies klare Licht unbarmherzig, kalt.
Leonore konnte es nicht ohne Unbehagen betrachten. Sie hatte es schon einigemal versucht, sich aber immer wieder hastig umgedreht, und leidenschaftlich gefragt: „Ganz, ganz?“
„Jå, ganz“, hatte Griebel geduldig geantwortet, bis seine Stimme eine Nüance der Ungeduld annahm. Allein sie gab sich nicht zufrieden; denn wenn sie, halb zurückgewandt, das schimmernde Spiel der harten Lichtwellen wieder wahrnahm, fühlte sie sich genötigt, die Bestätigung der Liebe aufs neue von ihrem Manne zu verlangen, als glimme ein Zweifel von dort herüber.
„Aber jetze seh ich grade drauf“, sagte sie entschieden und wandte sich dem Lichtstreifen zu.
„Auf wås ‘n?“ frug Griebel nach einer Weile zerstreut.
„Nu, aufs Licht. — Das ist eigentlich komsch, wenn man sich’s überlegt,“ begann sie nach einer Weile verträumt.
„Wås ‘n?“
„Das Licht da.“
„Ach! — de Lampe brennt ebenste noch auf ‘m Tische. Då kemmt halt der Schein zwischen ‘m Vorhang ei de Stube rei. Dås is doch nie komsch!“
„. . . o ja —“ mit halb geschlossenen Augen lag sie da, und leise zuckte es in ihren Gliedern, wie bei Kindern, die auf ein Märchen hören . . . „wahrhaftig, als wenn das da draußen ein anderes Reich wäre und hier auch . . . Da hat mir de Mutter eine Geschichte von der Nixe erzählt — — die beißende, harte Sonne des Tages — wo die Augen uns wehe thun, die Zunge dürr wird vor Durst, wo die Menschen müde und alt werden im Staube, wo es entweder kalt is zum Erfrieren oder heiß zum Umkommen . . . .
Da faßte den Jüngling ein Schmerz, als ob seine Seele heimgewollt hätte.
Und er ging an das stille Wasser in das grüne Dunkel. Die weißen Seerosen schwammen stumm auf dem Teiche, ihre glänzenden Blätter lagen unhörbar schlafend um sie herum. In der Luft über ihnen hing ein regungsloser Zauber.
Der Jüngling sah lange darauf mit seinen lichtmüden Augen, und sein Herz schloß den Zauber auf, da es rein war.
Die Seerosen wurden zu süßen, weißen, lächelnden Gesichtern, die Blätter wuchsen zu grünen Gewändern und die blaßrötlichen Stiele hoben sich als schlanke Glieder aus dem weichen, stillen Wasser. Der Zauber ward lebendig in den Lüften und ein singender Wind zog geheimnisvolle Kreise über die glatte Fläche auf der die Wasserjungfrauen tanzten, daß ihre goldgrünen Haare wehten.
Dazu sangen sie:
Die Lüfte lispeln mit leisem Mund,
Da steigen wir aus dem tiefen Grund.
Wir tragen den Glanz von Karfunkelstein,
Schlingen wir singend den Ringelreihn.
Uns machte das Licht noch den Leib nicht matt,
Das Haar nicht spröde, die Seele satt;
Uns hüpft im Herzen stets aus und ein
Rotglühendes Blut wie Karfunkelgestein.
Die Wasser sind blau, die Treue ist groß:
O komm, staubkranker Sonnengenoß;
Wir tragen dich sanft und sicher hinein
Ins Nixenschloss aus Karfunkelgestein.
Da sollst du sein unser Buhle süß
Unter warmem Wasser im Paradies,
Wo kein Schatten wächst im roten Schein,
Nicht Erdenzeit und nicht Erdenpein.
Und der Jüngling sank aus dem Lichte unter das Wasser . . . schläfst de denn schon, Joseph?“
„Nä —“
„Gelt ja, ich bin recht dumm. Aber das Geschichtl fiel mr grade ein. Na, un warum könnte es nie sein? Siehste, ich bin die Nixe un du der Jüngling. Der Lichtstreifen da an der Diele hin über die Wand is de Brücke auf de Erde nauf . . .“
Damit sprang sie flink aus dem Bett, lief in das Wohnzimmer und löschte die Lampe aus.
Dann kniete sie neben ihn:
„Jetze kannst du nich mehr fort von mir, denn de Brücke is eingestürzt. Jetze bist du immer meine. Schlaf, schlaf, du bist müde vom Lichte. Ich deck‘ dich mit meinen Haaren zu.“
Weich ließ sie die Flut ihres reichen Haares über seinen Leib sinken, beugte sich nieder und küßte sein Gesicht mit zierlichem Munde.
„Ach — thu deine Haare weg! Das kitzelt ja wie tausend Flöhe.“
„Ja, ja. Hast recht, ich laß dich nich schlafen. Sei ‘och gut, ‘s war ja bloß Spaß. Ich bin noch ‘s reine Kind, gelt ja. — Gude Nacht! — Lieber, du! — Küss’ mich! —sehr, sehr!“
„Ver . . . jetze låß mich. ‘s muß doch ålls seine Årt hå’n, auch’s Verricktgethue.“
— — — —
„Du! — Bist du mir wirklich gut?“
„Ach nu freilich. Jetze låß åber amål dås Fragen sein!“.“
Gehorsam legte sie sich.
Aber ihre Unruhe trieb sie aufs neue zu ihrem Manne hin:
„Nimm mich um den Hals!“
Als Antwort rückte Griebel hastig, ohne ein Wort, — aus ihren verlangenden Armen gegen die Wand hin und bettete sich umständlich mit wohlig schnurrenden Lauten zur Ruh wie ein plumpes Tier. Ein scharfer beizender Geruch ging dabei von seinem Leibe aus.
Das alles drang auf Leonore ein wie ein Schnitt, daß eine unsägliche Mattigkeit über sie kam. Dabei hatte sie die Gewißheit, schreien zu müssen, wenn sie sich rühre. Ganz, ganz regungslos lag sie. Ihr Atem ging schnell und heiß. Dieser furchtsame Laut, СКАЧАТЬ