Название: Schwarzes Echo
Автор: Michael Connelly
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Kampa Pocket
isbn: 9783311702269
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»Ich schätze, wir werden es erst wissen, wenn sie ihn aufgeschnitten haben.«
Er wandte sich ab, blieb aber stehen.
»Hör zu, Donnie, ich weiß, es ist Sonntag, aber danke, dass du noch mal reingehst.«
»Kein Problem. Das sind alles Überstunden.«
Der Mann ohne Hemd und ein Helfer des Coroners hockten am Boden und beugten sich über die Leiche. Beide trugen weiße Gummihandschuhe. Der Techniker war Larry Sakai, ein Mann, den Bosch seit Jahren kannte und noch nie gemocht hatte. Neben ihm stand eine offene Angelkiste am Boden. Er nahm ein Skalpell heraus und machte einen zwei Zentimeter langen Schnitt an der Seite der Leiche, kurz über der linken Hüfte. Es trat kein Blut aus der Wunde. Er holte ein Thermometer aus der Kiste und befestigte es am Ende einer gebogenen Sonde. Er schob es in den Einschnitt, drehte es geschickt, wenn auch etwas grob, und trieb es bis hinauf in die Leber.
Der Mann ohne Hemd verzog das Gesicht, und Bosch fiel auf, dass er an seinem rechten Auge eine blau tätowierte Träne hatte. Es war sicher der einzige Ausdruck von Mitgefühl, den der Tote zu erwarten hatte.
»Die Todeszeit dürfte eine harte Nuss werden«, sagte Sakai. Er sah nicht von seiner Arbeit auf. »Wissen Sie, so eine Röhre … bei den steigenden Temperaturen verfälscht sie den Temperaturverlust in der Leber. Osito hat drinnen abgelesen, es waren siebenundzwanzig Grad. Zehn Minuten später waren es neunundzwanzig. Wir haben keine feste Temperatur, weder in der Leiche noch im Rohr.«
»Also?«, fragte Bosch.
»Also werde ich Ihnen hier nichts sagen können. Ich muss ihn mitnehmen und ein bisschen rechnen.«
»Sie meinen, Sie wollen ihn jemandem geben, der weiß, wie man es ausrechnet?«, fragte Bosch.
»Sie werden es schon erfahren, wenn Sie zur Autopsie kommen. Keine Sorge, Mann.«
»Apropos, wer schneidet denn heute?«
Sakai antwortete nicht. Er war mit den Beinen des Toten beschäftigt. Er nahm die beiden Schuhe und verdrehte die Fußgelenke. Er schob seine Hände die Beine hinauf und fasste unter die Oberschenkel, hob die Beine an und beobachtete, wie sie an den Knien einknickten. Dann drückte er mit den Händen auf den Unterleib, als suche er nach geschmuggelten Drogen. Schließlich langte er in das Hemd und versuchte, den Kopf des toten Mannes herumzudrehen. Doch der rührte sich nicht. Bosch wusste, dass Leichenstarre am Kopf begann, dann den Körper und anschließend die Gliedmaßen steif werden ließ.
»Der Hals dieses Mannes sitzt bombenfest«, sagte Sakai. »Der Magen steht kurz davor. Nur die Gliedmaßen lassen sich noch gut bewegen.«
Er zog einen Bleistift hinter dem Ohr hervor und drückte das Radiergummiende an der Seite des Rumpfes gegen die Haut. Rötliche Flecken zeigten sich auf dem Teil der Leiche, der dem Erdboden am nächsten war, so als wäre der Mann mit Rotwein abgefüllt. Es waren Leichenflecken. Wenn das Herz aufhört zu pumpen, sucht sich das Blut den tiefsten Punkt. Als Sakai den Bleistift gegen die dunkle Haut drückte, färbte sie sich nicht weiß, ein Zeichen dafür, dass das Blut vollständig geronnen war. Der Mann war seit Stunden tot.
»Die Leichenfärbung ist gleichmäßig«, sagte Sakai. »Das, zusammen mit der Spritze, sagt mir, dass der Bursche vielleicht sechs bis acht Stunden tot ist. Bis wir mit den Temperaturen arbeiten können, muss Ihnen das genügen, Bosch.«
Sakai sah nicht auf, als er es sagte. Er und Osito fingen an, die Taschen in den grünen Militärhosen des Toten umzudrehen. Sie waren leer, ebenso wie die großen, ausgebeulten Taschen an den Oberschenkeln. Sie rollten die Leiche auf die Seite, um in den Gesäßtaschen nachzusehen. Während sie damit beschäftigt waren, beugte sich Bosch hinab, um einen Blick auf den nackten Rücken des Toten zu werfen. Die Haut war schmutzig und gerötet von Leichenflecken. Aber er sah keine Kratzer oder sonstige Spuren, die den Schluss zuließen, dass die Leiche über den Boden geschleift worden war.
»In der Hose ist nichts, Bosch, kein Ausweis«, sagte Sakai.
Dann begannen sie vorsichtig, dem Toten das schwarze Hemd auszuziehen. Er hatte struppiges Haar mit vielen grauen Strähnen, kaum noch schwarz, was es einmal gewesen sein mochte. Der Bart war ungepflegt, und er sah aus wie etwa fünfzig, woraufhin Bosch ihn auf etwa vierzig schätzte. In der Brusttasche des Hemdes fand sich etwas. Sakai fischte es heraus, betrachtete es einen Augenblick, dann legte er es in den Plastikbeutel, den sein Partner offenhielt.
»Bingo«, sagte Sakai und reichte Bosch den Beutel nach oben. »Das ist doch eine Spur. Erleichtert uns den Job um einiges.«
Als Nächstes zog Sakai die Augenlider des toten Mannes hoch. Die Augen waren blau und von einem milchigen Film überzogen. Beide Pupillen hatten sich zur Größe einer Bleistiftmine zusammengezogen. Ausdruckslos starrten sie Bosch an, jede Pupille ein kleines, schwarzes Vakuum.
Sakai machte sich ein paar Notizen auf einem Klemmbrett. Seine Entscheidung in diesem Fall war getroffen. Dann zog er ein Stempelkissen und eine Karte aus der Angelkiste neben sich. Er färbte die Finger der linken Hand ein und begann, sie darauf zu pressen. Bosch bewunderte, wie schnell und geschickt er arbeitete. Aber dann erstarrte Sakai.
»Hey, sieh sich das mal einer an.«
Vorsichtig bewegte Sakai den Zeigefinger. Er ließ sich leicht in alle Richtungen drehen. Das Gelenk war sauber gebrochen, aber man sah keine Spur einer Schwellung oder Blutung.
»Ich würde meinen, das war nachträglich«, sagte Sakai.
Bosch beugte sich vor, um genauer sehen zu können. Er nahm die Hand des Toten und betastete sie selber. Er sah Sakai an, dann Osito.
»Bosch, damit brauchen Sie gar nicht erst anzufangen«, bellte Sakai. »Sehen Sie ihn nicht so an. Er weiß, was er tut. Ich habe ihn selbst ausgebildet.«
Bosch erinnerte Sakai nicht daran, dass er höchstpersönlich am Steuer des Wagens gesessen hatte, aus dem vor ein paar Monaten eine Bahre samt Leiche gerollt war, mitten auf den Ventura Freeway. Während der Rushhour. Die Bahre war die Ausfahrt am Lankershim Boulevard hinuntergerollt und an einer Tankstelle ins Heck eines Wagens geknallt. Wegen der Trennwand aus Fiberglas hatte Sakai erst am Leichenschauhaus bemerkt, dass der Tote unterwegs auf der Strecke geblieben war.
Bosch überließ dem Helfer die Hand des toten Mannes. Sakai wandte sich Osito zu und stellte ihm eine Frage auf spanisch. Ositos kleines, braunes Gesicht wurde sehr ernst, und er schüttelte energisch den Kopf.
»Er hat die Hände des Mannes nicht angerührt. Also warten Sie bis zur Autopsie, bis Sie etwas sagen, was Sie nicht genau wissen.«
Sakai fuhr fort, die Fingerabdrücke zu nehmen, dann reichte er Bosch die Karte.
»Tüten Sie die Hände ein«, sagte Bosch zu ihm, obwohl es nicht nötig war. »Und die Füße.«
Er stand wieder auf und wedelte mit der Karte, um die Tinte zu trocknen. In der anderen Hand hielt er die Plastiktüte mit den Beweisstücken, die Sakai ihm gegeben hatte. Darin hielt ein Gummiband eine Injektionsspritze, eine kleine Ampulle, halb voll mit etwas, das wie schmutziges Wasser aussah, ein Stück Watte und ein Streichholzheftchen zusammen. Es war ein Fixerbesteck, und es sah ziemlich neu aus. Die Nadel war sauber, ohne jede Spur von Rost. Die Watte, schätzte Bosch, war nur ein- СКАЧАТЬ