Hannes und Greta. Monika Augustin
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Название: Hannes und Greta

Автор: Monika Augustin

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Legends Remastered

isbn: 9783740964528

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СКАЧАТЬ Krieg endlich deinen Scheiß gebacken!“

      Es fühlte sich an, als stünde sie neben sich, als ihr Vater die Hand in die Luft riss. Vor Entsetzen schrie Greta auf.

      Alle drei verharrten wie eingefroren. Sekundenlang bewegte sich niemand. Hannes starrte ihrem Vater in die Augen, ohne zu blinzeln. Ihr Vater wendete den Blick nicht ab, aber nach einigen Augenblicken nahm er die Hand herunter, langsam, so als kostete es ihn Mühe.

      „Es wäre schon leichter ohne uns, nicht wahr?“, fragte Hannes, Blick und Stimme kalt wie Eis.

      „Ganz genau“, antwortete ihr Vater.

      Hannes Gesicht nahm einen triumphierenden Ausdruck an.

      Greta verstand nicht, wieso. Sie fühlte sich wie unter Schock. Wie gelähmt. Sie fror.

      „Komm“, sagte Hannes und hielt ihr die Hand hin. Sie ergriff sie automatisch und er zog sie zur Treppe. Sie folgte ihm, ohne den Blick von ihrem Vater zu nehmen, doch er sah stur in den Garten hinaus, in den das Abendlicht lange Schatten malte, und schließlich wandte sie ihm den Rücken zu.

      Sie folgte Hannes oder ließ sich von ihm ziehen, in ihr Zimmer. Er ließ ihre Hand los, öffnete ihren Schrank und zog ihre Sporttasche aus dem untersten Fach. „Da, packen“, stieß er hervor.

      Sie fühlte sich immer noch wie betäubt. „Was?“

      „Pack. Deine. Sachen“, wiederholte Hannes. „Kleidung. Zeug fürs Bad. Aber vor allem deinen Ausweis und Geld.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, die Geste wirkte wild und fahrig. „Ich hab was gespart. Damit kommen wir eine Weile klar.“

      „Hannes. Hannes, wovon redest du?“, fragte Greta, obwohl sie ihn bereits verstanden hatte. Aber was er vorhatte, war ungeheuerlich und unfassbar. Es fühlte sich zu groß an für ihren Kopf.

      „Na, du hast ihn doch gehört“, sagte Hannes. „Er hätte es ohne uns leichter. Stimmt vermutlich sogar. Dann kann er jeden Job annehmen, egal wie die Arbeitszeiten sind oder wo der ist. Dann sind weniger Esser im Haus. Keine Schule, keine Vereine. Niemand, für den er irgendetwas tun muss.“

      „Hannes, wir können nicht weglaufen. Wo sollen wir denn hin?“

      „Wir finden schon was. Ich kann arbeiten. Es gibt Unterkünfte.“

      „Das ist verrückt.“

      „Greta, ich halte es hier nicht mehr aus. Ich kann nicht mehr. Wie lang geht das noch gut? Kein Geld für Essen. Und … und er hätte mich beinahe geschlagen.“

      „Das hätte er nicht“, widersprach Greta, obwohl sie sich nicht sicher war.

      „Natürlich nicht“, schnaubte Hannes.

      „Er hat es schwer. Er braucht nur noch etwas Zeit. Wir waren auch traurig …“

      „Waren? Echt jetzt?“, Hannes funkelte sie wütend an. „Ich bin es jedenfalls noch. Mama ist fort, für immer. Und den da“, er wies mit dem Kinn in Richtung ihrer Zimmertür, „hätte sie gleich mitnehmen können, denn … denn das ist nicht Papa. Nicht mehr.“

      Greta schluckte. Hannes hatte recht. Der Mann, der vor zwei Jahren aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen war, hatte mit dem Mann, der ihr Vater gewesen war, nichts mehr gemeinsam. Und so sehr sie in den vergangenen Monaten auch danach gesucht hatte: Sie hatte nicht das kleinste Anzeichen dafür gefunden, dass er je zurückkommen würde.

      Der einzige, der noch immer bei ihr war und immer bei ihr sein würde, war ihr großer Bruder. Hannes hatte sich schon immer um sie gekümmert. Hatte Spielplatzrüpeln mit der Schaufel eines übergezogen, hatte ihr Fahrrad nach einem schlimmen Sturz nach Hause geschoben, ließ sie jede Nacht in seinem Zimmer schlafen.

      Sie hob die Sporttasche vom Boden auf, stellte sie auf ihr Bett und zog den Reißverschluss auf. „Kleidung. Zeug fürs Bad. Verstanden.“

      *

      Die Sonne war untergegangen. Greta saß in ihrem Zimmer auf dem Bett, noch immer vollständig bekleidet, die gepackte Tasche neben sich. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und sie fragte sich, ob alles nur ein schlechter Traum war. Sie tastete nach den Tragegriffen der Tasche und versuchte, zu verstehen, was sie tun würden: weglaufen.

      Sie hatte Angst, spürte aber auch zunehmende Aufregung in sich aufsteigen. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie wenig sich das Haus ihrer Eltern nach einem Zuhause angefühlt hatte in den letzten Monaten. Die Vorstellung, einfach wegzugehen und das Haus nie wieder betreten oder auch nur sehen zu müssen, wirkte beinahe befreiend. Sie hatte das Gefühl, zwischen diesen kalten, weißen Wänden nicht atmen zu können. Schon lange nicht mehr atmen zu können. Ihre Mutter und ihr Vater waren es gewesen, die diese Wände zu ihrem Zuhause gemacht hatten. Nun waren beide fort und ein Fremder hatte den Platz ihres Vaters eingenommen. Und das Haus hatte begonnen, sie zu erdrücken.

      Ihr wurde klar, dass sie keine Angst davor hatte, ihr Zuhause zu verlassen. Sondern davor, wo sie hingehen würden. Vor der Ungewissheit. Aber sie verspürte Hoffnung und merkte erst jetzt, wie sehr sie dieses Gefühl vermisst hatte …

      „Hausaufgaben. Jetzt.“

      Hannes schmollte. „Och, Mama. Nur noch kurz Pause.“

      „Wenn du die Hausaufgaben jetzt schnell machst, hast du nachher den Rest des Tages Pause.“

      Hannes war diesem guten Argument nicht zugänglich. „Ich bin voll gestresst. Bin doch gerade erst aus der Schule gekommen.“

      Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Und ich war arbeiten, bin nach Hause gerast und hab euch ein Mittagessen gekocht.“

      „Dann weißt du ja, wie das ist“, schmollte Hannes, worauf ihre Mutter unwillkürlich lachen musste.

      Greta grinste. Sie hatte ihre Schultasche bereits an den Esstisch geholt und war drauf und dran gewesen, Bücher und Hefte auszupacken, aber nun wartete sie gespannt, ob Hannes ihre Mutter nicht doch noch rumkriegen würde.

      „Weißt du, was wir lange nicht gemacht haben?“, fragte Hannes plötzlich begeistert. „Wir haben schon ewig nicht mehr Das Verrückte Labyrinth gespielt.“

      „Au ja!“, entfuhr es Greta.

      Ihre Mutter lächelte. „Das können wir doch nach den Hausaufgaben machen.“ Aber sie wirkte nicht besonders überzeugt von dem, was sie da sagte.

      „Ich sag dir was“, sagte Hannes in beruhigendem Tonfall und zog einen der grau gepolsterten Stühle vom Esstisch zurück. „Du setzt dich jetzt hier hin. Ich hol das Spiel und Greta macht dir eine Tasse Kaffee. Der Tag bisher war für uns alle anstrengend. Da würde uns etwas Abwechslung gut tun.“

      Greta wusste, dass Hannes von seiner schauspielerischen Leistung überzeugt war. Sie selber fand die Darbietung reichlich durchsichtig. Und auch um die Mundwinkel ihrer Mutter zuckte es verdächtig.

      Trotzdem sagte sie: „Also schön. Das klingt vernünftig. Eine Partie.“ Und nahm am Tisch Platz. „Mit viel Milch bitte, Spatz. Und Karamellsirup.“

      Greta schob ihre Schultasche mit der Ferse unter die Eckbank, auf der sie saß, und sprang auf. „Na klar.“

      Hannes durchstöberte die СКАЧАТЬ