Hannes und Greta. Monika Augustin
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Название: Hannes und Greta

Автор: Monika Augustin

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Legends Remastered

isbn: 9783740964528

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СКАЧАТЬ war jetzt einige Zeit gut gegangen. Bis vor ein paar Wochen war kein Tag vergangen ohne einen gewaltigen Krach zwischen Hannes und ihrem Vater. Greta war auf Zehenspitzen durch das Haus geschlichen und hatte versucht, beide bei guter Laune zu halten. Leider war ihr das nur selten gelungen. Bei jeder Auseinandersetzung hatte sie zu vermitteln versucht, mit wenig bis gar keinem Erfolg.

      Sie stand auf und ging zur Tür. In ihrem Zimmer standen ein Bett, ein Kleiderschrank, ein paar Regale und ein Schreibtisch. Das Bett hatte sie mit einer Tagesdecke und großen Kissen in ein Sofa verwandelt – sie benutzte es nie, da sie nachts das Schlafsofa in Hannes’ Zimmer bevorzugte. Sie wusste nicht, ob ihrem Vater das klar war.

      Sie ertappte sich dabei, wie sie die Klinke so vorsichtig herunterdrückte, als sei sie ein Eindringling, der fürchtete, erwischt zu werden. Entschlossen öffnete sie die Tür.

      „Wegen der paar Euro?!“, schrie Hannes gerade. „Ist das dein Ernst?!“

      „Ich fänd‘s auch prima, wenn die paar Euro keine Rolle spielen würden“, bellte ihr Vater. „Aber es ist nun mal so. Tut mir leid.“ Sein Tonfall ließ jegliche Spur von Bedauern vermissen.

      „Beim Schwimmen hab ich nichts gesagt“, behauptete Hannes, aber Greta erinnerte sich noch sehr lebhaft an den Moment, als ihr Vater Hannes eröffnet hatte, er könne von nun an nicht mehr in den Schwimmverein. An jenem Abend waren ein paar böse Worte gefallen. Langsam setzte sie einen Fuß auf die oberste Treppenstufe und begann, hinunterzugehen.

      „Aber Fußball. Fußball?! Wir haben bald Turniere!“

      „Noch ein Grund. Wir haben jetzt an genug Wochenenden den ganzen Tag auf irgendeinem Fußballplatz in der Pampa rumgehangen.“

      „Alle meine Freunde sind in der Mannschaft!“

      „Fußball kannst du überall mit ihnen spielen. Wir haben damals einfach einen Ball …“

      „Ach, hör doch auf“, ätzte Hannes und wandte sich ab, um seinen Vater stehenzulassen. Da entdeckte er Greta auf der Treppe. „Aha! Perfektes Timing.“ Er drehte sich wieder zu Vater um. „Und sie? Keine Klavierstunden mehr?“

      Greta blieb die Luft weg. Bitte, nicht …

      Ihr Vater sah sie an. „Den Klavierunterricht kriegen wir hin, keine Sorge.“

      Greta konnte förmlich sehen, wie in Hannes’ Kopf etwas klickte. „Was?!“, schrie er, aber es klang gar nicht wie ein Wort. „Das ist nicht fair!“

      „Fußball kann man überall spielen. Aber Klavier …“

      „Das heilige Klavier!“, brüllte Hannes. „Und die heilige Greta! Und die allheilige Mama!“

      „Genug!“, donnerte ihr Vater. „Geh mir sofort aus den Augen. Ich will dich nicht mehr sehen!“

      Hannes stand einen Augenblick lang da, schwer atmend, mit geballten Fäusten. Dann traten ihm die Tränen in die Augen und er sprintete los, die Treppe hinauf, nicht ohne Greta im Vorbeirennen mit der Schulter zu rammen.

      „Hannes“, bat sie leise, aber er hörte sie vermutlich nicht einmal, sondern verschwand in seinem Zimmer und knallte die Tür so fest zu, dass die Bilder im Treppenaufgang wackelten.

      Sie wandte sich wieder ihrem Vater zu. „Papa …“

      Er stand da, in der Mitte des Raumes. Auf dem Couchtisch standen die unvermeidliche Tasse kalter Kaffee und der Laptop, irgendein Textdokument war geöffnet. Ein Bewerbungsschreiben, wusste sie. Es war furchtbar still.

      Ihr Vater rieb sich die Augen. „Tut mir leid“, sagte er hohl. Sie wusste, er sagte es, weil es sich so gehörte.

      „Ist okay“, sagte sie, weil es sich so gehörte. Es war kein bisschen okay. Ihr Inneres war ein einziger schmerzhafter Krampf. „Kann ich dir irgendwas bringen? Frischen Kaffee?“

      „Was?“, er wirkte verwirrt. „Äh, nein. Nein.“ Und etwas zu spät: „Danke.“

      „Ich geh dann mal wieder rauf“, sagte sie und wies mit dem Daumen über ihre Schulter. „Hausaufgaben.“

      Er nickte und ließ sich aufs Sofa fallen, wodurch er ihr den Rücken zuwandte. Sie verharrte, beobachtete ihn, aber er tat nichts. Zumindest nichts, was sie sehen oder hören konnte.

      Sie drehte sich um und stieg die Treppe hinauf. Ihr Blick fiel auf das Bild, das ihre Mutter und die dreijährige Greta zeigte, die gemeinsam auf einem mit Samt bezogenen Klavierhocker saßen. Ihre Mutter strahlte in die Kamera. Die Greta von damals war so damit beschäftigt, die glänzenden weißen und schwarzen Tasten zu drücken, dass sie vermutlich gar nicht gemerkt hatte, dass sie fotografiert wurde. Mit zitternder Hand nahm Greta das Bild von seinem Nagel, drückte es an sich und schlich hinauf in ihr Zimmer.

      *

      Jetzt hatte sie den Zeitpunkt so lange hinausgezögert, wie sie konnte. Hatte den Schulranzen für den nächsten Tag gepackt, ihre Hausaufgaben zwei Mal kontrolliert, sich fürs Schlafen fertig gemacht und ein paar Seiten gelesen. Sie war sogar unter die Tagesdecke auf ihrem Bett gekrochen und hatte das Licht ausgemacht. Aber das hatte sie nur wenige Minuten ausgehalten, bevor die Wände und die Decke ihres Zimmers begonnen hatten, näher zu rücken.

      Sie öffnete ihre Tür und trat hinaus auf den Flur. Unten brannte kein Licht mehr, aber sie wusste, dass das nichts heißen musste. Oft genug saß ihr Vater im Dunkeln auf der Couch oder in der Küche. Was er dann tat, wusste sie nicht.

      Hannes’ Zimmertür war geschlossen.

      Sie ging über den Flur, lauschte dabei angestrengt. Es war nichts zu hören. Bitte, dachte sie, sei nicht mehr sauer auf mich.

      Vor Hannes’ Tür blieb sie stehen und holte tief Luft. Gerade, als sie die Hand hob, um zaghaft anzuklopfen, wurde die Tür von innen geöffnet. Hannes stand vor ihr im Dämmerlicht der kleinen Nachtlampe, die hinter ihm neben seinem Bett brannte.

      „Da bist du ja“, sagte er. „Wollte dich gerade holen.“

      Der Krampf in ihrem Inneren löste sich schlagartig auf und verwandelte sich in bleierne Erschöpfung. Ihre Knie begannen, zu zittern. „Hannes“, flüsterte sie, und in diesem einen Wort lag alles. Ihr Bedauern, dass er nicht mehr in den Fußballverein gehen konnte, ihre Scham, dass sie um nichts in der Welt den Klavierunterricht aufgeben wollte, ihre Trauer.

      „Alles okay“, sagte er beruhigend und nahm sie in die Arme. „Tut mir leid, dass ich ausgerastet bin.“

      Sie klammerte sich an ihn. „Mir tut es leid.“

      „Ich weiß. Alles okay.“

      Aber es war überhaupt nichts okay. Vor zwei Jahren war ihre heile Welt aus den Fugen geraten und seither war nichts in ihrem Leben auch nur annähernd mehr okay.

      *

      Gretas Augen begannen, zuzufallen, kaum dass sie auf Hannes’ Schlafsofa lag und die Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen hatte. Sie war so schrecklich müde.

      „Greta“, sagte Hannes plötzlich in die Dunkelheit.

      „Mhm?“, antwortete sie, ohne die Augen zu öffnen.

      „Denkst СКАЧАТЬ