Das Geheimnis des Brunnens. Paul Keller
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Название: Das Geheimnis des Brunnens

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711517499

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СКАЧАТЬ ob ich Wasser aus dem Brunnen holen darf.“

      „Fürchtest du dich denn vor Karl?“

      „Fürchten nicht, aber . . . aber . . .“

      „Aber scheuen! Ja, ja, das ist so um die Siebzehn herum!“

      Er lachte leise und gütig.

      Vor dem Tore des Zöllnerhofes stand die Frau mit Karl. Sie warteten.

      „Es ist noch Zeit“, rief ihnen der Lehrer zu.

      „Ja“, sagte er, als sie herangekommen waren, „da habe ich unser Fräulein Afra getroffen. Das gute Seelchen hat die ganze Nacht bei der gichtischen Frau Guttmann gewacht.“

      Afra wurde rot; es war ihr nicht recht, dass der Alte das hier auskramte. Frau Zöllner begrüsste das junge Mädchen mit grosser Herzlichkeit, fast hätte sie ihr die Hand geküsst.

      „Wie die selige Frau Mutter! Ich muss nächstens einmal zum Herrn Vater kommen und mich für etwas ganz Grosses bedanken.

      Afra sah sie verwundert an, tat aber keine Frage. Karl aber und der alte Lehrer wussten, dass sich die Mutter dafür bedanken wollte, dass Herr von Guntram die böse Schuldfrage an die Geschworenen mit ,Nein‘ beantwortet hatte.

      „Und dann will das gnädige Fräulein einmal wegen Brunnenwasser anfragen. Die alte Guttmann wünscht es sich dringend.“

      „Brunnenwasser?“ rief Karl, wandte sich um, lief ins Haus zurück. Die Hausglocke schrillte, so war die Tür aufgerissen worden. Bald erschien Karl mit zwei mächtigen Wasserkannen, rannte nach dem Garten, stolperte, rannte weiter zum Brunnen.

      „Der hat’s eilig“, lächelte der Alte; „der ist eifrig!“ Ein schwaches Lächeln erschien auch auf dem bleichen Gesichte der Frau.

      „Manchmal ist er noch wie ein grosser Junge. Mir ist das lieb.“

      Das Mädchen sagte: „Mir ist es peinlich!“

      Karl kam zurück. Die Kannen dampften.

      „So — und jetzt fahren wir alle zur alten Guttmann; es ist nur ein kleiner Umweg, und zur Bahn haben wir Zeit.“

      Es wurde tatsächlich so. Afra wurde in den Wagen genötigt. Der Lehrer und Karl steigen ein, die Kannen wurden verfrachtet. Dieser ländliche Wagen war so breit und lang, dass alles bequem Platz hatte.

      „Leb’ wohl, Mutter!“

      Er küsste sie nicht mehr; er schämte sich jetzt vor dem Mädchen. So gab er ihr nur die Hand. Die Mutter sagte gar nichts, sie konnte nichts mehr sagen. Emil hielt die Pferde zu langsamem Gange an, damit das heisse Wasser nicht verschüttet werde. Zunächst sprach niemand ein Wort. Sie sassen alle drei im breiten Fond des Wagens. Der Alte hatte sich zwischen die jungen Leute setzen sollen, hatte das aber abgelehnt. Er wollte an dem einen Fenster sitzen. So sassen Karl und Afra dicht nebeneinander. Beide waren glühend rot, beide sahen starrgeradeaus. Kurz vor dem Hause der alten Kranken fragte Afra hastig:

      „Kommst du zu den Ferien?“

      „Zweimal im Jahre, im Sommer und zu Weihnachten.“

      Da hielt der Wagen. Emil trug das Wasser ins Haus. Afra reichte Karl die Hand. Die Hand war nass, und Karls Hand triefte. War das nun der Wasserdampf, der heisse Hauch der Brunnengöttin? Oder was war es?

      „Möge es dir gut gehen, Karl“, brachte Afra heraus.

      Da machte auch er sich forsch, fand eine Antwort und sagte:

      „Ich werde dir einmal eine Ansichtskarte schicken.“

      „Ja“, sagte das Mädchen und verschwand im Hause. —

      Nun fuhren sie zum Dorfe hinaus. An Vater Seligers ,Linde‘ vorüber ging es der Stadt, dem Bahnhof zu.

      Noch einmal grüssten die alten vertrauten Berge zum Wagenfenster herein. Karl sah sie mit wehen Augen an. Das junge Herz war ihm zum Zerspringen voll von Liebe und Abschiedsschmerz. Da hüllte ein rascher Nebel die Berge ein; die alten Vertrauten seiner Jugend verschwanden, so wie Afra verschwunden war.

      Nun sprach auch der Alte einmal.

      „Karl, es wird sich alles zum Guten wenden. Ich denke, die Afra wird auch etwas dabei zu tun haben.“

      „Die Afra?“

      „Ja, die Afra. Ist sie nicht lieb und gut?“

      „Ja“, sagte Karl, „sie ist lieb und gut — und — und so schön!“

      Und plötzlich begann er zu heulen. Der Alte rührte sich zuerst nicht, er liess den Jüngling weinen. Aber dann stiess er ihn an und sagte:

      „Karl, wir sind in der Stadt, wir kommen bald zum Bahnhof. Wisch dir die Augen ab, mach ein forsches Gesicht — es ist wegen der Leute.“

      Andreasabend

      Vater Seliger im Strassenwirtshaus zur „Linde“ war ein gerechter Mann. Wenn er Sonntags zur Kirche kam, tat er ein Fünfzigpfennigstück auf den Opferteller. Das war so unerhört, dass meilenweit im Umkreise nichts Ähnliches vorkam. Der geizige Fleischer Peluschke sagte, Seliger werde sich zur Ehre Gottes ruinieren; ihm selbst würde so etwas nie einfallen, in finanzieller Hinsicht dürfe man den lieben Gott nicht allzu sehr verwöhnen. Dem Briefträger, wenn er einmal den weiten Weg zu dem einsamen Gasthause machte, gab Seliger ein Gläschen zum Besten, die Hälfte mit Kornbranntwein, die andere Hälfte mit Wasser gefüllt. Seliger nannte das einen „Gestreckten“ oder „Gespritzten“. Reiner Kornbranntwein, sagte er, sei ungesund, denn er gehe auf die Nieren. Aus dieser prophylaktischen Fürsorge bewirtete er alle seine Gäste. Sein „Korn“ erfreute sich aber bei Kennern und Feinschmeckern keiner besonderen Wertschätzung. So mancher Gast spuckte ihn aus und fluchte.

      Der Gasthausbetrieb ruhte an Wochentagen fast völlig. Fuhrwerk aller Art fuhr am Hause vorbei; die Kutscher und Chauffeure kehrten lieber in der „Hoffnung“ ein, im Dorfe bei der „schmutzigen Konkurrenz“, wie Vater Seliger sagte. Alle Konkurrenz auf Erden ist „schmutzig“, das hat schon jeder so im Gefühl, Vater Seliger auch. —

      Unbestechlich war Vater Seliger auch. Als sich die zweiundfünfzigjährige Jungfrau Martha Lembke in ihn verliebte und ihm zum fünfundsechzigsten Geburtstage ein Sammetkäppchen mit eigener Kreuzstickerei schenkte, nahm Vater Seliger zwar das Käppchen, die Jungfrau aber nahm er nicht. So unbestechlich war er.

      Es war Ende November. Früher Winter hatte die Hügel und Hänge mit glitzerndem Schnee bedeckt. Vater Seliger nutzte die günstige Konjunktur aus. Für den Sankt-Andreas-Abend, das ist der 30. November, kündigte er in den einschlägigen Zeitungen „Grosses Bleigiessen mit Tanz“ an. Die Bude war übervoll. Schlitten kamen klingelnd vor der Tür angefahren. Skifahrer erschienen in Mengen, einer kam in Harlekinstracht und zog seine Liebste auf einem Kinderschlitten; einer kam als Bär verkleidet und einer ritt auf einer Kuh. Er hatte drei Stunden gebraucht, um seine vier Kilometer zurückzulegen. Darüber mussten die Leute sehr lachen. Vater Seliger zog die Feierlichkeit in die Länge. Er erklärte, das Bleigiessen könne nur zwischen Mitternacht und ein Uhr früh stattfinden, sonst wirke der Zauber nicht.

      Um Mitternacht wurden alle Lampen ausgedreht. Das war besonders den СКАЧАТЬ