Das Geheimnis des Brunnens. Paul Keller
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Название: Das Geheimnis des Brunnens

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711517499

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СКАЧАТЬ den ganzen Tag gearbeitet hat, schmeckt am Abend ein Glas Bier. Das verdient man sich schon.“

      „Ja, ja“, sagte der Lehrer. „Haben mich also in den Zöllnerhof hineingehen sehen?“

      „Wenn man so Wand an Wand sitzt, sieht man manches, auch manches, das man gar nicht sehen will. In der letzten Zeit war da vielzuviel zu sehen.“

      Der Lehrer gab keine Antwort.

      „Vielzuviel zu sehen. Eklig war der Prozess. Das ganze Dorf ist in Verruf gekommen. In allen Zeitungen hat es gross und breit gestanden. Auch mein Name hat dringestanden, als Zeuge. Ich pfeif darauf, so in der Zeitung zu stehen. Wenn ich im Kreisblatt oder in der ,Landwirtschaftlichen Rundschau‘ einen Staatsbullen inseriere, da fühl‘ ich mich geehrt und gehoben, wenn mein Name darunter steht, aber so — Zeuge im Mordprozess — pfui Teufel!“

      Wieder antwortete der Lehrer nicht. Der Bauer lachte auf.

      „Als Hauptbelastungszeuge — haha! Was soll man denn machen? Hebst drei Finger auf und dann — heraus mit der dicken Luft! Oder kommst selbst ins Zuchthaus! Haha, soll ich mich meineidig machen? Den Zöllner schonen, den Schlund, mit dem ich an die zwanzig Jahre verfeindet bin? Wagt etwa jemand zu sagen, dass ich meineidig bin? He, wagt das jemand?“

      „Das sagt ja niemand“, murmelte der Lehrer.

      „Wollt’ ich auch jedem abraten! Aber grimmig abraten! Reden wir von was anderem. Sie waren also auf dem Zöllnerhofe?“

      „Interessiert Sie das?“

      „Na, viel Gäste werden die nicht mehr kriegen. Die Dienstleute machen sich fort.“

      „Die besten bleiben.“

      „Zwei oder drei, die anderen gehen.“

      „Schlimm genug für die arme Frau!“

      Sie schritten eine Weile weiter. Da sagte Hönig:

      „Ich werd’ Ihnen mal was sagen, Herr Lehrer: am besten wäre es, die Frau verkaufte. Sie kann’s doch nicht machen; sie kommt doch unter die Räder. Zwölf Jahre! Wie soll sie’s denn allein machen?“

      „Wollen etwa Sie den Zöllnerhof kaufen?“

      „Wer spricht von mir? Wo hätt’ ich für das grosse Anwesen das Geld her? Nee, nee! Verkaufen — und sich scheiden lassen von dem Liederian, der jetzt im Zuchthause sitzt. Das kann sie doch, das ist doch ein Scheidungsgrund — Zuchthaus — Ehrverlust — das ist ein Scheidungsgrund!“

      Der alte Lehrer blieb plötzlich stehen. Er blitzte den Begleiter durch die Gläser seiner Brille an.

      „Herr Hönig, Ihre Wünsche werden sich nicht erfüllen.“

      „Was denn für Wünsche? Was meinen Sie denn?

      Was habe ich denn gesagt?“

      Er wiederholte die drei Fragen immer wieder. Der Lehrer antwortete nicht. Sie kamen bald an die Tür des Schulhauses.

      „Gute Nacht!“ sagte der Lehrer, ohne seinem Begleiter die Hand zu geben, und verschwand im Hause.

      „Was meinen Sie denn? Was ist denn los?“ rief ihm Hönig nach. Als keine Antwort kam, ging Hönig zwanzig Schritte weiter. Dann blieb er stehen, stampfte mit dem Fusse auf und murrte:

      „Verdammt! Ein ungewaschenes Schwatzmaul bin ich. Und den Alten nehm’ ich aufs Korn. Der ist gefährlich.“

      Er stampfte zornig weiter.

      Hundert Meter hinter ihm ging ein kräftiger, junger Mann. Er hatte eine Büchse an der Schulter hängen und war in der Tracht der Grenzjäger.

      Abschied von der Heimat

      Es kamen die kurzen Weihnachtsferien; die musste der Lehrer ausnutzen, wenn er Karl Zöllner nach Westfalen bringen und bei der Gelegenheit seinen Sohn besuchen wollte.

      Die Gutsfrau Anna Zöllner stand mit ihrem Sohne Karl vor dem grossen Bilde ihres Mannes, das über dem Sofa hing. Es war der 28. Dezember.

      „Nun, Karl, nun muss es sein, dass wir uns trennen. Glaube mit mir an Vaters Unschuld. Er ist kein Verbrecher; er ist ein Unglücklicher. Sei fleissig! Schreibe immer so, dass ich jeden Sonntag von dir einen Brief habe.“

      Dann zog sie den Kopf ihres Jungen an sich, machte ihm ein Kreuzlein auf die Stirn und sagte: „Behüte dich Gott!“

      Da hing der Jüngling weinend am Halse der Mutter. Aber dann rafften sie sich beide auf und gingen durch die grosse Halle in den Hof. Die Hausglocke, die sonst schrill war, läutete heute zum Abschied ganz leise; so zögernd und langsam hatte die Mutter die Tür geöffnet.

      Im Hofe stand Emil mit dem Glaswagen und den zwei besten Pferden. Karls Koffer war schon aufgeladen, auch die Reisetasche des Lehrers, die Emil gestern abend geholt hatte. Nur der Alte selbst war noch nicht da.

      Der war indes auf der Dorfstrasse der jungen Afra Guntram begegnet, der Tochter des Rittergutsbesitzers.

      „Schon so früh im Dorfe, Afra?“

      „Ich bin die Nacht bei der alten Guttmann gewesen. Sie ist krank und ist ganz verlassen. Da blieb ich bei ihr.“

      „Seltsames Rind! Krankendienst ist der schwerste Dienst auf Erden. Den übst du aus und bist erst sechzehn Jahre.“

      „Fast siebzehn.“

      „Nun ja — siebzehn! In dem Alter haben die Mädchen ganz anderes vor, als bei alten gebrechlichen Frauen zu wachen. Du hast das von deiner Mutter, Afra. Die war der gute Engel des Dorfes. Nur, dass sie so früh starb. Sie hat es nicht verwunden, dass dein Bruder fiel. Er war vierundzwanzig Jahre, nicht wahr, als er an der Lorettohöhe . . .“

      „Einundzwanzig“, sagte das Mädchen leise.

      „Einundzwanzig! Der Krieg! Einundzwanzig!“

      Dann erzählte der Lehrer, er gehe nun nach dem Zöllnerhofe und bringe von dort den Karl auf eine Schule nach Westfalen. Der junge Mann wolle nach dem alten Gymnasium nicht zurück, und das könne ihm wohl niemand verdenken.

      „Ihr kennt euch doch?“

      Afra errötete leicht. Als sie noch auf dem Lyzeum war, begegnete sie Karl Zöllner manchmal in der Stadt. Meist gingen sie nur grüssend aneinander vorüber, und wenn sie ja einmal miteinander sprachen, dann waren es nur ein paar Fragen und Antworten, die das eigene Befinden und die Ereignisse von zu Hause betrafen.

      Sie hatten sich immer gefreut, wenn sie sich sahen, und doch waren sie immer in seltsamer Beklemmung gewesen. Das ist die Zeit im Menschenleben, wo die Anemonen und Schneeglöckchen der ersten Kinderzeit verblüht sind, aber die heissen Rosen noch nicht glühen. Die schüchternen Veilchen sind da, aber auch diese schon haben den starken betörenden Duft junger Liebe. Vielleicht ist diese Liebe die süsseste des ganzen Menschenlebens.

      Afra erzählte, die alte Guttmann wollte durchaus Wasser aus dem Zöllnerschen Wunderbrunnen haben.

      „Und verschaffst du es ihr nicht?“

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