Das Geheimnis des Brunnens. Paul Keller
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Название: Das Geheimnis des Brunnens

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711517499

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СКАЧАТЬ Nachbar Hönig.“

      „Hat der Hund auf ihn gebellt?“

      „Er stand am Zaune und schaute auf unseren Brunnen . . . jetzt im Finstern.“

      „Er hat gegen den Vater geschworen.“

      „Er will mit dem Lumpen, dem Geissler, gesehen haben, wie Vater die Lore verfolgte. Er habe sich aber weiter nicht darum gekümmert, da er mit uns verfeindet sei.“

      Wieder schlug der Hofhund an, beruhigte sich aber bald.

      „Der Lehrer kommt“, sagte der Junge.

      „Woher weisst du das?“

      „Ich habe es im Gefühl. Wollen wir ihn einlassen?“ Die Frau nickte.“

      „Er meint es wohl gut mit uns. Öffne die Tür!“

      Es war der alte Lehrer. Er reichte den beiden stumm die Hand. Zunächst blieb es ganz still. Schwere Beklommenheit. Dann sagte der Alte:

      „Es ist . . . es ist . . . wenn Sie mich einmal brauchen sollten . . . dass Sie dann zu mir kommen oder mich rufen lassen.“

      Der Junge sprang auf:

      „Herr Lehrer, erst eine Frage: Halten Sie meinen Vater für schuldig?“

      „Gott allein weiss die Wahrheit!“

      „Wenn Sie nichts anderes zu sagen wissen, Herr Lehrer, dann ist es am besten, wenn Sie wieder gehen.“

      Die Mutter wies ihn zurecht; der Junge aber blieb trotzig stehen. Da sagte der Alte milde:

      „Ich will dir was sagen, du junger Ungestüm: Ihr Zöllner habt hitziges Blut. Das bringt Schaden. Wenn ich unter den Geschworenen gesessen hätte, dann hätte ich die Schuldfrage ebenso verneint, wie sie Herr von Guntram verneint hat.“

      Der Junge kam in Erregung; auch die Augen der Frau öffneten sich, und ihre Hände bebten leise.

      „Hat Herr von Guntram wirklich . . . hat er . . .“

      „Er hat ,nein‘ gesagt; die andern elf leider alle ,ja‘. Ich weiss es von ihm selbst.“

      „Das segne ihm Gott!“

      Jetzt erst wurde der Lehrer eingeladen, sich zu setzen.

      „Ich komme hauptsächlich wegen Karl. Er ist vom Gymnasium fort. Soll es dann mit dem Studieren aus sein?“

      Der Junge zuckte nicht. Weinend reichte die Frau den Brief ihres Mannes über den Tisch. Der Lehrer las ihn in tiefer Erschütterung.

      „Ja“, seufzte er, „das ist schwer!“

      Dann war tiefes Schweigen in der Stube, Totenschweigen um gestorbenes Glück. Müde ging die alte Wanduhr. Zur Stunde, in der Zöllner verurteilt wurde, war sie stehen geblieben. Das hatte eine Magd berichtet.

      „Sie soll stehen bleiben“, hatte da der Junge gesagt, „stehen bleiben, bis der Vater gerechtfertigt ist. Sie soll immer dieselbe Stunde zeigen, in der das elende Urteil gefällt wurde, damit wir nicht einen Tag darauf vergessen.“

      Aber um Mitternacht war die Mutter aufgestanden und hatte die Uhr aufgezogen. Der Junge war ihr nachgeschlichen, und fast wäre ein Unglück geschehen, als sie ihn so jäh gewahrte.

      „Warum tust du das, Mutter? Willst du es vergessen?“

      „Ich werde es nie vergessen. Aber die Uhr muss gehen. Seit vielen Jahren bin ich an ihr Ticken aus der Nachbarstube her gewöhnt. Wenn sie nicht geht, ist es mir, als sei Vaters Herz stehen geblieben.“

      „Die Uhr soll gehen“, sagte der Junge. Und die Uhr schlug Mitternacht. —

      Nun sassen die drei Bedrückten zusammen und hörten, wie die Uhr die Minuten ihrer Einsamkeit zählte.

      „Frau Zöllner“, hub der Lehrer tröstend an, „dieser Brief ist der Ausfluss tiefster Verzweiflung am Anfang der schweren Zeit. Aber es wird stiller werden in dem Armen. Er wird es überstehen, wie er den Krieg überstanden hat. Er sagt, das sei sein Testament. Wir wollen nicht glauben, dass es so werden wird. Aber, was er da anordnet, muss heilig erfüllt werden. Sie dürfen das Gut nicht verkaufen. Und Karl muss zum Gymnasium zurück.“

      „Ich kann nicht . . . ich kann nicht . . . die anderen . . . wie die mich ansehen . . . ich kann nicht!“

      Der Junge legte den Kopf auf die Tischkante. Die starke Jünglingsgestalt zuckte.

      „Ich kann nicht . . . ich kann nicht!“

      „Sollst ja gar nicht, Karl, sollst ja nicht ins alte Gymnasium zurück. Ich habe einen einzigen Sohn, der Studienrat in Westfalen ist. Der wird’s schon machen, dass du dort aufgenommen wirst. Dort weiss kein Mensch was von unserem Unglück.“

      Das richtete den Jungen auf, und er sagte, er wolle den Willen seines Vaters erfüllen, auf der Schule bleiben und fleissig sein.

      „Freilich“, sagte der Lehrer, „es wird teurer werden. wegen des Reisegeldes und umständlicher. Karl, wirst halt nur zweimal im Jahre nach Hause kommen können, einmal zu den grossen Ferien und einmal zu Weihnachten.“

      „Ich werd’ mich fügen“, sagte der Junge.

      „Und ich werd’ mir alles absparen, dass er auch zu Ostern kommen kann“, sagte die Mutter.

      „Alles wegen so einer Dirne, wie die Lore war“, heulte der Junge auf, „und wegen dem Teufel, dem Hönig!“

      „Karl, von der Toten soll man nichts Übles reden, und Lores Mutter hat schwer zu tragen, sie ist arm, hat beide Kinder verloren. Lore ist tot, der Sohn in der Fremde.“

      „Weiss sie denn nichts von ihm?“ fragte Frau Zöllner.

      „Er ist in Brasilien, verkriecht sich in den Urwald. Niemand würde ihn finden, denn er führt einen fremden Namen. Wie sollte auch so ein armes Weib die Mittel aufbringen, den Sohn zu suchen? Vor drei Tagen ist ein Brief aus Rio de Janeiro angekommen. Es hat aber gleich darin gestanden, man solle ihn nicht in Rio suchen; er habe den Brief bloss mit Gelegenheit dahin gesandt. In dem Briefe hat einiges Geld gelegen, und der Sohn hat weiter nichts geschrieben, als dass er noch nicht mehr hätte ersparen können, dass er an die Mutter mit Liebe, an die Lore aber mit Abscheu zurückdenke.“

      „Der hatte Ehrgefühl, der ertrug die Schande nicht“, flüsterte Karl. „Ich möchte auch fort; ich möchte mich auch im Urwalde verkriechen.“

      „Karl“, verwies ihn die Mutter, „uns drückt keine Schande. Mich bringt niemand vom Zöllnerhofe herunter als der Tod.“

      Im Ohre des alten Lehrers klang es plötzlich wie ein Geisterraunen: „Oder die Schwere der Zeit treibt dich fort!“

      Der Lehrer machte sich auf den Heimweg. Er ging langsam, schritt tief in Gedanken dahin. Auf einmal schrak er zusammen; er hatte dicht hinter sich einen Schritt gehört.

      „Ah, der Herr Lehrer! Sie waren auf dem Zöllnerhofe; ich sah Sie hineingehen.“

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