Das Geheimnis des Brunnens. Paul Keller
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Название: Das Geheimnis des Brunnens

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711517499

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СКАЧАТЬ Berthold ist fort — mein einziger Sohn! Fort in die weite Welt —— auf Nimmerwiederkehr! Da — da — lesen Sie —“

      Sie reichte der Frau am Herde den Abschiedsbrief ihres Sohnes. Diese las ihn mit stieren Augen durch und gab ihn zurück.

      „Ja“, sagte sie. Sonst nichts.

      Der Milchkessel fing an zu sieden. Die Frau am Herde schob ihn mechanisch vom Feuer.

      „Mein Sohn — mein schöner, lieber Sohn! Wie war er brav, wie hat er die Schule durchgemacht, immer als Erster seiner Klasse — immer als Erster — dann im Kriege — wie hat er sich geführt — schon im zweiten Jahr Offizier geworden — das Eiserne Kreuz Erster — zweimal verwundet — einmal verschüttet — durch Gottes Gnade gerettet und genesen — und nun, da der Krieg aus ist — wird er aus der Heimat vertrieben durch die Schande, die Lore über uns bringt; er ertrug es nicht, er war immer still und stolz, es quälte ihn, dass die Leute scheel oder spöttisch auf ihn sahen. Da habe ich die Lore verstossen. Ich habe es ihr geschrieben, in einem Briefe, habe ihr geschrieben, sie solle bleiben, wo sie ist, in ihrem Schmutz und Verderben; ich wollte mich nie wieder um sie kümmern.“

      Die Frau brach in ihrem Jammern ab. Ein Weilchen sass sie still, dann sagte sie leise:

      „Vier Wochen habe ich es ausgehalten ohne das Mädel. — Jetzt ertrag ich’s nicht mehr — ich habe nur noch dieses eine Kind — und ich bin ja doch eine Mutter. Ich komme, sie von hier fortzuholen. Ich hätte es längst tun müssen.“

      Eine Magd trat ein, Frau Zöllner gab ihr auf, das Frühstück weiter zu besorgen; sie habe mit Frau Reich zu sprechen und gehe mit ihr nach der Oberstube. —

      Lore Reich war nicht als gewöhnlicher Dienstbote auf dem Zöllnerhof. Sie hatte bessere Schulbildung und war einige Zeit auf einer Handelsschule gewesen. Mit Anfang des Krieges trat sie Frau Zöllner als Stütze zur Seite. Sie arbeitete im Felde und im Hofe nicht mit, dafür war sie zu feingliedrig; aber sie hielt das Geschäftliche in Ordnung. Sie kaufte ein und verkaufte, bezahlte Rechnungen und mahnte Forderungen ein, verhandelte mit der Steuerbehörde, lohnte die Dienstboten ab, schrieb Briefe. Sie war eine Art Verwalterin.

      Während die Frauen die Treppe hinaufstiegen, sagte Frau Zöllner:

      „Wenn Lore zu Hause ist, kann sie sofort mit Ihnen gehen; es ist auch mein Wille, da ein Ende zu bereiten.“

      Sie gingen miteinander einen Gang entlang und klopften an die letzte Tür.

      Keine Antwort. Frau Zöllner suchte an einem grossen Schlüsselbunde nach einem bestimmten Schlüssel und öffnete damit die Tür. Das Zimmer war leer, das Bett unberührt.

      „Sie ist nicht da — sie ist noch nicht zurück! — Jetzt, früh fünf Uhr, noch nicht zurück! Und Ihr Mann?“

      „Der ist auch noch nicht zurück.“

      „Die Schande! — Sagen Sie, Frau Zöllner, es wird doch um Gottes Willen nicht wahr sein, was die Leute munkeln — dass Lore — dass meine Tochter —“

      „Ich weiss, was Sie meinen; ob das, was die Leute sagen, wahr ist, weiss ich nicht.“

      „So geht es hier zu? Ach Gott, ich kenne Sie doch, Frau Zöllner; ich weiss doch, dass alles hier in Ordnung war, als Sie noch allein wirtschafteten. Ich kann mir auch ganz gut denken, wie es in Ihnen aussehen mag.“

      Frau Zöllner antwortete nicht, sie seufzte nicht einmal. Sie sprach nur:

      „Wir müssen warten, bis sie kommt.“

      Auf einmal erschollen vom Hofe her gellende Hilfeschreie.

      „Wer schreit so schrecklich? Ist das die Lore? O Gott!“

      Sie hafteten die Treppe hinab. Aus dem Dunkel der Nacht, die noch lange nicht vorüber war, tauchten Gestalten auf; alle Stalltüren öffneten sich, Knechte, Mägde stürzten herbei. Vor der matt erleuchteten Haustür lag die Jungmagd Hanne. Sie konnte nicht mehr schreien; sie wimmerte nur noch um Hilfe. Ein entsetzlicher Schrecken hatte das arme Mädchen gelähmt. Man trug sie in die Küche, legte sie auf die grosse Wandbank.

      „Hanne, Hanne, was ist dir? Was ist denn geschehen?“ fragte Frau Zöllner. Das Mädchen konnte nur lallen.

      „Am Brunnen . . . am Brunnen . . .“

      „Was ist am Brunnen?“

      „Die Lore . . . die Lore . . .“

      „Was ist mit Lore?“

      „Tot!“ . . .

      Da war das Mädchen bewusstlos. Aber noch eine andere wurde ohnmächtig, das war Frau Reich, Lores Mutter. Sie schrie ein paarmal weh auf, dann brach sie zusammen. Die Knechte und Mägde standen erschüttert da. Die einzige, die gefasst blieb, war die Gutsfrau Anna Zöllner.

      „Reibt Frau Reich die Schläfe mit Wasser und auch der Hanne, flösst ihnen starken Kaffee ein, tragt sie nach oben, legt sie auf mein Bett. Emil und Gustav nehmen die Heutrage, kommen mit mir. Gebt mir eine Laterne!“

      Nach zehn Minuten brachten sie die Lore getragen. Sie war tot. Ihr Tanzkleid war völlig durchnässt, zum Teil zerrissen, ihre schönen blonden Haare waren zerzaust, am Halse waren rote und blaue Flecken. Schaudernd drückten sich die Leute in die Stubenecke. Die Mädchen schluchzten, selbst die starken Knechte bebten.

      „Schickt nach dem Arzt, nach dem Amtsvorsteher und dem Landjäger! Lore Reich ist ermordet worden. Emil und Gustav suchen die Wirtshäuser nach meinem Mann ab.“

      So befahl die Gutsfrau.

      Emil und Gustav kehrten sofort zurück. Sie hatten den Bauern in einer Türnische gefunden; er war schwer betrunken. Sie stiessen den Torkelnden die Treppe hinauf. Er fluchte über die Lore. Sie brachten ihn zu Bett.

      Ein Arzt kam im Auto an. Er konstatierte Lores Tod, eingetreten vor etwa zwei Stunden durch Ertrinken. Der Amtsvorsteher kam, mit ihm der Landjäger. Die Staatsanwaltschaft wurde telefonisch benachrichtigt. Bei anbrechendem Tage kamen die Leute vom Gericht. Alles hatte auf ausdrücklichen Befehl unberührt bleiben müssen.

      Eine Stunde später ordnete der Staatsanwalt an: „Die Leiche der ermordeten Lore Reich ist beschlagnahmt — der Gutsbesitzer Stefan Zöllner ist verhaftet.“

      Schwurgericht

      Es ging um Leben und Tod.

      Der Staatsanwalt plädierte auf vorsätzliche Tötung, also auf Mord. Als Unterfrage stellte er: Totschlag.

      „Stellen Sie sich vor: der Angeklagte ist wahnsinnig verliebt in seine Hausangestellte, obwohl er eine schmucke, gesunde Frau und einen braven Sohn hat, der schon in der Sekunda des Gymnasiums ist. Stefan Zöllner lief der Ermordeten auf Schritt und Tritt nach, besuchte mit ihr ein Tanzvergnügen nach dem anderen, stellte sich bloss vor der ganzen Gemeinde, brachte sich und das Mädchen in übelstes Gerede. Das stumme Leiden seiner Frau störte ihn in seinen Räuschen nicht; er dachte nicht an die Ehre seines heranwachsenden Sohnes. Ebensowenig scherte sich Lore Reich um die öffentliche Meinung. Dass sie ein leichtsinniges Mädchen war, muss zugegeben werden. Aber nach den Zeugenaussagen, auch nach der Aussage ihrer unglücklichen Mutter, die sie doch schon einmal verstossen hatte, СКАЧАТЬ