Verbrechen und Strafe. Fjodor Dostojewski
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Название: Verbrechen und Strafe

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726372038

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СКАЧАТЬ nicht als Phantasiegebilde, sondern in einer neuen, furchtbaren, ganz unbekannten Gestalt entgegentrat; und er selbst wurde sich dessen sofort bewußt. Es war wie ein Schlag vor den Kopf, und es wurde ihm dunkel vor den Augen.

      Er sah sich hastig um; er suchte etwas. Er wollte sich hinsetzen und suchte eine Bank. Er befand sich augenblicklich auf dem K . . . .-Boulevard. Eine Bank stand ein kleines Stückchen vor ihm, etwa hundert Schritte entfernt. Er ging, so schnell er konnte, nach ihr hin; unterwegs aber hatte er ein kleines Erlebnis, das ihn für kurze Zeit hinderte, an etwas andres zu denken.

      Während er die Bank ins Auge faßte, bemerkte er eine Frauensperson, die etwa zwanzig Schritte vor ihm ging; indes beachtete er sie anfangs gar nicht, ebensowenig wie er alles andere beachtet hatte, was an seinem Auge vorübergeglitten war. Es war ihm schon oft begegnet, daß er nach Hause kam und sich schlechterdings nicht des Weges erinnern konnte, den er gegangen war; es war ihm schon zur Gewohnheit geworden, so achtlos zu gehen. Aber die Frauensperson, die da ging, hatte etwas so Sonderbares an sich, was einem beim ersten Blick ins Auge fiel, daß allmählich seine Aufmerksamkeit an ihr haftete, anfangs unwillkürlich und sogar zu seinem Verdrusse, dann aber mit immer wachsendem Interesse. Es kam ihm die Lust an, festzustellen, was denn eigentlich an dieser Frauensperson so sonderbar sei. Erstens war sie offenbar ein noch sehr junges Mädchen; sie ging trotz der Hitze in bloßem Kopfe, ohne Sonnenschirm und Handschuhe, und schlenkerte in lächerlicher Weise mit den Armen. Sie trug ein leichtes, seidenes Kleidchen; aber auch dieses saß ihr sehr wunderlich auf dem Leibe und war nur sehr mangelhaft zugeknöpft; hinten an der Taille, gerade am Rockansatz, war es zerrissen; ein ganzer Fetzen stand ab und hing, hin und her pendelnd, herunter. Ein kleines Tuch umgab locker den bloßen Hals, saß aber schief, ganz nach der einen Seite hin. Ferner hatte das Mädchen einen unsicheren Gang; sie stolperte und schwankte sogar nach allen Seiten hin. Diese Erscheinung nahm schließlich Raskolnikows ganzes Interesse in Anspruch. Er holte das Mädchen dicht bei der Bank ein; aber sowie sie die Bank erreicht hatte, fiel sie geradezu darauf nieder, in eine Ecke, ließ den Kopf gegen die Rücklehne sinken und schloß die Augen, anscheinend vor äußerster Müdigkeit. Als er sie näher ansah, wurde ihm sofort klar, daß sie völlig betrunken war; es war ein ganz seltsamer, sonderbarer Anblick. Es kam ihm sogar einen Augenblick der Gedanke, ob er sich nicht doch irre. Er sah ein noch ganz junges Gesichtchen vor sich, von sechzehn oder vielleicht sogar nur von fünfzehn Jahren, klein, blondhaarig und hübsch, aber über und über glühend und wie verschwollen. Das Mädchen hatte anscheinend für ihre ganze Umgebung sehr wenig Verständnis; sie hatte das eine Bein über das andere geschlagen, wobei sie es weit mehr als schicklich vorstreckte; nach allem zu urteilen, war sie sich gar nicht bewußt, daß sie sich auf der Straße befand.

      Raskolnikow setzte sich nicht hin, mochte aber auch nicht Weggehen, sondern blieb unentschlossen vor ihr stehen. Dieser Boulevard ist immer wenig belebt; jetzt aber, zwischen ein und zwei Uhr mittags und bei dieser Hitze, war fast niemand zu sehen. Nur seitwärts, etwa fünfzehn Schritte entfernt, war am Rande des Boulevards ein Herr stehengeblieben, der, wie aus seinem ganzen Benehmen ersichtlich war, die größte Lust hatte, gleichfalls zu dem Mädchen mit irgendwelchen Absichten hinzugehen. Wahrscheinlich hatte auch er sie von weitem gesehen und einzuholen gesucht, aber Raskolnikow war ihm dazwischengekommen. So warf er ihm denn wütende Blicke zu, die er aber vor ihm zu verbergen bemüht war, und wartete ungeduldig, bis der unangenehme Lumpenkerl fortginge, so daß er selbst sich heranmachen könnte. Die Sache war sehr durchsichtig. Der Herr war etwa dreißig Jahre alt, von kräftigem Körperbau, wohlgenährt, mit gesunder, blühender Gesichtsfarbe, roten Lippen und kleinem Schnurrbart; sein Anzug zeigte die größte Eleganz. Raskolnikow fühlte, wie eine grimmige Wut in ihm aufstieg; er verspürte Lust, diesen wohlgenährten Laffen irgendwie zu beleidigen. Darum verließ er das Mädchen einen Augenblick und ging auf den Herrn zu.

      „He, Sie, Sie Swidrigailow, Sie! Was haben Sie hier zu suchen?“ rief er ihm zu; er ballte die Fäuste und lachte mit vor Wut bebenden Lippen.

      „Was soll das heißen?“ fragte der Herr in scharfem Tone, zog die Augenbrauen zusammen und blickte ihn von oben herab erstaunt an.

      „Scheren Sie sich von hier weg! Das soll es heißen!“

      „Kanaille, wie kannst du dich unterstehen . . .“

      Er holte mit seinem Spazierstocke aus. Raskolnikow stürzte mit erhobenen Fäusten auf ihn zu, ohne zu überlegen, daß der kräftige Herr wohl mit zwei solchen, wie er, fertig werden konnte. Aber in diesem Augenblicke packte ihn jemand von hinten mit festem Griffe, und ein Schutzmann stand zwischen ihnen.

      „Hören Sie auf, meine Herren! Keine Schlägerei auf öffentlichen Plätzen! Was haben Sie denn? Was bist du denn für einer?“ wandte er sich mit strenger Miene an Raskolnikow, da er dessen zerlumpten Anzug bemerkte.

      Raskolnikow sah ihn aufmerksam an. Es war ein braves Beamtengesicht mit grauem Schnurrbart und Backenbart und mit verständig blickenden Augen.

      „Sie kommen mir wie gerufen“, rief er und ergriff seine Hand. „Ich bin ein gewesener Student; mein Name ist Raskolnikow . . . Das mag auch gleich für Sie gesagt sein!“ fügte er, zu dem Herrn gewendet, hinzu. „Bitte, kommen Sie einmal mit; ich will Ihnen etwas zeigen.“

      Er nahm den Schutzmann bei der Hand und führte ihn zu der Bank hin.

      „Da, sehen Sie, sie ist ganz betrunken; sie kam eben den Boulevard entlang. Wer weiß, was sie für eine sein mag; aber wie eine Gewerbsmäßige sieht sie nicht aus. Wahrscheinlich ist sie irgendwo betrunken gemacht und dann mißbraucht worden . . . zum ersten Male, . . . verstehen Sie? Und dann hat man sie auf die Straße gebracht. Sehen Sie nur, wie das Kleid zerrissen ist; sehen Sie, wie sie angezogen ist: andre Leute haben sie angezogen, nicht sie selber, und Hände, die sich nicht darauf verstanden, haben es getan, Männerhände. Das sieht man. Und nun sehen Sie einmal dahin: diesen Laffen, den ich eben durchprügeln wollte, kenne ich nicht; ich sehe ihn zum ersten Male in meinem Leben. Er hat sie auch hier auf der Straße bemerkt, jetzt eben, hat gesehen, daß sie betrunken ist und von sich nichts weiß, und nun brennt er darauf, heranzugehen, sich ihrer in diesem Zustande zu bemächtigen und sie irgendwohin zu verschleppen . . . Es ist ganz bestimmt so; Sie können mir glauben, daß ich mich nicht irre. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er sie beobachtete und ihr nachging; nur kam ich ihm in die Quere, und er wartet jetzt nur darauf, daß ich weggehe. Da, jetzt ist er ein bißchen weitergegangen und steht nun da, als wollte er sich eine Zigarette drehen. Wie können wir ihn hindern? Wie können wir sie nach Hause schaffen? Überlegen Sie mal!“

      Der Schutzmann hatte die Sachlage sofort erfaßt. Was der kräftige Herr für einer war, darüber konnte kein Zweifel bestehen; aber was war nun mit dem Mädchen anzufangen? Der Schutzmann beugte sich über sie, um sie aus größerer Nähe zu betrachten, und aufrichtiges Mitleid spiegelte sich in seinen Zügen wider.

      „Ach, wie schade!“ sagte er und wiegte den Kopf hin und her. „Sie ist ja noch das reine Kind. Sie ist mißbraucht worden, das ist sicher. Hören Sie, Fräulein!“ rief er sie an. „Wo wohnen Sie?“

      Das Mädchen öffnete die müden, trüben Augen, blickte den Fragenden stumpfsinnig an und machte eine abwehrende Handbewegung.

      „Hören Sie“, sagte Raskolnikow, „hier“ (er wühlte in seiner Tasche und holte zwanzig Kopeken heraus), „hier, nehmen Sie eine Droschke und sagen Sie dem Kutscher, er solle sie nach Hause fahren. Wenn wir nur ihre Adresse erfahren könnten!“

      Der Schutzmann nahm das Geld. „Fräulein, he, Fräulein!“ begann er von neuem. „Ich will gleich eine Droschke für Sie nehmen und Sie selbst nach Hause begleiten. Wohin befehlen Sie, hm? Wo wohnen Sie?“

      „Geht doch weg! . . . Laßt mich in Ruhe!“ murmelte das Mädchen und wehrte wieder mit der Hand ab.

      „Ach, wie häßlich, wie СКАЧАТЬ