Verbrechen und Strafe. Fjodor Dostojewski
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Название: Verbrechen und Strafe

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726372038

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СКАЧАТЬ bis in den Tod getreue

       Pulcheria Raskolnikowa.“

      Fast die ganze Zeit, während Raskolnikow las, vom Anfang des Briefes an, war sein Gesicht feucht von Tränen; als er aber bis zum Schlusse gelangt war, war es bleich und krampfhaft verzerrt, und ein trübes, bitteres, ingrimmiges Lächeln spielte auf seinen Lippen. Er legte sich mit dem Kopfe auf sein dünnes, abgenutztes Kissen und dachte lange, lange nach. Heftig schlug ihm das Herz, und heftig wogten seine Gedanken hin und her. Schließlich wurde es ihm zu schwül und zu eng in diesem gelben Kämmerchen, das wie ein Schrank oder wie ein Koffer aussah. Sein Blick und seine Gedanken verlangten nach freiem Raume. Er ergriff seinen Hut und ging hinaus, diesmal ohne sich davor zu fürchten, daß er jemandem auf der Treppe begegnen könnte; dieser Gedanke kam ihm gar nicht. Er schlug die Richtung nach der Wassilij-Insel ein, den W . . .-Prospekt entlang, als hätte er einen eiligen Geschäftsgang dorthin ging aber nach seiner Gewohnheit, ohne auf den Weg zu achten, vor sich hin flüsternd und sogar laut mit sich redend, worüber sich die Vorübergehenden nicht wenig wunderten. Viele hielten ihn für betrunken.

      IV

      Der Brief seiner Mutter bereitete ihm heftige Qual. Hinsichtlich des wichtigsten und wesentlichsten Punktes hatte bei ihm keinen Augenblick ein Zweifel bestanden, auch nicht, als er noch mit dem Lesen beschäftigt gewesen war. Die Kernfrage war für ihn entschieden, und zwar endgültig entschieden. ‚Diese Heirat findet, solange ich lebe, nicht statt; hole diesen Herrn Lushin der Teufel!‘

      ‚Die ganze Sache ist ja doch so durchsichtig‘, murmelte er, spöttisch lächelnd, vor sich hin und gab sich schon im voraus einem Gefühle des Triumphes wegen der glücklichen Durchsetzung seines Entschlusses hin. ‚Nein, Mama, nein, Dunja‘, dachte er, ,ihr könnt mich nicht täuschen! . . . Und da entschuldigen sie sich auch noch, daß sie nicht meinen Rat erbeten, sondern die Sache ohne mich entschieden haben! Unsinn! Sie denken, jetzt lasse sich die Sache nicht mehr vereiteln; aber wir werden ja sehen, ob das geht oder nicht geht. Und was für eine famose Ausflucht: Pjotr Petrowitsch, heißt es, ist von seinen Geschäften so stark in Anspruch genommen, daß er sogar seine Heirat nur mit Extrapost oder Schnellzug bewerkstelligen kann. Nein, Dunjetschka, ich durchschaue alles und weiß, worüber du mit mir so viel zu sprechen vorhast. Ich weiß auch, worüber du die ganze Nacht nachgedacht hast, während du im Zimmer auf und ab gingst, und um was du vor dem Bilde der Muttergottes von Kasan, das in Mamas Schlafzimmer steht, gebetet hast. Es ist ein schwerer Gang, der Gang nach Golgatha. Hm! . . . Es ist also bereits unwiderruflich beschlossen: Sie möchten einen geschäftskundigen, praktisch gesinnten Mann heiraten, Awdotja Romanowna, einen Mann, der eigenes Vermögen besitzt (der »bereits« eigenes Vermögen besitzt, das klingt noch solider, eindrucksvoller), zwei amtliche Stellungen bekleidet und die Anschauungen unserer jüngeren Generation teilt, wie Mama schreibt, und »wie es scheint« ein guter Mensch ist, wie Dunjetschka selbst bemerkt. Dieses »wie es scheint« ist ganz besonders prachtvoll. Und diese gute Dunjetschka wird dieses »wie es scheint« heiraten! Prachtvoll! Prachtvoll!

      Merkwürdig ist aber auch, warum mir Mama eigentlich etwas von der »jüngeren Generation« geschrieben hat. Wollte sie damit lediglich die Person charakterisieren, oder verfolgte sie damit eine weitergehende Absicht: mich für Herrn Lushin günstig zu stimmen? Oh, ihr Schlauen! Auch noch einen andern Umstand aufzuklären wäre interessant: bis zu welchem Grade waren sie beide an jenem Tage und in jener Nacht und in der ganzen folgenden Zeit offenherzig gegeneinander? Wurde wohl zwischen ihnen alles mit Worten ausgesprochen, oder wußten sie beide, daß die eine wie die andre ein und dasselbe im Herzen und im Sinne hatte, so daß es nicht erforderlich war, alles laut zu sagen, wobei man sich leicht hätte verplappern können? Wahrscheinlich hat sich die Sache zum Teil wirklich so verhalten; das läßt sich aus dem Briefe ersehen: der Mama kam er schroff vor, »ein wenig schroff«, und die naive Mama teilte diese Beobachtung ihrer Tochter mit. Aber die wurde natürlich böse darüber und »antwortete sogar ärgerlich«. Selbstverständlich! Wen sollte so etwas nicht wütend machen, wenn eine Sache auch ohne naive Fragen klar ist und wenn bereits entschieden ist, daß weitere Debatten sinnlos sind. Und warum schrieb sie mir da: »Lieber Rodja, liebe Deine Schwester Dunja; sie liebt Dich mehr als sich selbst«: quälen sie da im geheimen Gewissensbisse, weil sie zugestimmt hatte, daß die Tochter für den Sohn geopfert werde? »Du bist unsere Zuversicht, unser ein und alles!« O Mama!‘

      Der Ingrimm kochte in ihm immer stärker, und wäre ihm jetzt Herr Lushin begegnet, so hätte er ihn wahrscheinlich totgeschlagen!

      ,Hm! . . . das ist richtig‘, fuhr er fort, indem er die Gedanken weiter verfolgte, die in seinem Kopfe wild herumwirbelten. ,Das ist ja richtig, daß man sich einem Menschen ganz allmählich und vorsichtig nähern muß, um ihn genau kennenzulernen; aber was Herrn Lushin selbst anlangt, so ist ja sein Charakter von vornherein klar und verständlich. Die Hauptsache ist: er ist sehr geschäftstüchtig und »wie es scheint« ein guter Mensch: es ist ja keine Kleinigkeit, daß er den Transport der Frachtstücke übernommen hat und den großen Koffer auf seine Kosten herbefördern will! Und da sollte er kein guter Mensch sein? Die beiden Frauen aber, die Braut und die Mutter, dingen einen Bauern und fahren auf einem Bauernwagen, auf dem eine Bastmatte liegt (ich bin ja selbst dort so gereist!). Tut nichts; es sind ja nur neunzig Werst, »und dann fahren wir wunderbar in der dritten Klasse«, gegen tausend Werst. Es ist ja sehr verständig, wenn man sich nach seiner Decke streckt; aber Sie, Herr Lushin, was sagen Sie dazu? Es ist ja doch Ihre Braut . . . Und ist Ihnen das unbekannt geblieben, daß die Mutter sich auf ihre Pension das Reisegeld borgt? Gewiß, ihr habt zusammen mit Herrn Lushin gleichsam eine Art von gemeinsamem kaufmännischem Geschäft, ein Unternehmen zu beiderseitigem Nutzen und mit gleichen Anteilen; folglich müssen auch die Ausgaben in zwei gleiche Teile gehen; nach dem üblichen Grundsatze: Brot und Salz gemeinsam, aber Tabak jeder für sich. Aber auch hier hat der geschäftserfahrene Mann sie ein bißchen übers Ohr gehauen: das Gepäck kostet weniger als ihre Reise, und vielleicht wird es sogar ganz umsonst befördert. Sehen das nun die beiden Frauen nicht, oder wollen sie es absichtlich nicht bemerken? Sie sind ja zufrieden, so zufrieden! Und wenn man nun bedenkt, daß dies nur der Anfang, die Blüten sind und die wahren Früchte erst hinterdrein kommen! Und was ist die Hauptsache bei alledem? Die Hauptsache ist nicht der Geiz und die Knauserei, sondern der Ton, in dem das Ganze vor sich geht. Das wird der künftige Ton nach der Hochzeit sein; es zeigt sich schon an . . . Ja, und Mama gibt leichtsinnig Geld aus! Mit wieviel wird sie in Petersburg ankommen? Mit zwei oder drei »Scheinchen«, wie jenes . . . alte Weib . . . sagt . . . hm! Wovon gedenkt sie denn nachher in Petersburg zu leben? Sie hat ja schon aus irgendwelchen Anzeichen herausgefühlt, daß sie nach der Hochzeit nicht wird mit Dunja zusammenwohnen können, nicht einmal in der ersten Zeit. Der liebe Mensch hat gewiß »im Eifer des Gespräches« Andeutungen gemacht und seine Meinung zu verstehen gegeben, obwohl Mama einem auf das entschiedenste verwehrt, sich den Hergang so vorzustellen, und ausdrücklich sagt: »Ich selbst werde es ablehnen.« Was denkt sie sich denn, wovon sie leben wird? Von den hundertzwanzig Rubeln Pension, von denen erst noch der Betrag der Schuld an Afanassij Iwanowitsch abgeht? Sie wird dann hier Wintertücher stricken und Manschetten sticken und sich die alten Augen verderben. Aber die Tücher und Manschetten bringen ihr nur zwanzig Rubel jährlich zu den hundertzwanzig Rubeln; darüber weiß ich Bescheid. Also setzen sie ihre Hoffnung doch auf den Edelmut des Herrn Lushin. »Er wird selbst den Vorschlag machen und mich darum bitten.« Das wird ihm gar nicht einfallen! So geht es immer bei diesen Schillerschen schönen Seelen: bis zum letzten Moment schmücken sie einen Menschen mit Pfauenfedern; bis zum letzten Moment erwarten sie von ihm nur Gutes und nichts Schlechtes; wiewohl sie die Kehrseite der Medaille ahnen, mögen sie sich doch um keinen Preis dazu entschließen, beizeiten das Kind beim richtigen Namen zu nennen; es schaudert ihnen bei dem bloßen Gedanken; mit Händen und Füßen sträuben sie sich gegen die Wahrheit, bis der Mensch, den ihre Phantasie so schön herausstaffiert hat, sie gehörig hereinlegt. Es wäre mir interessant, zu wissen, ob Herr Lushin Orden besitzt; ich möchte darauf wetten, er hat den Annenorden im Knopfloch und legt ihn zu Diners bei Industriellen und Kaufleuten an. Vielleicht trägt er ihn auch bei seiner Hochzeit! Aber der Teufel soll ihn holen! . . .

      Nun, von Mama will ich weiter СКАЧАТЬ