Verbrechen und Strafe. Fjodor Dostojewski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Verbrechen und Strafe - Fjodor Dostojewski страница 18

Название: Verbrechen und Strafe

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726372038

isbn:

СКАЧАТЬ Dann nahmen sie jedesmal Kutja 3 auf einer weißen Schüssel, in einer Serviette, mit; die Kutja war aus Reis, mit Zucker und Rosinen, und die Rosinen waren oben in den Reis in Form eines Kreuzes hineingedrückt. Er hatte diese Kirche gern und auch die alten Heiligenbilder darin, die größtenteils keine Einfassung hatten, und auch den alten Geistlichen, der immer so mit dem Kopfe wackelte. Neben dem Grabhügel seiner Großmutter, auf dem ein Leichenstein lag, war auch das kleine Grab seines jüngeren Bruders, der im Alter von sechs Monaten gestorben war; auch diesen hatte er eigentlich nicht gekannt und konnte sich seiner nicht erinnern. Aber es war ihm gesagt worden, daß er einen kleinen Bruder gehabt habe, und jedesmal, wenn er den Kirchhof besuchte, bekreuzigte er sich fromm und ehrfürchtig über dem kleinen Grabe, verneigte sich gegen dasselbe und küßte es. Und nun träumt ihm: er geht mit dem Vater auf der Landstraße nach dem Kirchhofe, und sie kommen bei der Schenke vorbei; er hat den Vater an der Hand gefaßt und blickt angstvoll nach der Schenke hin. Ein besonderer Umstand fesselt seine Aufmerksamkeit: heute scheint hier ein Volksvergnügen stattzufinden; da drängt sich ein dichter Menschenhaufe, aus geputzten Bürger- und Bauersfrauen, ihren Männern und allerlei Gesindel bestehend. Alle sind betrunken, alle singen Lieder, und vor der Tür der Schenke steht ein Wagen, aber ein seltsamer Wagen. Es ist einer jener großen Wagen, vor die man große Lastpferde spannt und auf denen man Waren und Branntweinfässer transportiert. Er hatte immer gern diese riesigen Lastpferde betrachtet, mit den langen Mähnen und den dicken Beinen, wie sie ruhig und gemessen einherschritten und einen ganzen Berg hinter sich herzogen, ohne besondere Anstrengung, ja, als wäre es ihnen mit der beladenen Fuhre leichter zu gehen als ohne diese. Aber jetzt ist wunderlicherweise an einen solchen großen Frachtwagen eine kleine, magere, falbe Bauernkracke gespannt, von der Art, wie sie sich (er hatte das oft gesehen) vielfach mit einer hochgepackten Fuhre Holz oder Heu abquälen, namentlich wenn der Wagen im Schmutze oder in tiefen Geleisen stecken bleibt; und dabei hauen dann die Bauern immer so roh, so roh mit der Peitsche auf sie los, manchmal gerade auf das Maul und in die Augen. Und es hatte ihm immer so leid, so leid getan, das mitanzusehen, daß er beinahe geweint hatte; die Mama hatte ihn dann immer vom Fenster weggeführt. Aber plötzlich erhebt sich ein großer Lärm: aus der Schenke kommen unter Schreien und Singen, mit Balalaiken in den Händen, stierartig betrunkene Bauern heraus, große Kerle in roten und blauen Hemden, die Röcke nur lose übergeworfen.

      Anmerkung des Übersetzers.

      „Setzt euch rauf, setzt euch alle rauf!“ schreit einer, ein junger Kerl mit dickem Halse und fleischigem, rotem Gesichte. „Ich fahre euch alle, setzt euch nur rauf!“

      Gelächter antwortet auf diese Aufforderung, und es wird geschrien:

      „So eine Kracke! Die wird uns auch gerade ziehen können!“

      „Du bist wohl nicht gescheit, Mikolka? So eine kleine Stute vor so einen Wagen zu spannen!“

      „Die kleine Falbe ist gewiß schon ihre zwanzig Jahre alt, Brüder!“

      „Setzt euch nur rauf; ich fahre euch alle!“ schreit Mikolka wieder, springt als erster auf den Wagen, faßt die Zügel und stellt sich in seiner ganzen Größe auf das Vorderteil. „Der Braune ist schon lange mit Matwej davon“, schreit er vom Wagen herunter. „Aber diese Stute tut weiter nichts als mich ärgern, Brüder; ich möchte sie am liebsten totschlagen; sie frißt ihr Futter umsonst! Hört ihr wohl: setzt euch rauf! Ich will sie Galopp laufen lassen! Galopp soll sie laufen!“

      Er nimmt die Peitsche in die Hand und bereitet sich mit einer wahren Wonne darauf vor, das Pferd zu schlagen.

      „Na, setzt euch doch rauf! Immer zu!“ wird unter Lachen in der Menge gerufen. „Hört ihr wohl? Sie soll Galopp laufen!“

      „Die ist wohl schon seit zehn Jahren nicht mehr Galopp gelaufen.“

      „Das wird ein schöner Galopp werden!“

      „Nur keine Schonung, Brüder! Jeder muß eine Peitsche nehmen; macht euch fertig!“

      „Jawohl, jawohl! Die soll’s kriegen!“

      Alle klettern unter Gelächter und Witzworten auf Mikolkas Wagen. Sechs Mann sind hinaufgestiegen, und es können noch mehr sitzen. Sie nehmen noch ein dickes Weib mit gesunder, roter Gesichtsfarbe mit hinauf. Sie trägt ein rotes baumwollnes Kleid, einen Kopfputz aus Glasperlen, an den Füßen plumpe Schuhe; sie knackt Nüsse und lacht. Ringsum in der Menge wird gleichfalls gelacht; und wirklich: warum sollten sie auch nicht lachen? So eine jämmerliche Mähre, und soll eine solche Last im Galopp ziehen! Zwei Burschen auf dem Wagen nehmen sofort jeder eine Peitsche, um Mikolka zu helfen. „Hüh!“ ruft dieser, und die Mähre zieht aus Leibeskräften, kann aber nicht einmal im Schritt damit zurechtkommen, geschweige denn im Galopp; sie trippelt nur mit den Beinen herum, ächzt und knickt ein unter den Hieben der drei Peitschen, die hageldicht auf sie niedersausen. Das Gelächter auf dem Wagen und in der Menge verdoppelt sich; aber Mikolka wird ärgerlich und peitscht in seiner Wut immer wieder auf die Stute los, als ob er wirklich dächte, sie würde noch galoppieren.

      „Laßt mich auch mitmachen, Brüder!“ schreit ein Bursche aus der Menge, der gleichfalls Lust bekommen hat.

      „Steig nur rauf! Steigt nur alle rauf!“ ruft Mikolka. „Sie muß alle ziehen. Ich peitsche sie zu Tode!“

      Und er peitscht und peitscht und blickt sich um, womit er sie wohl sonst noch in seiner Raserei schlagen könnte.

      „Papa, Papa!“ ruft das Kind seinem Vater zu. „Papa, was tun sie da? Papa, sie schlagen das arme Pferd!“

      „Komm weg, komm weg!“ antwortet der Vater. „Es sind Betrunkene; sie treiben Tollheiten, die Narren. Komm weg; sieh nicht hin.“ Und er will ihn wegführen; doch das Kind reißt sich von seiner Hand los und läuft, seiner selbst nicht mächtig, zu dem Pferde. Aber mit dem armen Tiere steht es schon schlecht. Es verliert den Atem, bleibt stehen, zieht wieder an und fällt beinahe hin.

      „Peitscht sie tot!“ schreit Mikolka. „Jetzt geht’s los! Ich peitsche sie zu Tode!“

      „Bist du denn kein Christenmensch, du Satan?“ ruft ein alter Mann aus dem Haufen.

      „Hat man denn so etwas schon gesehen, daß so eine Kracke so eine Fuhre ziehen soll!“ fügt ein andrer hinzu.

      „Du wirst sie noch zu Tode quälen!“ ruft ein Dritter.

      „Das geht dich nichts an! Sie ist mein Eigentum. Ich kann mit ihr tun, was ich will. Steigt auch ihr noch rauf! Steigt alle noch rauf! Sie muß noch Galopp laufen!“

      Plötzlich bricht ein allgemeines Gelächter los und übertönt alles: die Stute hat die unaufhörlichen Hiebe nicht mehr aushalten können und in ihrer Not angefangen auszuschlagen. Selbst der alte Mann kann sich des Lächelns nicht erwehren; wahrhaftig komisch: so ein jämmerliches Tier, und schlägt noch aus!

      Zwei Burschen aus der Menge holen sich jeder eine Peitsche und laufen zu der Stute hin, um sie von den Seiten zu hauen. Jeder haut von seiner Seite.

      „Aufs Maul! Haut sie in die Augen, in die Augen!“ schreit Mikolka.

      „Ein Lied, Brüder!“ ruft einer auf dem Wagen, und alle, die darauf sind, fallen mit ein. Ein Gassenhauer ertönt; ein Tambourin rasselt; im Refrain wird gepfiffen. Das Weib knackt Nüsse und lacht.

      Der Knabe läuft von hinten an das Pferd heran, läuft nach vorn; er sieht, wie es in die Augen geschlagen wird, gerade in die Augen! Er weint; das Herz will ihm brechen; die Tränen laufen ihm über die Wangen. Ein Peitschenhieb streift ihm das Gesicht, er fühlt es nicht; er ringt die Hände, er schreit, er stürzt zu dem grauköpfigen, СКАЧАТЬ