Ein einziger Tag. Kjersti Scheen
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Название: Ein einziger Tag

Автор: Kjersti Scheen

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9788711468210

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СКАЧАТЬ zu Hause waren, konnte er sich nicht mehr beherrschen und heulte los. Seiner Mutter sagte er, dass er Magenkneifen hätte.

      Er wollte ein großer Junge sein. Er wollte nicht petzen. Und als sein Vater fragte, wie der erste Schultag gewesen wäre, antwortete seine Mutter: »Ganz toll, nicht wahr, Martin?« Und er hatte gelächelt. Die ganze Zeit gelächelt. Und sich vor dem nächsten Tag gefürchtet.

      Und daran hatte sich seitdem nichts geändert.

      Acht Jahre lang.

      Es war nicht immer gleich schlimm gewesen. Die fünfte und sechste Klasse hatte er in verhältnismäßig guter Erinnerung. Fredrik war in der Zeit völlig vom Sport absorbiert gewesen. Im Sommer segelte er und im Winter schleppte Tante Cathrine ihn mit auf die Skipisten. Martin war in dieser Zeit häufig mit einem ruhigen und netten Jungen aus der Klasse zusammen gewesen, der Lasse hieß. Sie hatten sich alle möglichen verrückten Sachen ausgedacht. Zum Beispiel das mit dem Kassettenrekorder, mit dem sie Radiosendung gespielt hatten. Lasse spielte mit Begeisterung Reporter; sobald sie unter sich waren, redete er nur noch mit seiner Reporterstimme. In der Schule war er eher zurückhaltend, genau wie Martin. Und wenn Fredrik oder die anderen kamen, machte er sich eiligst aus dem Staub. Seine Freundschaft hatte ihre Grenzen.

      Irgendwie konnte Martin ihn sogar verstehen. Er war zwar enttäuscht, aber er fand sich damit ab. Er wusste schließlich am besten, wie es war, sie auf sich zukommen zu sehen und genau zu wissen, was als Nächstes passieren würde. Wenn er gekonnt hätte, wäre er auch abgehauen. Aber er konnte nicht. Und normalerweise hatten sie es auf ihn und nicht auf Lasse abgesehen.

      Als sie in die Siebte kamen, war Lasse plötzlich nicht mehr da. Zwei Monate später war Bille in ihre Klasse gekommen, worauf sich Martins Situation schlagartig verschlimmerte. Bille machte Martin noch mehr Angst als Fredrik: Auf der einen Seite war Bille ein wenig wie Martin, aber gleichzeitig um Längen schlimmer als Fredrik, wenn es ums Ärgern und Quälen ging.

      Bille war ein blasser, introvertierter Typ und roch immer etwas streng, ein Geruch, den Martin nicht genau definieren konnte. Säuerlich. Abstoßend. Martin versuchte Bille aus dem Weg zu gehen, was nicht immer einfach war. Bille hängte sich an ihn ran, fragte, ob sie nach der Schule was unternehmen würden, wollte wissen, was Martin las, wie viel seine Joggingschuhe gekostet hatten, und so weiter.

      Martin traute Bille nicht über den Weg, hätte ihm am liebsten nicht geantwortet, aber irgendetwas musste er schließlich sagen. Bille hing an ihm wie eine Klette und kam oft mit zu ihm nach Hause. Und Martin, der hungrig war und was essen wollte, blieb nichts anderes übrig, als Bille auch etwas anzubieten. Martin sah seiner Mutter an, dass sie Bille nicht sonderlich mochte. Aber sie war immer nett zu ihm, so wie sie zu jedem nett war.

      Und aus eben diesem Grund schien Bille Martin zu hassen: Weil er eine nette Mutter hatte.

      Wenn Martins Mutter mal wieder besonders freundlich zu Bille gewesen war, war Bille hinterher jedes Mal besonders fies zu Martin.

      Gleichzeitig scharwenzelte er um Fredrik herum und tat so, als ob er Martin überhaupt nicht kennen würde, als ob er nie bei ihm zu Hause gewesen wäre. Er wurde Fredriks Schatten und tat alles, was Fredrik von ihm verlangte.

      Bille schien noch mehr Angst vor Fredrik zu haben als Martin.

      »Jetzt ist es bald zwölf«, sagte Susanne. »Was sollen wir denn bloß machen?«

      »Verdammt noch mal«, schnaubte Fredrik verächtlich. »Was ist denn so schlimm daran, ein bisschen zu spät nach Hause zu kommen?«

      »Ein bisschen zu spät? Nennst du das ein bisschen zu spät, wenn wir gestern Abend zu Hause sein sollten und es jetzt kurz nach zwölf am nächsten Tag ist?«

      Susanne schüttelte sich die Haare aus dem Gesicht und funkelte ihn wütend an.

      »Ach, Weiber!«

      Fredrik schaute übers Wasser und zog eine Augenbraue hoch. Martin kannte diesen Gesichtsausdruck nur zu gut: von Fredriks Vater.

      Vibeke war noch mal unter Deck gegangen und kam gerade wieder nach oben. »Habt ihr eigentlich kein Funkgerät? Ich dachte, jedes ordentliche Boot hätte eins?«

      »Wir nehmen es im Herbst immer mit an Land«, sagte Fredrik unwirsch. »Und ich hab’s euch doch schon gesagt, verdammt noch mal, wir haben in diesem Jahr noch keine richtige Tour gemacht, weil mein Alter keine Zeit hatte! Das Boot ist noch nicht so lange auf dem Wasser, wann rafft ihr das endlich?«

      Susanne setzte sich auf die Bank und legte die Ellbogen hinter sich auf die Reling. Da saß sie nun, mit sonnenverbrannten Schultern und Oberschenkeln, in einem engen Baumwollpulli und Shorts. Sie lehnte den Oberkörper zurück und starrte mürrisch und erschöpft vor sich hin. Martins Blick wurde magisch von ihren großen Brüsten angezogen, die sie aufreizend nach vorne streckte.

      Er konnte ihre Nippel erkennen, oder wie die Dinger hießen.

      Er wandte den Blick schnell ab, bevor die anderen sich über ihn hermachten, weil er sich für Susannes Brüste interessierte. Obwohl es ja stimmte. Eigentlich. Dabei war Vibeke die Hübschere von beiden. Oder jedenfalls diejenige, mit der die meisten zusammen sein wollten.

      Vibeke mit den kurzen schwarzen Haaren und der frechen Klappe, die im totalen Kontrast zu ihrem püppchenhaften Gesicht stand. Vibeke mit der Villa in Åsen. Ihre Eltern waren reich. Nicht nur wohlhabend, sondern stinkreich. Susanne war ... die Stillere von beiden? Martin war sich nicht sicher. Sie stand meist in Vibekes Schatten, fiel nicht weiter auf. Bis sie plötzlich zuschlug. Oder so wie in diesem Augenblick mürrisch vor sich hinstarrte und den Oberkörper nach hinten bog, sodass ihre Brüste sich deutlich unter ihrem Pulli abzeichneten.

      Was Fredrik anscheinend auch nicht entgangen war, weil er sagte: »Na, da werden wir wohl noch ein zweites Mal übernachten müssen! Aber dann lässt du dich doch hoffentlich überreden, mit auf dem Boot zu schlafen, oder?«

      Sie würdigte ihn keines Blickes.

      Vibeke beugte sich vor. »Hör auf zu labern, Fredrik! Ich will nach Hause! Und wenn ich schwimmen muss!«

      In dem Augenblick wurden sie von einem Geräusch abgelenkt und drehten allesamt die Köpfe in die Richtung, aus der es kam; ein abgehacktes, stotterndes Motorenbrummen. Sie konnten nicht gleich erkennen, woher es rührte, weil das Focksegel die Sicht versperrte, aber kurz darauf entdeckten sie in einiger Entfernung einen alten Kahn, der direkt auf sie zuhielt.

      Fredrik stellte sich hin und fuchtelte wild mit den Armen.

      »Hallo!«, rief er.

      Der Mann in dem alten Kahn legte das Steuer um und trat gegen einen Kasten vor seinen Füßen, worauf der Motor einen Gang runterschaltete. Er hielt sich mit seiner breiten Hand an der Reling des Segelbootes fest.

      »Na, habt ihr eine Motorpanne?«

      Wie sich rausstellte, hatte er sie von seinem Steg aus beobachtet.

      »Hab gedacht, ich geb euch noch ’ne Stunde, wenn ihr dann immer noch nicht gestartet und aus der Bruthitze raus seid, dann stimmt was nicht mit dem Motor!«

      Er grinste. Er war schätzungsweise Anfang dreißig, sein nackter Oberkörper war braun gebrannt. Er trug ein Goldkettchen um den Hals und ausgewaschene Jeans. Fredrik sagte knapp: »Stimmt. Irgendwas ist mit dem Motor nicht in Ordnung.«

      »Soll ich mal ’n Blick drauf werfen?«, СКАЧАТЬ