Absolvo te!. Clara Viebig
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Название: Absolvo te!

Автор: Clara Viebig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711466735

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СКАЧАТЬ fand sie sich selber nicht hübsch, wenn sie vorm Spiegel ihre rotblonden, krausen Zöpfe flocht. Schwarz wie Ebenholz und glatt wie Seide war das Haar der Mutter, und doppelt schön erschien ihr deren gelbliches Weiss mit dem Hauch von Rot auf den Wangen gegen die eigenen Sommersprossen. Die Halbwüchsige sehnte sich, schön zu sein, warum, das wusste sie selber nicht; es gab ihr eine gewisse Niedergeschlagenheit und Gedrücktheit, dass sie eben nicht schöner wurde, so inbrünstig sie auch darum betete. Alle Abend kniete sie vor ihrem Bett in der Kammer, die sie mit Marianna teilte, und hob die Hände und flehte und wusste selber nicht recht, um was alles.

      Marianna war auch eine gläubige Christin, und oft, wenn sie schon lange im Bett lagen, erzählte sie dem aufgeregt lauschenden Kinde noch von allerlei Zeichen und Wundern, von Besprechungen und Heilungen, von all den merkwürdigen Begebenheiten, die sich da und dort in der Gegend zugetragen hatten.

      Hatte nicht ein Besitzer, der Herr Kiebel, als er letzten Jahrmarkt von Wronke nach Obersitzko fuhr, hinter sich im Walde tuten hören, nicht weit vom neuen Judenkirchhof? ‚Tut, tut, tut!‘ Aber er war abgestiegen und hatte vor die zitternden Pferde und neben und hinter den Wagen — rund herum — lauter Kreuze mit dem Peitschenstiel in den Schnee gezeichnet, da war der Nachtjäger an ihm vorübergesaust mit ‚Tut, tut‘ und Gebell und schrecklichem Gejage. So stark war das Flattern seines Mantels gewesen, dass es Pan Kiëbelski beinahe vom Wagen heruntergeweht hätte; aber die Kreuze schützten den Frommen, der Nachtjäger musste weiter.

      Und bei Ossówiec war ein Berg, auf dem hatten die Hexen im vergangenen Juni sich versammelt und würden es nun bald wieder im Dezember tun und beratschlagen, wo sie überall hinfahren wollten in Staub und Wind. Aber malte man an Türen und Wände ‚K M B‘, die Anfangsbuchstaben der heiligen drei Könige, so konnten sie nicht hinein, und dann konnte einem keine Hexe ’was in den Teller spucken. Oder aber man brauchte auch nur, ehe man ass und trank, bei sich zu sprechen: ‚Gesegne es Gott‘, dann schadete kein Hexenwerk, Gott hielt seine Hand über den Teller gereckt.

      Gott Vater — wer fleissig zu ihm betete oder zu Jesus Christus, seinem Heiligen Sohne, oder zur Hochheiligen Mutter Maria, der brauchte auch den Teufel nicht zu fürchten, der vor vier Wochen in Latalice, nördlich von Gradewitz, dein Müller Kiërski, der immer fluchte und so fleissig trank, hinter seiner Scheune auf dem Mist in der Mitternacht beinahe den Hals umgedreht hätte. Ganz steif hatte er schon dagelegen und ganz blau im Gesicht; wenn nicht Sankt Petrus Hahn auf das Mühldach geflogen wäre und da dreimal gekräht hätte, sodass der Teufel vermeinte, der Haushahn krähe schon den Morgen an, so hätte man Müller Kiërski mit herumgedrehtem Kopfe, das Gesicht im Rücken, mausetot gefunden; seine Seele aber wäre schon in der Hölle gewesen.

      Marianna glaubte fest daran, dass die Nachtgespenster auch hier in den Fichten schrieen, dass die Hexen in den Winden tanzten, die draussen fauchten; vor allem aber, dass der Teufel, der unten im Przykop wie ein Irrlicht umherlief, gern ins Haus hinein wollte, um sich eine Seele zu holen für seine Hölle. Aber auch, wenn sie selber nicht so fest an all dies geglaubt hätte, so wäre es ein Vergnügen für sie gewesen, dem zitternden Kinde, das längst aus seinem Bett in das ihre gekrochen war, und sich dicht an sie schmiegte, allerlei Seltsames zuzuwispern. Immer abenteuerlicher wurden die Erzählungen, immer schauriger. Die Stunde der Nacht, das Stöhnen des Windes, das Klagen der Käuzchen, die in den alten Fichten am tiefen Grund hockten, vor allem aber die Dunkelheit der Kammer, die Schneestille, die Abgeschiedenheit, befruchteten die Phantasie der Magd. Alles gewann ein Gesicht und belebte sich; in jedem Baum seufzte ein Wesen, aus jedem Stein sprach eine Stimme, unter jedem Acker rang ’was nach Luft, in jedem Tümpel lauerte etwas Zweige, die an die Scheiben klopften, waren die Finger Abgeschiedener, Sterne, die über’s Haus zogen, waren wandernde Seelen, und Wolken und Winde waren der Prophezeiungen voll. Als sie noch ein Kind gewesen war, so versicherte Marianna, und ins Korn gelaufen war, um Ähren zu raufen und sich von den roten Mohnblumen einen Kranz zu binden, da hatte der Zagak sie beinahe gegriffen, ein grosser Mann mit einem Knotenstock, mit einem zerlöcherten Hut auf seinem Kopf und mit Schuhen, aus denen die Zehen heraussahen. Wäre da nicht zufällig ein Bauer, ein frommes Lied singend, in der Nähe vorbeigefahren mit knarrenden Rädern, so hätte der Zagak nicht von ihr abgelassen. So war sie davongekommen mit dem blossen Schrecken und mit einem zerrissenen Rock. Ihr schauderte noch, wenn sie an den Zagak dachte — hu, hu! Gut, dass der Mann nicht hier herein ins warme Bett zu ihr konnte! In wollüstigem Schauer rüttelte sich die üppige Magd, und sie und das Kind schlossen sich enger aneinander.

      Dann krampften sich Rózyczkas Fingerchen fest um Mariannas derbe Finger, und sie singen alle beide an zu beten aus Leibeskräften. Was blieb ihnen weiter übrig in Nacht und Einsamkeit, umgeben von bösen Geistern, die sich in der Finsternis überall hervorstahlen?! Sogar aus des Menschen Brust. Nur Beten rettete. Und sie beteten und beteten.

      Dann liefen über Rózyczkas zartes Gesicht Schweisstropfen und Tränen, und ihre Glieder zuckten. Ach, wenn doch die Gottesmutter käme und sie unter ihren blauen Mantel nähme! Ihr war so bang, so weh. Der Kopf schmerzte sie, der Rücken und die Brust auch, der Hals wurde ihr eng, ordentlich schwer fiel ihr das Schlucken; wie Fieber brannte es ihr in den Augen.

      „Heilige Maria, Gottesmutter!“ Die angstvollen Augen des Kindes, die kaum über das Deckbett wegsahen, so hoch hatten sie sich’s heraufgezogen, bohrten sich ins Dunkel. „Alle guten Geister loben Gott! Liebe Heilige Mutter, gegrüsst seist du, Maria“ — — — ah, da war sie ja, da stand sie ja im Dunkel und nickte!

      Das Dunkel war auf einmal kein Dunkel mehr, und das Klopfen der Finger am Fenster und das Ächzen des Windes ums Haus verloren auf einmal das Schreckliche. Ei, wie lieb war die Gottesmutter, wie sanft, und so schön! Sie nahm das verängstigte Kind in ihren Schutz und lächelte ihm zu, bis seine brennenden Augen zufielen, bis ein herrlicher Traum, der noch kein fester Schlaf war, aber doch ein wohliges Hindämmern, seine Seele mit einem süssen Schreck erfüllte. —

      Kein Wunder war es, dass Rózia Tiralla, als ihr Vater heute abend mitten im Schäkern mit ihr wieder zu jammern anhub: „O, was habe getan, o, o, die Angst! Keine ruhige Stunde habe ich mehr! Der Teufel hat bei so ’was die Hand im Spiele —“ sehr ernsthaft sagte: „Warum hast du Angst? Rufe die Gottesmutter an, die trägt einen blauen Mantel, darein wickelt sie dich. Ich habe auch oft Angst, aber dann habe ich keine Angst mehr. Soll ich sie rufen?“

      „Ja ja!“ Herr Tiralla, der zu anderen Zeiten laut gelacht haben würde, nickte heute heftig. Und dann flüsterte er dem Kinde ins Ohr, so leise, dass seine Zosia, die am Tisch wie auf dem Sprunge stand und lauschte, nichts verstehen konnte: „Ich habe Angst, ich weiss nicht warum. Bete, bete!“

      Rózia rutschte vom Bett herab, kniete nieder auf dem Rehfell davor und hob die zusammengelegten Hände zu ihrem blassen Mund. Sie betete inbrünstig. Es waren die alten, tausendmal gebeteten, mechanisch hergesagten Gebete, aber von ihren Lippen bekamen sie Feierlichkeit. Des Mädchens dünne Stimme wurde tiefer und klangvoller. Das rötliche Haar bauschte sich locker um die Schläfen, der Lampenschein fiel darauf; es war wie ein Strahlenkranz.

      Frau Tiralla hob den Kopf und sah die Tochter an; sah sie an und stutzte, herausgerissen aus Gedanken, die sie durchstürmten mit einer solchen Unwiderstehlichkeit, dass sie schwach wurde, unfähig zu jedem Widerstand. Ei ja, da war Rózia und da Rózias Vater, aber ganz war Rózia doch nicht ihres Vaters Ebenbild — ah, die hatte auch ’was von ihr! Und Frau Tiralla fühlte sich wie mit Zauberkraft um zwanzig Jahre verjüngt, sah sich in ihres Propstes stiller Studierstube und vernahm wiederum die wunderbaren Dinge, mit denen er sie so unwiderstehlich an sich gefesselt hatte. Still hatte sie dabei gesessen, aber heiss war sie geworden und rot; noch jetzt fühlte sie, wie das Blut ihr damals zu Kopf geschossen war wie im Rausch.

      Ach ja, die da, das Mädchen da, bei Gott, die musste Nonne werden! Das krause Haar, das im Lampenschein flimmerte, würden sie ihr abschneiden und unter den Brautschleier der Kirche tun; die Linnenbinde würde die Stirn bedecken und das Kinn. Nur das feine Näschen guckte hervor und die blauen Augen — ah, wie lieblich СКАЧАТЬ