Absolvo te!. Clara Viebig
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Название: Absolvo te!

Автор: Clara Viebig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711466735

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СКАЧАТЬ Scheitel. —

      Heute abend war Rózia glücklich. Ihre Mutter hatte zur guten Nacht sie gar geküsst, und ihr war dabei, als durchzucke sie eine Flamme. Heute mochte sie nicht Mariannas Geschichten hören, nach denen sie sonst immer verlangte. ‚Ich will nur beten,‘ sagte sie. Und sie betete, dass ihre Mutter ihr doch immer lächeln möge. Sie bewunderte sie ja so sehr, ihren schlanken Wuchs, ihr schönes Haar und ihre samtigen Augen. Niemand war so schön wie die Mutter, nur die Gottesmutter noch!

      Während Rózia noch betete, fielen ihr schon die Augen zu, und im Eindämmern sah sie plötzlich die Gottesmutter am Bette stehen. Die hatte ganz genau dasselbe Gesicht wie die Mutter und trug auch dasselbe Kleid, einen dunkelblauen Rock und eine hellrot gestreifte Bluse. Und die Gottesmutter beugte sich über sie, so dicht, dass sie deren warmen Atem an ihrer Wange fühlte — die horchte wohl, ob sie schon schliefe. Dann richtete sich die Gottesmutter wieder auf und horchte hinüber nach dem Bette, in dem Marianna längst schnarchte, und dann ging sie leise zur Tür hinaus. O, wie schön, wie schön war doch die Gottesmutter! Mit lallenden Gebetsworten auf den Lippen schlief die Kleine fest ein.

      Aber Marianna schlief nicht, wenn sie sich auch so gestellt hatte. Was hatte denn nur Frau Tiralla, dass sie bei nächtlicher Zeit durchs Haus wanderte?! Das Ohr des Landmädchens, das scharf war wie das des Waldtieres, hörte das leise Tappen treppauf, treppab — der Ruhelosen Umhergehen durch die Räume. Warum schlief die Herrin nicht? Und was hatte sie vorhin hier oben gewollt, hier oben bei ihnen in der Kammer?! Die trieb ’was um!

      Als das Kind gleichmässig und tief atmete, setzte sich die Magd aufrecht im Bett und legte die Hand hinters Ohr: nun war die Frau in der Küche — psia krew! — was rappelte die denn so mit der Kaffeemühle? Oder war es die blecherne Dose, in der sie den Zucker verwahrten, mit der sie so klapperte?!

      „Alle guten Geister!“ Marianna schlug ein Kreuz — sollte die da unten wohl dem Teufel zu Gefallen sein?! Gift hatte der Herr mitgebracht aus Gnesen — Rattengift! Die hurtigen Augen der Magd hatten die Schachtel wohl auf dem Tisch stehen sehen, die weisse Schachtel aus der Apotheke mit dem schwarzen Totenkopf darauf. Wenn die da unten nun dem Herrn ’was davon in den Kaffee mahlte oder unter den Streuzucker mischte, den er, ein ganzes Schälchen voll, in seine Tasse zu schütten liebte?! Heilige Mutter!

      Ganz klein machte sich die Magd im Bett und zog sich das Deckbett bis über die Ohren. Sie wollte nichts sehen, sie wollte nichts hören. Was ging sie’s an?! Der Herr war gut, die Herrin war aber eigentlich auch gut, es war immerhin eine schwere Sache für einen armen Dienstboten, der noch dazu zwei Kinderchen auf dem Halse hatte, sich ganz auf die eine Seite zu schlagen. Es war besser, man verhielt sich nach beiden Seiten!

      Aber obgleich Marianna zuletzt beide Zeigefinger in die Ohren steckte — das dicke Federbett genügte ihr noch nicht — so hörte sie das ruhelose Hin und Her doch. So ging’s bis gegens Morgengrauen, sie konnte darüber nicht schlafen. Das war ihr sonst kaum je passiert, dass sie eine Nacht nicht völlig verschnarcht hätte; heute krähte schon der Haushahn auf dem Mist, und die Kühe brüllten dumpf, als sie endlich eindruselte.

      Sie hatte sich gründlich verschlafen; als sie nach ängstlichen Träumen auffuhr, stand Rózyczka schon vor dem Spiegelscherben und flocht ihre beiden Zöpfchen, und vom Hofe herauf klang schon Holzschuhgeklapper, und die Kette, an der Jendrek den Wassereimer aus dem Brunnen zog, klirrte.

      „Jesus Maria!“ Ärgerlich fuhr Marianna aus dem Bett und herrschte die Kleine an: „Warum wecktest du mich nicht, du Kobold?“

      „Gerade, jetzt gerade wollte ich es tun,“ entschuldigte sich Rózia, die in ihrem kurzen Unterröckchen und den blossen Schultern noch recht unentwickelt und dürftig aussah. „Gerade wollte ich dich anstossen!“

      Aber man sah es Rózia an, sie hatte gar nicht daran gedacht, die Magd zu wecken, ihre Gedanken waren anderweitig in Anspruch genommen. Sie träumte eben weiter mit offenen Augen. Ach, wenn sie doch sagen dürfte, was sie geträumt hatte! Es war so schön gewesen! Die Gottesmutter hatte ihr das Jesuskind zu halten gegeben, und sie hatte das weiche, warme Körperchen an ihrer Brust gefühlt. Wie es sich anschmiegte! Selig lächelte die Halbwüchsige in den blinden, seifen-bespritzten Spiegelscherben hinein.

      Marianna rannte ungewaschen, ungekämmt hinab in die Küche. O weh, da stand schon die Herrin, sauber frisiert und niedlich wie immer, am Herd! Hatte sie wohl gar schon den Kaffee gemacht?!

      Frau Tiralla sprach: „Der Kaffee ist fertig, du kommst ja so spät!“ Aber sie schalt nicht über’s Verschlafen, sondern händigte der Magd das Tablettchen ein, darauf die Kaffeetasse stand, gross wie ein Kübel: „So, das trage ihm nun hinein. Gesüsst ist schon!“

      Mit aufgerissenen Augen sah Marianna die Herrin an. Alle Verschlafenheit war plötzlich von ihr gewichen; alles, was sie heute Nacht sich ausgedacht hatte, fiel ihr auf einmal wieder ein. Sie stotterte etwas und stand noch, bis die Herrin lachend rief: „Aber so bringe es ihm doch, was stehst du so dümmlich?!“

      „Nein, es konnte nicht sein, dass einer, der ’was Giftiges in den Kaffee getan hatte, so lachen konnte; Marianna war ziemlich beruhigt. Aber als sie das Tablett über den Ziegelflur trug, schlug sie zur Sicherheit doch lieber ein Kreuz darüber: „Gesegne es Gott!“ Nun schadete es nichts! Und als ihr der Kaffee warm und stark in die Nase duftete, konnte sie sich nicht enthalten, rasch einen Schluck zu tun. Sie war noch so nüchtern, was Warmes würde gut tun! Ei, und war der Kaffee mal stark; trotzdem er gesüsst war, schmeckte er noch so bitter — pfui! Aber gut war er doch! Noch einmal einen ordentlichen Schluck.

      Da schrie innen Herr Tiralla: „Psia krew, Frauenzimmer verdammtes, du naschest wohl, dass ich meinen Kaffee nicht kriege!“ Ein Stiefel, von kundiger Hand geschleudert, flog durch die halbgeöffnete Tür der Marianna mitten vor die Schürze. Da schrie sie hell auf und liess das Tablett fallen; auf ihre Füsse, auf den Ziegelflur hinab floss der gesüsste Kaffee.

      „Psia Krew!“ Ein zweiter Stiefel kam geflogen. Die Tür sprang nun vollends auf, und man sah Herrn Tiralla auf seinem Bettrand sitzen, im kurzem Hemd, und mit den blossen Beinen nach den Pantoffeln angeln, die unters Bett gerutscht waren.

      Auf der Schwelle stand die Magd, ganz begossen.

      Herr Tiralla brach in ein schallendes Gelächter aus. „Du bist ein Tolpatsch, du bist ein Ungeschick!“ schrie er und klatschte sich die Lenden. „Bei Gott, nie habe ich ein dümmeres Schicksel gesehen! Glotze mich nicht so dummlich an — na na, zu heulen brauchst du nicht gleich! Geh, hole neuen Kaffee!“

      „Die Pani wird mich schlagen!“ schluchzte das Mädchen. „Hab ich Angst, o, hab ich grosse Angst!“

      „Frau,“ rief Herr Tiralla, der besonders gut ausgeschlafen hatte, „Frau, das dumme Mondkalb hat den Kaffee vergossen — Zoschchen, schlage sie nicht!“

      Schon war Frau Tiralla zur Stelle; sie wurde totenblass, als sie den gesüssten Kaffee am Boden rinnen sah wie ein braunes Bächlein, und wurde dann glühend rot.

      Schon duckte sich die Magd: jetzt würde die Herrin losschlagen! Aber sie schlug nicht los. Sie erhob nicht einmal drohend die Hand, sie sagte nur: „Es hat nicht sollen sein. Mache ihm einen anderen Kaffee!“ Holte dann selber einen Lappen, wischte selber auf, las die Scherben zusammen und sagte kein Wort weiter.

      Marianna war ganz verwirrt: noch nie hatte sie einer Herrschaft etwas zerschlagen, ohne dass sie dafür einen Denkzettel bekommen hätte — und heute nicht mal eine Ohrfeige, nicht mal die Androhung einer solchen! Marianna ging umher wie ein witternder Hund: hier ging ’was nicht mit rechten Dingen zu! Hier war es nicht geheuer! Sie belauerte die Herrin. Aber die sass drinnen in der Stube beim Fenster und las; der Herr war hinaus anfs Feld gegangen, СКАЧАТЬ