Название: Vertrauen gegen Zweifel
Автор: Nora Wolff
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Co-Working-Space
isbn: 9783958238664
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Ein schneller Seitenblick in meine Richtung. Hitze flutet meinen Körper wie Lava. Gerade fühle ich mich, als würde ich bereits in einer Sauna sitzen. Hat er wirklich vor, mit mir zusammen da reinzugehen? Stellt er sich gerade vor, wie wir...
So unauffällig wie möglich atme ich tief durch, um meine Fantasie zu stoppen, die bei dem Wort Sauna wie eine Lawine ins Rollen geraten ist.
Stattdessen sehe ich betont gleichmütig aus dem Beifahrerfenster. »Hm-hm. Schade.«
»Ja. Sehr.« Ein kurzes Räuspern. »Ich bin noch nie in einer vergleichbaren Unterkunft gewesen.«
»Ich schon.« Als ich mich wieder einigermaßen im Griff habe, sehe ich wieder nach vorne zur Windschutzscheibe hinaus. »Ist aber lange her.«
Mein erster Urlaub mit Marvin. Von dem ich nicht mal einen Bruchteil selbst bezahlt habe, was mir später von allen Seiten vorgeworfen wurde.
»Tatsächlich? Hätte ich bei dir nicht gedacht.«
Mit einer hochgezogenen Augenbraue sehe ich ihn an. »Du meinst, wegen der Tattoos? Da bin ich eher der all-inclusive Feier- und Fickurlaub-Typ?«
Obwohl normaler Verkehr auf der Autobahn herrscht, sieht er mich definitiv zu lange an. »Ich habe nichts gegen deine Tattoos.« Er richtet seine Aufmerksamkeit zurück zur Straße. »Ich hoffe, dass ich dir nicht irgendwie diesen Eindruck vermittelt habe.«
»Nein.« Eher im Gegenteil. Manchmal, wenn ich die Ärmel hochgekrempelt habe, schaut er zu lange hin. Der Feuer speiende Drache links, die Fischflosse mit den Wasserblasen rechts. Als würde er sich ausmalen, wie es unter dem Stoff weitergeht. »Aber dem Vorurteil begegne ich oft.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Abermals schleicht sich Stille von der Rückbank an uns heran, aber ich will ihr nicht zu viel Raum geben, jetzt wo Robert sich endlich an halbwegs private Gesprächsthemen herantastet.
»In welche Kategorie hättest du mich gesteckt?«
»Eher etwas Richtung Natur. Wandern, Camping, Selbstversorgerhütte.«
Ich muss lachen. »Ich glaube, ich war das letzte Mal in der zehnten Klasse beim Schulausflug Wandern. Wie kommst du da drauf?«
Ein Lächeln huscht über seine Züge, ehe er ein Schulterzucken andeutet. »Ich weiß nicht. Du wirkst auf mich wie ein Läufer.«
»Ein Läufer?«
»Groß, schlank.«
»Das sind nur gute Gene. Abgesehen vom Tanzen bin ich Bewegungsmuffel, seit ich festgestellt habe, wie schwer ich Muskeln aufbaue.«
Ich habe mal davon geträumt, so auszusehen wie Kev, habe das inzwischen aber abgeschrieben. Zum Glück lege ich genauso schwer Gewicht zu wie Muskeln.
»Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass du freiwillig bei einem Start-up arbeitest. Wenig Geld, viel Arbeit, großes Risiko. Noch dazu bei einem Unternehmen, das sich mit nachhaltigem Reisen beschäftigt.«
»Na ja. Ich wurde dir ja quasi vermittelt.«
»Von Viktor.« Robert nickt. »Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«
»Über gemeinsame Bekannte.«
Er stutzt. »Damit hätte ich nicht gerechnet. Ihr scheint euch nicht unbedingt in denselben Kreisen zu bewegen.« Bevor ich etwas darauf erwidern kann, hebt er kurz die Hand. »Ohne schon wieder Vorurteile bedienen zu wollen. Das ist nur eine Beobachtung.«
»Du hast ja recht. Ich habe mit einem seiner Freunde studiert.« Ich zögere, aber da wir gerade so zwanglos in dieser lockeren Unterhaltung stecken, möchte ich das ausnutzen. »Mit meinem Ex, um genau zu sein.«
Nur für den Fall, dass er nach einem Dreivierteljahr nicht mitbekommen haben sollte, dass ich schwul bin.
Überrascht wirkt er jedenfalls nicht. Er nickt nur knapp. »Verstehe.«
Verdammt. Als würde er dem Gespräch direkt wieder einen Riegel vorschieben.
»Aber wo wir gerade dabei sind… Viktor und du scheint euch auch nicht unbedingt in denselben Kreisen zu bewegen.«
Robert kann ich mir ohne Probleme in einer Selbstversorgerhütte auf einem einsamen Berg nach stundenlanger Wanderung vorstellen – Viktor nicht. Sein letztes Urlaubsziel war Monaco. Wellness, Yachtausflüge, Casinobesuche.
Da Robert nichts darauf erwidert, fahre ich fort: »Für Brüder, meine ich.« Jetzt sieht er mich kurz an. Ich lächle. »Auch nur eine Beobachtung.«
Wenn auch eine, die mich von unserer ersten Begegnung an beschäftigt. Bisher hat sich nie eine Gelegenheit geboten, mit Robert darüber zu reden – zu persönlich. Oder gar mit Viktor. Zu auffällig angesichts meiner Schwärmerei. Und wahrscheinlich auch zu persönlich für unseren Bekanntschaftsgrad, obwohl er der einzige Freund ist, der mir nach der Trennung von Marvin aus diesem Bekanntenkreis geblieben ist.
»Das könnte daran liegen, dass wir keine Brüder sind.«
Um ein Haar wäre mir die Kinnlade runtergefallen. »Was? Aber...« Ich bin so verdattert, dass mir die Worte fehlen.
»Wir sind Stiefbrüder.« Robert runzelt die Stirn. »Hat Viktor das nie erwähnt?«
Ich komme mir ziemlich bescheuert vor, als ich das jetzt verneinen muss. Was sagt das über Viktors und meine Freundschaft aus?
»Offenbar macht das für ihn keinen Unterschied. Er hat dich immer nur als seinen Bruder bezeichnet.« Nachdenklich betrachte ich Robert. Ja. Das erklärt eine Menge. »Stiefbrüder. Also nur zusammen aufgewachsen, nicht miteinander blutsverwandt.«
»Genau.«
Ich hätte wissen müssen, dass er das nicht weiter ausführen will. Trotzdem warte ich ein paar Sekunden, ob er mir doch noch mehr erzählen möchte – erfolglos.
Ich hake nicht nach, obwohl sich das anfühlt, als würde man bei einem Film an einer spannenden Stelle auf Pause drücken, ohne zu wissen, wann man weiterschauen wird. Mit einem Wort: frustrierend. Aber damit kenne ich mich im Zusammenhang mit Robert mittlerweile ja aus. Und ich weiß auch, wie ich vielleicht doch noch etwas mehr aus ihm herausbekommen kann, wenn auch auf Umwegen.
»Wenn ihr nicht miteinander verwandt seid, wie kam es dazu, dass du travele bekommen hast? Ursprünglich gehörte es doch zu Ferienwunder?«
»Dort hat es mit seiner Ausrichtung aber nicht hingepasst. Siegfried, Viktors Vater, hatte immer vor, travele zu einer eigenständigen Firma auszubauen, aber keine Zeit, sich darum zu kümmern. travele war sein Herzensprojekt, wenn man so will. Mit Ferienwunder hat er Geld verdient.«
Eher Geld gescheffelt. Mit so einer Gelddruckmaschine konnte er sich Experimente wie mit travele locker leisten. Wahrscheinlich hat er nie mit der Wimper gezuckt, wenn er travele mit einer weiteren Investition über die schwierige Anfangszeit hinweg helfen musste.
Anders als Robert, der alles daran setzt, damit sich die Firma selbst trägt. Weil er wahrscheinlich gar kein Geld hat, das er СКАЧАТЬ