Geschichten aus Nian. Paul M. Belt
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Название: Geschichten aus Nian

Автор: Paul M. Belt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: NIAN-ZYKLUS

isbn: 9783947086580

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СКАЧАТЬ noch eine Spur Licht in ihm ist, hat er somit nicht die Gelegenheit, sich gedemütigt zu fühlen und dadurch weitere Angriffe zu rechtfertigen.“ Martin wünschte sich, dass noch eine Spur Licht in allen Menschen sei, während er weiterhin leicht gebückt um Mauerreste und andere Trümmer herum auf dem ehemaligen Bürgersteig lief. Dort vorn, weniger als einen Kilometer entfernt, begannen hinter dem äußeren Ring die Randbezirke Kippstadts, wo es keine Wasserführungen mehr gab und daher auch kaum Meuten hausten. Es würde dann nicht mehr weit bis zu Oskar sein.

      Die Kneipe

      Es war schon eine Weile her, seit Martin das letzte Mal hier gewesen war. Schon damals war diese Kaschemme das einzige noch einigermaßen nutzbare Gebäude in diesem Außenbezirk gewesen. Nun aber, so stellte er fest, wirkte das Haus fast ebenso verfallen wie die umgebenden Ruinen. Mit gemischten Gefühlen und einem zum Strich gezogenen Mund ging er darauf zu und betrat die Kneipe durch den alten Holzeingang, dessen Tür leicht klemmte und beim Öffnen kratzende Geräusche von sich gab. Schummrig war es hier drinnen, obwohl es Mittag war und die Sonne hoch am Himmel stand. Die wenigen Fenster waren entweder mit Lamellenplatten oder mit Brettern vernagelt worden, der Fußboden bestand aus alten, abgewetzten Holzpaneelen. Lampen, welche früher einmal elektrisches Licht geliefert haben mochten, hingen verstaubt und nutzlos an der Decke. Ansonsten gab es im Gastraum außer Bretterverschlägen, die als Raumteiler dienten, nur Tische und Bänke, und über allem hing ein muffiger Geruch nach Rauch und verschlissenen Sitzpolstern. Auf der Theke allerdings brannten zwei große Kerzen und auf hohen Hockern davor saßen drei Menschen, die sich mit dem Wirt, einem älteren Mann mit schütterem grauen Haarkranz und gekrümmtem Rücken in einem karierten Hemd, unterhielten. Alle drehten sich nun herum, um zu sehen, wer dort durch die Tür gekommen war.

      „Grüß dich, Oskar“, begann Martin und nickte dem Wirt zu. „Hoffe, der Laden brummt?“

      Bevor der Angesprochene antworten konnte, waren zwei der Leute am Tresen von ihren Hockern gesprungen und rannten nun zu einer Seitentür, durch die sie hastig aus der Gaststube flohen. Der dritte trug einen dunklen Mantel mit über den Kopf gezogener Kapuze. Er wirkte zwar auch nicht angenehm überrascht, reagierte aber wesentlich ruhiger und schien die Eingangstür hinter Martin ins Auge zu fassen, um zu sehen, ob weitere urgalanische Kämpen hindurchtreten würden.

      „Na, kommst du, um meine Kunden zu vergraulen?“, sagte Oskar in resigniertem Tonfall und mit einem ironischen Zug um die Mundwinkel. „Jahrelang sieht man dich nicht, und dann marschierst du einfach so hier herein. Hast du deine wüsten Kumpels auch mitgebracht?“

      Gut. Offenbar hatte sich die Nachricht über den Ausgang ihrer Mission noch nicht bis hier herumgesprochen. Oskars Kneipe war immer einer der ersten Plätze gewesen, an denen man von solchen Dingen erfuhr. Das bedeutete, man sah ihn hier immer noch als Mitglied einer mächtigen und brutalen Armee – ein wichtiger psychologischer Vorteil. „Sie sind andersherum gegangen. Ich wollte aber hierherkommen, weil mir mein Proviant auf See verloren gegangen ist“, erwiderte Martin. Die Augen dieses Burschen an der Theke gefielen ihm gar nicht. Generell waren ihm Menschen suspekt, denen man nicht ins Gesicht sehen konnte und die sich am helllichten Tage verhüllt in Spelunken wie dieser herumtrieben. Meist hatten sie nichts Gutes im Sinn.

      Oskar begann hämisch zu lachen. „Du scheinst tatsächlich vergessen zu haben, dass die Küche seit Jahren geschlossen hat. Das war bei deinem letzten Besuch so und bei diesem ist es das immer noch. Oder glaubst du, dass hier in der Nachbarschaft“, er holte mit einem Arm weit aus, „plötzlich der Wohlstand ausgebrochen ist?“

      „Lass das Gequatsche. Ich weiß, dass du immer noch etwas im Schrank hattest, auch wenn du schon ewig nichts mehr für Gäste brutzelst“, sagte Martin in einem etwas schärferen Ton.

      Der Wirt zuckte mit den Achseln. „Tut mir leid, mein Junge, aber dieses Mal bist du umsonst gekommen. Das Pack aus der Stadt hat mir die längste Zeit meinen Laden ausgeräumt. Seit ich nichts mehr vorrätig habe, bleiben sie weg. Wenn du willst, kannst du etwas zu trinken haben.“ Er holte eine Flasche hinter der Theke hervor und stellte sie darauf. „Ansonsten würde ich sagen, du verschwindest besser wieder dahin, wo du hergekommen bist.“

      Die Gestalt am Tresen bewegte sich unvermittelt und griff nach der Flasche. Ohne Martin auch nur eine Sekunde aus dem Auge zu lassen, schenkte sich der Bursche sein Glas voll und stellte die Flasche dann wieder ab. In Martins rechtem Arm hatte es kurz gezuckt. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine zerbrochene Flasche sich plötzlich in eine Waffe verwandelte, die sich gegen ihn richtete. Was mochte dieser unheimliche Kerl nur vorhaben? Bisher hatte er noch nicht ein Wort gesagt.

      Irgendetwas stimmte hier nicht. Oskar hatte natürlich irgendwo Vorräte versteckt, alles andere hätte nicht zu ihm gepasst. Das aber konnte nur eines bedeuten: Wer immer der Typ auf dem Hocker war, er sollte das nicht wissen. Vielleicht wollte Oskar ihn selbst mit dieser Tour sogar schützen … Es war für ihn eindeutig Zeit zu gehen und vielleicht später noch einmal zu erscheinen. „Mein Sold reicht nicht für dieses elende Zeug“, sagte Martin und nickte der Flasche zu. „Wenn du nichts zu beißen hast, geh ich eben wieder und frag auf dem Weg weiter.“ Gerade wollte er sich umdrehen, als etwas äußerst Merkwürdiges geschah: Die verhüllte Gestalt stand auf, griff an ihre Seite und riss sich dann mit einem einzigen Ruck den Kapuzenmantel vom Körper. Noch während er zu Boden sank, wurde Martin einiges klar.

      Vor ihm stand eine schlanke und hochgewachsene dunkelhaarige Frau im schwarzen Kleid einer Karnola des Königs, an ihrem Gürtel das typische blitzende Rundwurfschwert. Diese äußerst gefährliche Waffe ließ sich im Nah- und Fernkampf einsetzen. Manche Mitglieder des Geheimbundes der Karno hatten sich sogar darauf verlegt, das Schwert so zu werfen, dass es nach Verrichtung der Dinge wieder zu ihnen zurückkehrte. Nur wer exzellent trainiert war, konnte so ein kreiselndes Objekt wagen zu fangen.

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      Oskar wurde leichenblass und duckte sich mit schreckensstarrem Gesicht hinter seine Theke. Auch Martin war mit einem Mal mulmig zumute. Seine Gedanken rasten. Karno-Angehörige waren fast immer weiblich, eiskalt und wurden vom König niemals ohne konkreten Auftrag oder Ziel entsandt. Um Oskar konnte es sich dabei nicht handeln, denn er hatte offensichtlich nicht gewusst, wer da die ganze Zeit über an seiner Bar das vermutlich selbstgebrannte Zeug aus seiner Flasche geleert hatte. Also hatte es etwas mit ihm zu tun …

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      „Kämpfer, wie ist dein Name?“, fragte die Karnola herrisch.

      „Martin“, antwortete der Angesprochene mit so fester Stimme wie möglich.

      „Der vollständige Name!“, fauchte sie mit blitzenden Augen. „Und dein Auftrag!“

      „Martin Darian Kalder, verehrte Karnola“, erwiderte er. „Ich bin Träger einer Botschaft für Kraton den Edlen, unseren ehrenwerten König.“

      Die Karnola schritt nun langsam um ihn herum. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich allmählich zu einem herablassenden Lächeln. „Wenigstens hast du nicht vergessen, was sich gehört“, sagte sie schließlich ein wenig versöhnlicher. „Nenne mir deine Botschaft.“

      Von so viel Dreistigkeit war Martin nun aber doch überrascht. „Karnola, Ihr wisst, dass ein Herold mit einer Botschaft für den König diese ausschließlich ihm selbst mitteilen darf. Wenn ich Ihnen den Inhalt offenlegte, hätte ich mein Leben verwirkt.“

      Die Karnola wirkte zufrieden. Nachdem sie noch ein paarmal hin und her geschritten war, hob sie erneut an zu reden: „In Ordnung, Herold. Du bringst vermutlich Kunde von der Eroberung zum Palast nach Urlich. Weshalb СКАЧАТЬ