Geschichten aus Nian. Paul M. Belt
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Название: Geschichten aus Nian

Автор: Paul M. Belt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: NIAN-ZYKLUS

isbn: 9783947086580

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СКАЧАТЬ welches sie in letzter Zeit so oft zeigen durfte.

      Sie schritt mit Sus landeinwärts durch den Küstenwald, dessen herrlicher Pinienduft ihr Herz jedes Mal mit Freude erfüllte. Dies waren wirklich großartige Zeiten. Der Aufbruch aller Seelen im Lande hin zu neuem Bewusstsein hatte begonnen, die alten Regeln und Verhaltensweisen würden hinweggespült werden wie die Riesenschiffe auf dem Meer. Dennoch würde es kein Spaziergang werden. Jedes bedeutende Geschehnis barg die Aussicht, Licht in den Herzen zu erwecken, das zur Erkenntnis und zum Leuchten der Liebe führen, aber ebenso auch die dunklen Bereiche im Innern schonungslos offenlegen konnte. Jeder würde für sich entscheiden dürfen, welchem Weg er folgen wollte. Ganz besonders schwierig würde diese Entscheidung für diejenigen werden, die besondere Fähigkeiten in sich entdeckten. Der Federer war jung gewesen und hatte sich noch nicht tief in das Verstandesgebäude aus Macht, Angst und Schmerz verstrickt, in welchem so viele Wesen gefangen waren. Sein Licht war rein, das eines würdigen Ersten, der diese Bezeichnung nicht als Berechtigung dafür missbrauchen würde, sich über andere zu erheben. Hoffentlich würde auch er die Seinen finden, wenn die Zeit gekommen sein würde, den Klan neu zu gründen.

      „Du bist ebenso freudig wie nachdenklich“, ließ sich Sus wieder vernehmen, nachdem sie den Küstenwald verlassen hatten und nun durch den Graswald gingen. „Schön, dass du mich gelehrt hast, in großen Veränderungen immer eine Entwicklungschance und niemals eine Katastrophe zu sehen. Doch bitte teile nun mit mir, wovon du vorhin gesprochen hast. Wohin führst du mich, Schwester?“

      Statt einer Antwort hielt Ama inne und wies mit dem Arm in die Richtung eines Grasbuschs. Und als Sus ihre Augen zusammenkniff, erkannte sie dahinter die Überreste einer zertrümmerten klassischen nianianischen Fahrhütte.

      Image„Nun benötigen wir nur noch Material für die Reparatur und ein paar Tage Zeit“, meinte Ama l.

      Kippstadt

      Lange wollte sich Martin hier nicht aufhalten. Außer Ruinen war nicht viel geblieben. Es herrschte Gesetzlosigkeit und die Leute, die nun auf der Suche nach einem besseren Leben im Stadtkern durch die Straßen streiften, waren normalerweise Betrüger, Diebe oder Bandenmitglieder. Da er nichts außer seiner Kleidung mit der Notausrüstung und seinem Leben mit zurückgebracht hatte, brauchte er nichts mitzuschleppen und verließ auf schnellstem Wege den Hafen. Zum Glück war so früh am Morgen auf den trümmerbedeckten Straßen noch nichts los. Urgalanische Krieger waren hier nicht besonders beliebt und wurden, wenn sie nicht in Horden auftraten, gern von den Stadtmeuten als Ziel von Überfällen ausgewählt, und sei es nur, damit deren Mitglieder ihren inneren Hass irgendwohin abladen konnten.

      Die zerstörte Ausfallstraße bot einen traurigen Anblick, als Martin sich schnell auf ihr entlangbewegte. Sein Magenknurren war mittlerweile so laut, dass es wahrscheinlich alle Einwohner der Vorstadt hören konnten. Wenn er nicht bald etwas zu essen bekam, würde es ihm schlecht ergehen. Zu trinken gab es in fast allen alten Wasserführungen noch genug. Man musste sich bloß jedes Mal vor den oft in der Nähe ansässigen Meuten in Acht nehmen, die nicht selten ein Paar Stiefel für einen Schluck Wasser verlangten. Zu essen aber würde er nur an einem ihm bekannten Ort in Kippstadt bekommen: in Oskars ehemaligem Gasthaus am Ortsrand in Richtung Galdau. Ehemaliges Gasthaus deshalb, weil es sich inzwischen um nicht mehr als eine heruntergekommene Klitsche handelte, die von seinen verwahrlosten Besuchern beschönigend „Kneipe“ genannt wurde. Sollte er diese ungeschoren erreichen, würde er für eine Mahlzeit allerdings etwas bezahlen müssen.

      Gerade hatte er den zweiten Stadtring überquert und lief mit wachen Sinnen im Schatten der Häuser weiter stadtauswärts, als jemand aus einem Hauseingang sprang und sich ihm in den Weg stellte. Es war ein hochgewachsener, schlaksiger Kerl mit wirren roten Haaren in einer abgenutzten Jeanshose und einem löchrigen Pullover, der ihn mit in die Hüften gestemmten Armen grinsend anstarrte. „Wohin soll’s denn so schnell gehen, Urgalane? Hast du deine Kameraden verloren?“ Der drohende Unterton in der Stimme war unüberhörbar, Martin musste also davon ausgehen, dass sich weitere Menschen, möglicherweise mit Bögen oder Steinschleudern bewaffnet, in den umliegenden Ruinen verbargen und nur darauf warteten, dass er etwas Falsches sagte. Er zog es daher vor, zunächst stehen zu bleiben und die Umgebung aufmerksam aus den Augenwinkeln heraus zu beobachten. „Was willst du?“, fragte er kurz und ruhig.

      Das Grinsen wurde breiter. „Nun, wie wäre es mit ein paar Münzen oder vielleicht mit etwas zu essen für einen armen, einsamen Mann?“

      „Wie du siehst, habe ich nichts dabei“, erwiderte Martin, breitete seine Hände aus und machte vorsichtig zwei Schritte auf den dünnen Burschen zu, dessen Gesicht sich nun verfinsterte.

      „So ein Unsinn. Du bist wohlgenährt. Alle urgalanischen Krieger sind das, und alle haben Proviant dabei. Du willst mir doch nicht erzählen, dass dein Offizier dich auf Diät gesetzt hat?“

      „Hat er nicht“, sagte Martin immer noch ruhig. Erneut trat er näher an den Dünnen heran.

      „Das ist nahe genug“, sagte dieser nun und winkte mit den Händen. Daraufhin sprang aus einem weiteren Hauseingang ein drahtiger, bärtiger Kerl hervor, der einen Stock mit einer daran befestigten Metallkugel schwang. Diesem folgte ein kleiner, gedrungener und kahlköpfiger Typ mit wildem Blick, welcher aussah, als hätte er sein Leben mit ungenehmigten Freistil-Kämpfen zugebracht. Er schlug eine Keule herausfordernd mit dem rechten Arm in seine linke Hand.

      Martins Kriegerinstinkte wollten erwachen. Drei Burschen, mehr hatten sie nicht auf dem Kasten? Hätte er seinen Speer noch gehabt, so hätte der Kampf nicht einmal fünf Sekunden gedauert und er wäre über ihre Körper hinweg weiter stadtauswärts geschritten. Aber da war noch etwas anderes. Eine neue Stimme, die in ihm erwacht war und die Kampflust wie auch die nervös gespannten Muskeln beruhigte.

      „Es hat keinen Sinn, sich mit mir anzulegen“, sagte Martin ohne ein Anzeichen von Erregung in der Stimme. „Eure Kraft wird sich nur gegen euch selbst richten.“ Damit tat er zwei weitere Schritte auf den Dünnen zu. Dieser schien zu erschrecken, trat einen Schritt zurück, sagte halblaut: „Wie du willst …“ und winkte seinen Kumpanen mit der Hand.

      Darauf hatte Martin gewartet. Während er die Gruppe genau beobachtete, sprang er einen Augenblick später unvermittelt nach vorn, so dass er zwischen die beiden Waffenträger geriet, und ging direkt danach in die Hocke. Der Erfolg dieser Strategie blieb nicht aus: Beide hatten sofort mit ihren Waffen ausgeholt, um nach seinem Kopf und Oberkörper zu schlagen. Da dieser aber nicht dort war, wo er hätte sein sollen, trafen Martin weder die Metallkugel noch die Keule, sondern erwischten stattdessen den jeweils gegenüberstehenden Mann. Ächzend gingen die beiden zu Boden. Martin hatte keine Lust, darauf zu warten, bis sich einer von ihnen wieder aufgerappelt hatte. Er stürmte an dem verdatterten Dünnen vorbei, der ihm mit aufgerissenen Augen nachstarrte und murmelte: „So hat man euch das Kämpfen aber nicht beigebracht …“

      Nachdem Martin etwa einen halben Kilometer schnell gelaufen war, hielt er inne und kehrte zu seinem alten Bewegungsmuster zurück, vorsichtig und wachsam voranzueilen. Offenbar folgte ihm die kleine Meute nicht, somit war es wahrscheinlich, dass dieses Gebiet bereits von einer anderen Bande beansprucht wurde. Dort hinter der zerstörten Straßenquerung konnte sich jemand verstecken, ebenso wie in dem Kellerloch dort vorn rechts … Martin hoffte, dass er sich nicht überraschen lassen und weiterhin durch Aufmerksamkeit und Wachsamkeit die Kontrolle über seine Reaktionen behalten würde. Vielleicht würde er Glück haben und ohne weiteren Zwischenfall den Ortsrand erreichen.

      Auf jeden Fall war schon der erste Versuch, seine Beweglichkeit und seine Reflexe anders einzusetzen als bisher, von Erfolg gekrönt gewesen. Wie hatte die ältere der beiden Zwerginnen, Ama, doch gleich zu ihm gesagt? „Man kann mit Schnelligkeit СКАЧАТЬ