Peter Lebegerns große Reise. Max Geißler
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Название: Peter Lebegerns große Reise

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711467756

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СКАЧАТЬ Philine gleich bei der Begegnung in der Dämmerung eines berückenden Sommerabends: „Was halten Sie eigentlich von dem ägyptischen Saal im Pantheon, Fräulein Philine?“ Denn er gedachte von der Kunst der alten Ägypter in ihrer Monumentalität und Bedeutung für die Gegenwart geschickt hinüberzuleiten zu dem Plan einer Hochzeitsreise in das Land der Pharaonen. Jedennoch — Philine, die sehr schön angezogen war und beinahe so hübsch aussah wie sie wollte — selbige Philine war zwar ein gewandtes und wachsinniges Frauenzimmer, aber an den ägyptischen Saal und selbst an das Pantheon, welches als eine der berühmtesten Sammlungen des Landes galt, hatte sie sehr wenige Stunden ihres vergnügten Daseins vergeudet. Also erklärte sie in gefährlicher Unbekümmertheit: von derlei Dingen halte sie gar nichts, weil sie sich einen Nutzen für das praktische Leben nicht herausrechnen könne …

      Nun — es fiel ein Reif in jener Sommernacht. Sehr erfroren langte Peter Lebegern daheim an. Es war ein niederträchtiges Gefühl. Zu anderen Malen — als aus der Philine eine Margaretha oder eine Elisabeth, ja sogar eine Karoline geworden — war es ihm wie einem, der in der Hitze der Hundstage in folgenschwerer Zerstreuung den Winteranzug angelegt hat …

      Peter Lebegern fühlte sich in der braunen Strandhose und Bergeinsamkeit wohler. Ja. Was sich auch daraus ersehen lässt, dass er mit dem Frohgefühl des Genesenen an jene Zeit zurückdachte.

      Nicht in mehr oder weniger gefälligen Einzelerscheinungen zogen die Freundinnen der anderen Zeit durch seine Erinnerung. Nein. Er ging der Sache auf den Grund. Und ritterlich, wie er war, gab er nicht so sehr der weiblichen Jugend, sondern dem materialistisch eingestellten Zeitalter die Schuld an der erschreckenden Veräusserlichung. Je werktätiger er in dies Zeitalter hineingeraten war, desto gewaltiger riss die Kluft auf, die ihn davon trennte.

      Solchermassen war die Erkenntnis aus der Gaisbubenhütte.

      Erkenntnisse verleihen innere Festigkeit. Es erklärt sich daraus sein Verhalten gegen Valentine Wurzler, die ihre Tage nicht darauf anlegte, zu gefallen. Ihre Einfachheit blendete nicht. Und Peter Lebegern hatte noch nichts von ihr gefordert, weder dass sie nett zu ihm sei, noch einen Aufwand an Schönheit und Klugheit mache.

      So lebten sie ein paar sorglose Reisetage nebeneinander hin. Auf schmalen Wandersteigen blieb sie oftmals ein Stück zurück. Sie fand in angelegentlichen Gesprächen der Männer keine Vernachlässigung; denn der kleine Doktor liess sie oft tagelang allein im Hause, und auf Landfahrten pflegte er Wegstunden weit stillschweigender Meditationen. Da trollte Valentine nachdenklich und herzfroh hinterdrein.

      Nun hatte der Doktor von ihr gesagt: sie sei das einzige Wunder, das er getan habe.

      Er pflegte seine Worte zu wägen. Und wahrlich: die durchaus einfältige Art Valentines schien ohnegleichen. Es war gar nichts verbügelt an ihr; weder durch das äusserlich gerichtete Bestreben der Zeit, noch durch eine verrückt gewordene Erziehung.

      Ihre Stimme hatte eine dunkle Klangfarbe und war warm wie veilchenfarbener Samt. Peter Lebegern horchte auf, wenn sie sprach. Aber sie sprach selten.

      Peter dachte: es ist nun doch so — ihr Herz ist fest in den Händen eines Bräutigams.

      Hm. Dann war das eine merkwürdig verschwiegene Liebe! — Und noch abseitiger hielt er sich. Der Sinn stand ihm nicht nach Abenteuern mit jungen Mädchen und es reizte ihn nicht, zu erproben, ob er von zwei Liebhabern der stärkere sei.

      Aber natürlich begegneten sie einander auf diesem Wege doch. Daran war das Schmetterlingsbuch schuld: Ferdinand Wurzler bekam eines Morgens, als sie das Haus zu sonniger Bergfahrt verliessen, die ersten Korrekturen seines Werkes. Und kaum, dass der Wald seine Stille um sie wob, erlag er der Versuchung: er nestelte die Druckbogen aus der Rocktasche und nahm im Wandern Schluck um Schluck von dem Quell des Lebens, der für ihn in seinem Werke sprang.

      Peter und Valentine schlenderten voran. Zuerst lächerte sie der beglückte Eifer des Alten. Weil sie ihn aber nicht aufmerksam machen wollten, dass er zurückbleibe, und sich hüteten, ihm die Freude an dem längst Erwarteten zu vergällen dadurch, dass sie Fragen und Worte nach ihm schossen wie kleine Pfeile, die ihn aus seiner Versunkenheit aufschrecken konnten, so schlugen sie unversehens einen Hakenpfad seitlich in den Wald. Sie liessen den Doktor seine Strasse fahren und betraten diese nach etlicher Zeit so weit hinter ihm wieder, dass er von ihrer List nichts merkte. Sie aber hatten ihn fortan im Auge, konnten sorglos plaudern und mussten dennoch gewahr werden, wenn er in seiner Versunkenheit etwa auf einen falschen Weg geriet.

      Auf dieser Wanderung erkannte Peter Lebegern, welch ein ausgezeichnetes Mädchen Valentine war. Sie war adligen Herzens und von grosser Klugheit. Wenn sie auch keine weiten Reisen unternommen hatte, so besass sie wie Peter doch eine Vorstellungskraft, die ihr die unmittelbare Anschauung ersetzte. Und weil sie ihre Jahre nicht vertändelt hatte mit Fragen des Anzugs, nichtsnutzigen Vergnügungen und jenen Dingen, die dazu da sind, zu gefallen und sich eine Liebe zu sichern, so besass sie auch ein Wissen, das in manchen Fällen zur Gelehrsamkeit wurde. Auch war Valentine von artiger Schönheit. Die entfaltete sich je sichtbarer, je tiefer ihre Teilnahme für den Gegenstand eines Gesprächs erweckt wurde. Dann ging ein Leuchten von innen über ihr Gesicht — Peter Lebegern dachte, es könne davor ein gefrorenes Gemüt zu überraschender Blüte gelangen.

      Das gefrorene Gemüt suchte er in sich selbst. Länger als ein Jahr war sein Herz ohne Regung jungen Mädchen gegenüber geblieben. Nun wurde Valentine für ihn zu einem Erlebnis. Er empfand ihre Nähe wie den Frühling, wenn er den Winter über in der Almhütte verbracht hätte.

      So wanderten sie in durchsonnter Zweisamkeit über die Wälder hinaus zu den herbstklaren. Vorbergen. Da sie am Morgen ein Ziel vereinbart hatten, trafen sie mit dem Doktor an dem Tisch eines hochgelegenen Gasthauses zusammen. Eine Linde breitete ihre Äste über den Tisch im Freien und warf den goldenen Regen ihres Laubes über sie. Das Hochgebirg lag gross und leuchtend ringsum.

      „Wir sind zu früh hierhergekommen,“ sagte Peter Lebegern und sah den Doktor dabei mit eindeutigem Lächeln an. Es fiel ihm ein: er wollte mit Valentinen noch eine Weile da in der Sonne über die Matten fliegen. Er war von übermütiger Fröhlichkeit. Aber es war ihm auch anzumerken, dass es nicht nur die Rücksicht auf den Doktor und seine Korrekturen sei, die ihn trieb. Er sagte, er wolle diesen letzten Reisetag austrinken bis auf die Neige wie einen Becher mit goldenem Wein. Dabei deutete er auf die ragenden Gipfel, die sie nun von allen Seiten einschlossen. In der Tat: ein Riesenpokal aus getriebenem Silber.

      Dem Doktor kam der Vorschlag nicht ungelegen. Bei einem Glase Rotwein nahm er die Lesung der Bogen alsbald wieder auf. Peter Lebegern und Valentine spielten sich indes die Matten empor, auf denen nun die Kühe gingen, weil die Sonne den Reif des Morgens mit einer Raschheit fortgenommen hatte wie die Hüterin des Hauses das Laken vom Tisch.

      Auf einmal geschah mit Peter Lebegern eine grosse Verwandlung. Mitten im Spiel ward er stumm. Er setzte sich an den sonnigen Hang, sah dem Doktor Wurzler noch eine schweigende Minute zu, der tief unten als ein winziges Männlein an einem sehr kleinen Tische sass, hin und wieder ein Lindenblatt von dem Druckbogen schnippte und einmal nach dem Glase griff. Es sah sehr komisch aus. Dann begann Peter zu reden. Auch seine Stimme klang nun ganz verwandelt.

      „Komm einmal her, Valentine!“ sagte er. Sie wunderte sich über die Massen an dieser kecken Rede und blieb auf ihrem Platze stehen als hätte sie Wurzeln bekommen. Dieser Platz war drei Schritte vom Sitze Peters entfernt. „Nein, du musst dich durchaus neben mich setzen! Es ist heute der letzte Tag, mein Mädchen. Morgen rasen wir im Schnellzug heim — es ist da nicht der richtige Ort über diese Dinge zu sprechen. Und übermorgen — wissen wir denn, was übermorgen sein wird?“

      „So reden Sie!“ sagte Valentine. Es klang gefasst.

      „Du musst nun auch du zu mir sagen,“ gebot er, „denn СКАЧАТЬ