Название: 360 Grad - heisse Erzählungen
Автор: Marianne Sophia Wise
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711457887
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„Kannst du nicht einfach aufhören das die ganze Zeit zu wiederholen … Diese ekeligen Fantasien, die du da von mir hast, widern mich an.“
„Okay, dann bist du eben nicht nackt. Du trägst eine Uniform, die all deine Attribute in Szene setzt. Dein Dekolleté ist üppig gefüllt. Versucht, euch das vorzustellen. Stellt euch Pil vor, wie sie dasteht und über die Menschenmenge blickt. Die Penisse erheben sich zum Siegesgruß – sie stehen in Reih und Glied. Sie hält ihre Brandrede, sie schreit und ruft ihre Ideologien in die Menge. Eine echte Massensuggestion: Ihr Körper ist faszinierend und fantastisch. Sie schlägt mit der Faust auf das Podium während sie jähzornig ihren Kopf schüttelt.“
„Wie Hitler?“
„Ja genau, Bertel. Wie Hitler. Sie gestikuliert mit ihren Armen und verführt sie alle. Sie ist ihr Führer, ihre Besatzungsmacht. Sie lieben sie. Sie haben ihr Leben auf sie gebaut, sie ist ihre Ideologie. Alle von ihnen sind Männer und sie ist ständig in ihren Gedanken. Ihr gesamtes Leben läuft darauf hinaus, mehr von ihr zu haben. Alles, was sie tun und sagen dreht sich um sie. Sie ist der Inhalt ihres Lebens. Sie ist die Autorin des Buches Mein Loch.“
Pil brach in schallendes Gelächter aus.
„Du bist total verrückt. Halts Maul! Echt, du bist vollkommen verrückt.“
Bertel sah Pil ein wenig verwundert an.
„Er ist wahnsinnig.“
„Er ist wirklich unglaublich wahnsinnig.“
„Das sehe ich als ein Kompliment“, sagte Max.
„Da würde ich mir nicht so sicher sein, dass das auch so gemeint ist. Woher kommst du eigentlich?“
„Meinst du geographisch? Ich bin in Aarhus geboren.“
„War ja klar! Nur ein Jütländer kann so eine Scheiße von sich geben.“
„Findest du nicht, dass das ein schöner Gedanke ist?“
„Nein, wirklich nicht. Dass ich auf einer Tribüne stehen soll … splitterfasernackt und mich wie Hitler aufführen soll …?“
„Ja.“
„Das ist ganz sicher kein schöner Gedanke.“
„Nein? Aber das Beste kommt erst noch“, sagte Max.
„Kann das noch besser werden?“ fragte Pil ironisch.
„Ja. Aber dazu musst du erst die Augen schließen.“
Bertel warf Pil einen skeptischen Blick zu. Sie zog eine ungläubige Grimasse.
„Was jetzt?“
„Nichts. Schließt einfach die Augen. Ich werde euch schon nichts tun. Ich schwöre.“
„Na gut … dann lass uns mal hören“, sagte Pil und ließ ihren Blick über Max’ Körper gleiten, worauf sie ihr Kinn anhob und ihre Augen schloss. Bertel zögerte kurz, entschloss sich aber es ihr gleichzutun um dem Ganzen eine Chance zu geben.
„Gut! Und jetzt zählt langsam von zehn runter“, sagte Max.
„Zehn, neun“, begannen die beiden zu zählen: „Acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins!“
Als sie die Augen öffneten, war der Fremde verschwunden.
„Er ist abgehauen!“, rief Bertel. „Der Idiot ist abgehauen.“
„Na klar“, sagte Pil. „Er wollte uns verarschen.“
„Nein, eigentlich hat er das nicht gemacht – eigentlich haben wir ihn verarscht.“
„Wie jetzt?“
„Jep“, sagte Bertel und fischte einen braunen Geldbeutel aus seiner Hosentasche.
„Was ist das?“
„Sein Geldbeutel.“
„Du hast ihm die Brieftasche geklaut?“, schrie Pil. „Was zur Hölle …“ Sie riss ihm den Geldbeutel aus der Hand und starrte ihn empört an.
„Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?!“ fauchte sie, schob ihn zur Seite und verschwand durch die Tür.
Sie drehte sich in alle Richtungen, doch die Gasse war dunkel und menschenleer. Auch auf der angrenzenden Nørrebrostraße war keine Spur mehr von ihm zu sehen.
„Mist“, flüsterte sie.
Einen Augenblick lang studierte sie die Brieftasche. Es war ein brauner Lederbeutel der Marke Tony Perotti. Dick und sicher nicht ganz billig. Pil merkte den Ärger über Bertel in ihr hochsteigen; sie hatte schon immer einen starken Sinn für Gerechtigkeit gehabt und hatte sich schon oft in Schwierigkeiten mit radikalen Kräften der autonomen Szene gebracht. Es war nicht ihr Ziel für Radau zu sorgen – es war ihre Absicht eine Balance zu schaffen. Konsequent hielt sie von allen aggressiven und brutalen Methoden im Kampf um eine bessere Gesellschaft Abstand.
Sie begutachtete die Karten in der Brieftasche. Der Mann hieß Max Wiland und seiner Krankenversicherungskarte zufolge, wohnte er am Solitudeweg, der nur eine Gasse entfernt von hier lag. Sie beschloss sich sofort auf den Weg dorthin zu machen, um den Geldbeutel zurückzubringen.
Doch als sie dann vor seinem Haus stand und in das Licht hinaufblickte, das von seiner Wohnung stammen musste, war da etwas, das sie von ihrem Vorhaben abhielt.
Sie knetete am weichen Leder der Geldbörse, während sie den Anblick seines Besitzers Max gedanklich heraufbeschwor. Er muss um die vierzig Jahre alt gewesen sein, fast doppelt so alt wie sie selbst. Er war nicht besonders attraktiv; aber auch nicht besonders unattraktiv. Er hatte einen intensiven Blick – hatte direkt in sie hineingesehen. Vielleicht hatte sie deshalb so gehorsam ihre Augen geschlossen.
Was sollte sie nun tun? Sie hätte einfach läuten und die Brieftasche zurückbringen können. Dann wäre die ganze Sache überstanden gewesen und sie hätte ihn vermutlich nie wieder gesehen. Außer natürlich, wenn er sie hinein gebeten hätte. Aber warum sollte er das tun? Sie hatten ihn einen Faschisten genannt, ihn provoziert. Und nicht zuletzt hatten sie ihm seinen Geldbeutel gestohlen. Sie könnte vielleicht lügen und ihm erzählen, er hätte den Beutel verloren, als er ging. Aber trotzdem. Und warum wünschte sie sich überhaupt von ihm hineingebeten zu werden, warum kam dieser Gedanke in ihr hoch?
Sie hätte einfach hinaufgehen und die ganze Sache hinter sich bringen können. Aber sie hätte auch eine Weile warten können, bis morgen zumindest, bis alles ein bisschen klarer aussah, denn in diesem Augenblick befand sie sich in einer dunklen Gasse in Nørrebro, einem Stadtteil von Kopenhagen, und ihre Gedanken verwandelten sich allmählich in verschwommene Skizzen.
Sie ging zurück zur Hauptstraße. Es war kalt und sie beschloss direkt nach Hause zu gehen und sich ins Bett zu legen. Es war weit nach Mitternacht.
Als sie später in ihrem Bett lag, nahm sie die Geldbörse und ließ in der Dunkelheit sanft ihre Finger darüber gleiten. Der Duft des fremden Leders hatte eine aphrodisierende Wirkung auf sie und sie СКАЧАТЬ