Название: Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel
Автор: Luzia Pfyl
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Frost & Payne - Die gesamte Staffel
isbn: 9783958344112
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Helen kam mit dem Kaffee zurück. »Ich mache als Nächstes oben weiter, Miss Frost. Brauchen Sie noch etwas?«
Frost schüttelte den Kopf und bedankte sich bei ihr. Sie konnte sich glücklich schätzen, in Helen eine so gute und obendrein liebenswürdige Haushälterin gefunden zu haben. Frost legte die Zeitung beiseite und sah die Post durch.
»Rechnung. Rechnung. Werbung. Rechnung …« Sie seufzte und warf die Briefe auf den Tisch. Im Kopf überschlug sie die Zahlen. Wenn sie alle Forderungen beglich (sie erinnerte sich vage an zwei weitere Briefe von ihrem Schneider, der sie ermahnte, endlich ihre bei ihm offenen Beträge zu bezahlen), dann hatte sie kein Geld mehr für die Miete. Helens Lohn stand diese Woche ebenfalls an, und etwas essen musste sie auch.
»Das neue Jahr fängt ja gut an«, brummte sie und biss herzhaft in das Lachsbrötchen. Nur machte, außer den chinesischen Einwohnern, niemand in dieser Stadt eine Woche Urlaub über das chinesische Neujahr hinweg. Sie konnte es sich nicht leisten, die Bezahlung der offenen Rechnungen weiter zu verschieben. Im Tresor hinter ihr im Bücherregal herrschte jedoch gähnende Leere. Sie brauchte dringend Arbeit.
Kauend zog Frost ihr Notizbuch heran und blätterte darin bis zum letzten Eintrag. Den jüngsten Fall hatte sie vor zwei Wochen abgeschlossen. Die verlegte Brosche zu finden, war vergleichsweise einfach gewesen. Seither hatte kein neuer Klient ihre Dienste in Anspruch nehmen wollen. Sie hatte gehofft, dass Mrs. Dunnborow sie an ihre Freundinnen empfehlen würde.
Sie brauchte Geld. Schnell. Vielleicht konnte sie den Schneider weiter vertrösten – allerdings, da war sie sich sicher, würde sie sich wohl oder übel bald einen neuen suchen müssen. Oder er hetzte ihr die Schuldeneintreiber auf den Hals.
»Alles in Ordnung, Miss?«
Frost zuckte leicht zusammen und schaute auf. Sie hatte nicht gehört, wie Helen eingetreten war. »Du kennst nicht zufälligerweise ein paar reiche Leute, die etwas verloren haben?« Verzweifelte Zeiten verlangten nach verzweifelten Mitteln.
Helen schüttelte amüsiert den Kopf. »Nein, Miss, leider nicht. Aber vielleicht kennt Mr. Cho welche.« Sie deutete zum Schaufenster hinaus auf die verschneite Straße.
Frost beugte sich nach rechts aus dem Sessel, um auf die Straße sehen zu können. Tatsächlich, da kam Michael, dick eingepackt in einen dunklen Mantel und den Hut tief in die Stirn gezogen, auf ihren Laden zu. Unter dem Arm trug er ein in loses Zeitungspapier gewickeltes Paket. Frost warf Helen ein vielsagendes Lächeln zu, worauf diese einen Knicks andeutete und wieder hinauf in die Wohnung ging.
Das Glöckchen über der Tür klingelte, als Michael eintrat. Er brachte einen Schwall eisige Luft und ein paar Schneeflocken mit herein. Seit gestern Nacht schneite es ununterbrochen. Bald schon würde London unter einer dicken Schneedecke begraben liegen.
»Bringst du mir mein Neujahrsgeschenk?«, fragte Frost forsch und lehnte sich im Sessel zurück.
Michael hielt inne und schaute dann auf das Paket unter seinem Arm. »Ach, das, nein, das ist… etwas anderes«, wich er aus. Frost hakte nicht nach, auch wenn sie wusste, dass er etwas verbarg. »Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.« Ein breites Grinsen zierte sein schönes Gesicht.
»Bist du nur hergekommen, um dich über mich lustig zu machen?« Sie legte den Kopf schief und musterte ihren Kindheitsfreund. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und wirkte angespannt. Der Schlafmangel und exzessive Alkoholkonsum von letzter Nacht machten sich also auch bei ihm bemerkbar.
Michael nahm den Hut ab und setzte sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Das Paket legte er sich auf den Schoss und hielt es fest, als dürfte er es nicht aus den Augen lassen.
»Nein«, beantwortete er ihre Frage und zog mit der freien Hand einen Umschlag aus dem Mantel. »Ich habe einen Auftrag für dich.«
Frost wurde hellhörig und neigte sich vor. Sie nahm den Umschlag entgegen – keine Adresse, kein Siegel. Falsch, auf der Vorderseite befand sich in der linken Ecke eine Art Stempel. Sie kannte dieses Zeichen.
»Von Madame Yueh?« Michael nickte. Frosts Miene verhärtete sich. Sie schob den Umschlag zurück zu Michael. »Nein. Du weißt, dass ich keine solchen Aufträge mehr mache.« Sie hatte hart genug dafür gekämpft, dass Madame Yueh und die Organisation sie hatten gehen lassen. »Ich bin draußen.«
»Ja, ich weiß.« Michael sah sie eindringlich an. »Aber wir wissen auch, dass du Geld brauchst. Sie möchte sich erkenntlich zeigen und will dich unterstützen.«
Frost schnaubte und verschränkte die Arme. Unterstützen, dass sie nicht lachte. Sie wusste genau, was ihre Ziehmutter mit diesem Auftrag bezweckte. Frost würde in ihrer Schuld stehen. »Ich habe Klienten. Die Agentur läuft gut«, sagte sie nicht sehr überzeugend, worauf Michael lächelte.
»Sieh es doch mal so, Lydia: Du gehörst immer noch zur Familie, und Familienmitglieder lässt man nicht einfach im Stich.« Seine Stimme wurde weich. »Wir vermissen dich. Mutter fragt ständig nach dir und hat mir schon mit der Bratpfanne gedroht, sollte ich dich nicht bald wieder zum Essen einladen.«
Frost musste bei der Vorstellung unweigerlich grinsen. Sie musste zugeben, dass sie Michael, seine Familie und all ihre Freunde in der Organisation ebenfalls vermisste. Aber sie hatte sich nun mal dazu entschlossen, ihre eigenen Wege zu gehen. Sie wollte nicht wieder zurück. Sie wollte nicht wieder das Werkzeug der Dragons sein.
»Was ist das für ein Auftrag?«, fragte sie dann doch noch. Sie war neugierig, mit was Madame Yueh sie ködern wollte.
Michael zuckte mit den Achseln und schob ihr den Umschlag wieder hin. »Lies selbst.«
Sie zögerte einen Moment, dann nahm sie den Umschlag an sich und riss ihn auf. Auf der Karte darin prangten chinesische Schriftzeichen in pechschwarzer Tusche. Frost brauchte eine Weile, bis sie alle Zeichen entziffern konnte. »Wer ist dieser Nelson Bingham?«
»Ein sehr einflussreicher Geschäftsmann, handelt hauptsächlich mit Seide und Kunst.«
»Hier steht, ich soll ihm ein wertvolles Buch oder Manuskript entwenden.«
Michael nickte erneut. »Einen Folianten, um genau zu sein. Das Buch war seit Generationen im Besitz der Yueh-Familie, doch es wurde gestohlen. Mr. Bingham hat es vor ein paar Tagen auf dem Schwarzmarkt ersteigert. Wir wollen, dass du es ihm abnimmst.« Er zog ein Lichtbild aus der Innentasche seines Mantels und reichte es Frost. Es zeigte den Folianten. »Möglichst bald. Es ist noch mindestens eine weitere Partei an dem Folianten interessiert, soweit wir wissen. Ein Unbekannter versucht seit Jahren vergeblich, ihn den Yuehs abzukaufen. Jetzt, wo das Buch außerhalb unseres Einflussbereichs ist, müssen wir schnell handeln.«
»Was springt dabei für mich raus? Warum sollte ich den Auftrag deiner Meinung nach annehmen?«, fragte sie, während sie das Bild betrachtete, herausfordernd. Michael setzte sein gewinnendstes Lächeln auf, dann nannte er ihr eine Summe. Frost hob die Augenbrauen. »100 Pfund?« Das war sehr viel Geld. Damit wären ihre Sorgen für die nächsten zwei Monate aus der Welt geschafft. Bis dahin hätte sie bestimmt auch wieder Klienten.
Nein, sie hatte hart für ihre СКАЧАТЬ