Название: Die Abenteuer von Milo, Tack und Kackerlack
Автор: Norton Juster
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783037921586
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»Und ob«, antworteten sie einer nach dem anderen.
»Nun ja«, sagte Milo, dem nicht ganz einleuchtete, warum jeder das Gleiche sagte, bloß ein bisschen anders, »würde es die Sache nicht vereinfachen, bloß einen Ausdruck zu gebrauchen? Das ist doch viel sinnvoller.«
»Unsinn.«
»Lächerlich.«
»Hirnverbrannt.«
»Absurd.«
»Quatsch«, riefen sie im Chor.
»Wir haben überhaupt kein Interesse daran, sinnvoll zu sein. Das ist nicht unser Job«, keifte der Erste.
»Nebenbei«, erklärte der Zweite, »ein Wort ist so gut wie das andere – warum sollte man sie dann nicht alle benutzen?«
»Zumal man sich auf diese Weise nicht entscheiden muss, welches das passende ist«, empfahl der Dritte.
»Außerdem«, seufzte der Vierte, »wenn eins schon passt, passen zehn noch zehnmal mehr.«
»Offensichtlich hast du keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast«, sagte der Fünfte von oben herab. Und dann stellten sie sich der Reihe nach vor:
»Gestatten, Baron Botho von Bindewort.«
»Seine Eminenz Erich von Eigen-Schaft.«
»Fürst Ferdinand von Fragesatz.«
»Graf Gunnar Genus-Verbi.«
»Ministerialdirigent Manfred Modus-Irrealis.«
Milo ließ die Vorstellung schweigend über sich ergehen. Als Tack anfing, leise zu knurren, erklärte Seine Eminenz:
»Wir sind die Berater des Königs, oder, wie es offiziell heißt, sein Kabinett.«
»Kabinett«, dozierte der Baron, »1. kleines Privatgemach oder Kammer, in welcher Wertsachen oder Kuriositäten aufbewahrt werden; 2. Konferenzzimmer für die Ministerrunde; 3. Gremium offiziell bestallter Berater des Regierungschefs eines Landes.«
»Ihr seht«, fuhr Seine Eminenz fort und dankte dem Baron mit einer leichten Verbeugung für dessen Ausführungen, »Wortopolis ist der Ort, von dem alle Wörter dieser Welt ausgehen, weil sie uns nie ausgehen. Wir bauen sie nämlich in unseren Obstgärten an.«
»Ich wusste gar nicht, dass Wörter an Bäumen wachsen«, sagte Milo kleinlaut.
»Ja wo denn sonst?«, rief der Fürst empört, während die ersten Marktbesucher anfingen, sich um sie zu scharen. Voller Neugier betrachteten sie den kleinen Jungen, der nicht zu wissen schien, dass Wörter an Bäumen wuchsen.
»Ich wusste nicht mal, dass sie überhaupt wachsen«, gab Milo noch kleinlauter zu. Ein paar der Umstehenden schüttelten erschüttert den Kopf.
»Nun denn«, hakte der Graf nach, »wächst an Bäumen vielleicht Geld?«
»Soviel ich weiß, nicht.«
»Dann muss dort ja wohl irgendetwas anderes wachsen. Warum also nicht Wörter?!«, rief der Ministerialdirigent triumphierend. Die Menge spendete seiner bestechenden Logik Beifall und ging wieder ihrer Wege.
»Um fortzufahren«, fuhr Seine Eminenz ungeduldig fort, »einmal pro Woche wird auf königliche Anordnung hier auf dem großen Platz der Wortmarkt abgehalten, und die Menschen kommen von überallher, um die Wörter zu kaufen, die sie brauchen, oder diejenigen anzubieten, mit denen sie nichts anfangen können.«
»Unsere Aufgabe«, sagte der Graf, »besteht darin, darauf zu achten, dass jedes verkaufte Wort einwandfrei ist, weil es nichts bringen würde, jemandem ein Wort zu verkaufen, das keine Bedeutung hat, geschweige denn gar nicht existiert. Würdest du zum Beispiel ein Wort wie ghlbtsk kaufen, wo, bitte schön, könntest du es anwenden?«
Schwer zu sagen, dachte Milo. Schließlich gab es unendlich viele komplizierte Wörter, von denen er keinen blassen Schimmer hatte.
»Aber wir geben niemals vor, welches Wort man zu benutzen hat«, erklärte der Fürst, während sie sich auf die Marktstände zubewegten, »denn solange sie vorgeben, was sie vorgeben vorzugeben, ist es uns egal, ob sie Sinn ergeben oder Unsinn.«
»Scharfsinn oder Stumpfsinn«, ergänzte der Graf.
»Biedersinn oder Widersinn«, sagte der Ministerialdirigent.
»Freisinn oder Greisin«, hüstelte Seine Eminenz.
»Versteht sich«, sagte Milo, weil er nicht unhöflich sein wollte.
»Genau«, rief der Fürst, »auf jeden Fall.« Und schon fiel er mit einem lauten Plumps zu Boden.
»Mein Gott, stellen Sie sich doch nicht so ungeschickt an!«, schrie der Baron.
Der Fürst rieb sich den Kopf. »Ich habe doch nur bestätigen wollen …«, fing er an.
»Wir haben es sehr wohl vernommen«, sagte Seine Eminenz ärgerlich. »Sie sollten sich künftig um weniger gefährliche Ausdrücke bemühen.«
Der Fürst klopfte sich den Staub von seiner Samtjacke, während die anderen laut und vernehmlich kicherten.
»Siehst du«, belehrte ihn der Graf. »Man muss vorsichtig sein in der Wahl seiner Worte und sich genau überlegen, was man eigentlich sagen will. Und jetzt müssen wir uns auf die Beine machen, um das königliche Bankett vorzubereiten.«
»Ihr nehmt natürlich daran teil«, sagte Seine Eminenz.
Und bevor Milo noch etwas darauf antworten konnte, eilten die fünf schon über den Platz davon, ebenso plötzlich wie sie gekommen waren.
»Viel Vergnügen auf dem Markt«, rief der Ministerialdirigent ihnen noch zu.
»Markt«, dozierte der Baron, »ein offener Platz oder ein bedachtes Gebäude, in dem …«
Das war das Letzte, was Milo von ihnen hörte, bevor sie in der Menge untertauchten.
»Ich hatte ja keine Ahnung, wie viel Verwirrung Worte stiften können«, sagte Milo zu Tack, während er sich zu ihm hinabbeugte, um ihm am Ohr zu kraulen.
»Bloß dann, wenn man sehr viele davon benutzt, um sehr wenig zu sagen«, antwortete Tack.
Das war das Vernünftigste, was Milo den ganzen Tag über gehört hatte. »Komm«, rief er, »lass uns über den Markt gehen. Sieht ziemlich aufregend aus.«
4. TOHUWABOHU AUF DEM MARKTPLATZ
Und ob es aufregend war! Kaum hatten sie sich den ersten Marktständen genähert, sah Milo Menschenmassen, СКАЧАТЬ