Название: Elfenzeit 8: Lyonesse
Автор: Uschi Zietsch
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Elfenzeit
isbn: 9783946773320
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Es war nicht ganz so schlimm, die meisten Entladungen spielten sich hoch in den Sphären ab und entrangen den Menschen höchstens staunende Laute, wenn sie seltsame Wirbel und Lichterscheinungen sahen. Schnee und Regen waren oft schon verflüchtigt, bevor sie die Baumkronen erreichten – dennoch, das eine oder andere ungehorsame Unwetter kam durch und verwüstete so manchen Hof und kleine Wäldchen.
»Der Klimawandel«, sagten die Menschen dazu und nickten weise. »Das ist der Beweis. Zuletzt erlebten wir es über Island. Wir müssen Milch und Honig abschaffen.«
»Hört ihr?«, fauchte Boreas.
Die einen Winde säuselten: »Wir wollten doch nur helfen!«, die anderen brausten: »Wir folgen der Bestimmung!«
»Ihr folgt uns«, befahlen die Göttlichen und bliesen sie endgültig davon.
Boreas ballte ein paar Wolken zusammen und bettete das Tuch darin. Zephyr nahm es in Augenschein.
»Da ist wohl nichts mehr zu machen«, stellte Boreas fest.
»Dieser Fetzen wird kaum mehr zusammengehalten«, stimmte Zephyr zu. »Aber ich spüre noch einen Rest …«
Boreas strengte seine göttlichen Sinne an. Dann glätteten sich die Wirbel auf seiner Stirn. »Wahrhaftig«, rauschte er. »Da ist noch etwas.«
»Fast erloschen«, stellte Zephyr fest.
»Was können wir tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Anfachen?«
»Nein.«
»Ausblasen? – Schon gut, ein Scherz, verzwirble dich nur nicht gleich.«
Schweigend starrten sie auf den schwarzen Fetzen, der trotz der wolkenweichen Wärme zitterte. Ab und zu glühte er am Rand auf, doch jedes Mal schwächer.
»Es dauert wohl nicht mehr lange«, bemerkte Boreas.
»Das dürfen wir nicht zulassen«, sagte Zephyr.
Sie zogen sich zusammen, als glitzernder Nebel sich über ihnen herabsenkte.
Bringt ihn zum Anfang der Last.
»Zum … äh … wie?«, fragte Boreas verunsichert. Er galt normalerweise als der aufbrausendste aller Windbrüder, und zugleich als der mächtigste. Doch nicht als der klügste.
»Ich weiß, was er meint«, sagte Zephyr prompt. »Ich bin der Wind des Südens und der Wärme, Bruder, du hingegen treibst den Winter vor dir her. Dein Verstand ist ein Eiszapfen.«
Eilt euch. Mein Bruder kann sich nicht mehr lange halten.
»Also auf nach Hyperborea, wo das Paradies wartet!«, rief Boreas. »Ha, ha.« Mit seinem donnernden Gelächter jagte er die erschrockenen Wolken in die Flucht, und das Tuch verlor den Halt und trudelte dem Erdboden entgegen.
Der glitzernde Nebel wetterleuchtete, und Boreas beeilte sich, den Fetzen aufzufangen und wieder nach oben zu tragen.
»Fast dran, Bruder«, brauste Zephyr. »Doch die Reise wird nicht ganz so weit gehen.«
Boreas wiegte das löchrige Schwarz. »Ich hoffe, Zephyr weiß es wirklich«, sagte er zu dem glitzernden Nebel. »Es ist schon fast nichts mehr da.«
Deshalb bitte ich euch ja um Hilfe.
»Die wir keinesfalls verweigern«, säuselte Zephyr. »Wir sind schließlich beinahe Brüder. Und bei all dem, was geschieht, kann man froh sein, wenn man seinen Beitrag leisten darf. Nach so langer Zeit! Ich fühlte mich schon ganz kraftlos.«
Wir alle brauchen Kraft. Gebt ihm die seine zurück. Die Aufgabe meines Bruders ist längst nicht beendet, und ich wage erst wieder, die Augen zu öffnen, wenn ich ihn in Sicherheit weiß.
Die göttlichen Windbrüder flauten betroffen ab. Beinahe wäre der Fetzen wieder abgestürzt … oder vielmehr, hinabgesegelt. Doch Boreas bewahrte geistesgegenwärtig einen letzten Hauch Auftrieb, der das Tuch festhielt und sanft nach oben schaukelte.
»Nebelbruder«, wisperte Zephyr, »wenn du Furcht empfindest …«
Meine Furcht ist nicht die eure. Und nun eilt euch. Habt dank, Windbrüder.
»Zu deinen Diensten«, antworteten die göttlichen Brüder höflich, doch der Nebel hatte sich bereits aufgelöst.
»Also, wohin nun?«, forderte Boreas seinen Bruder neugierig zur Preisgabe auf.
»Gib ihn mir.« Zephyr wollte nach dem Fetzen greifen, doch Boreas blies ihm einen wirbelnden Wall entgegen.
»Kommt nicht in Frage! Du willst dich allein auf den Weg machen!«
»Ja. Denn du musst hierbleiben, Boreas, und Wache halten.«
»Wofür denn?«
»Für alles, bei den Olympiern!«
»Die sind fort, schon vergessen?«
»Aber wir sind noch da, auch vergessen?«
»Wir sind ja schließlich Winde, wir währen ewig.«
Zephyr seufzte mit einem pfeifenden warmen Windstoß. »Schütze einfach die Sphären«, sagte er schließlich.
»Ach so!«, rief Boreas viel zu laut und löste versehentlich einen weiteren trockenen Donnerschlag aus.
»Ein Überschallknall von einem Militärflieger«, sagten die Menschen unten und sammelten die Scherben ihrer Gläser ein, die aus den Regalen gesprungen waren.
Zephyr konnte sich kaum mehr zurückhalten, er rotierte schon wie ein Tornado. Doch bevor er den Mund öffnen konnte, wiederholte Boreas flüsternd:
»Ach so.«
Er grinste seinem Bruder verlegen zu, hob die Schultern und brauste davon, wobei er gerade noch einem Airbus auf dem Weg in weite Ferne auswich. Es kam zu mäßigen Verwirbelungen, aber dergleichen waren die Piloten gewöhnt, sie manövrierten das Flugzeug sicher hindurch.
Zephyr nahm den Fetzen und trug ihn weiter zu seinem Bestimmungsort. Über der Sahara, an einem bestimmten Punkt, sprang das Tuch plötzlich aus seinem Arm und sank zu Boden hinab.
»Na schön«, säuselte Zephyr achselzuckend, »deine Wahl. Mach das mit deinem Bruder aus – ich habe getan, was ich sollte. Gib mir nicht die Schuld, wenn es schiefgeht!« Er blies die Backen auf, schlug um und wehte davon.
Sanft schaukelte das Tuch hernieder. Kreisrunde Felder breiteten sich unten über die Wüste aus, die graugelb bis mattgrün waren. Die künstlichen Oasen von Al Kufrah, die die Wüste Libyens einstmals grün machen sollten.
Ein Erinnerungsfetzen im Tuch wusste davon. Und wusste auch, warum gerade hier die Menschen den Versuch erneut unternahmen, fruchtbares Gebiet der Wüste abzutrotzen. Ein rot leuchtendes Band zog sich unter СКАЧАТЬ