Название: Aufstieg der Schattendrachen
Автор: Liz Flanagan
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Legenden der Lüfte
isbn: 9783968267012
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Dann, als würde die Sonne hinter einer Wolke hervorkommen, lächelte der Herzog, und seine Miene veränderte sich völlig: »Lasst die Zeremonie beginnen!«
Isak zog das schützende Tuch von den Eiern.
Es waren fünf! Jo zählte und zählte noch einmal, um wirklich sicherzugehen.
Der ganze Markt wurde von einem ehrfürchtigen, erwartungsvollen Geraune erfüllt.
Fünf Eier. Zehn Anwärter. Die Hälfte von ihnen würde in die Drachenhalle einziehen. Die andere Hälfte niedergeschlagen nach Hause gehen. Jo hielt den Atem an und betete, dass weder er noch Conor oder Amina zu Letzteren gehörten.
Es gab ein cremefarbenes Ei, ein blaugrünes, ein goldgelbes und, was sehr ungewöhnlich war, zwei gleichfarbige: Beide waren hellviolett. In gewisser Weise war das eine Art Purpur – zwar nicht das tiefrote Purpur aus Jos Träumen, aber es kam dem recht nahe.
Ich komme, sagte er im Stillen zu den Eiern und den darin wartenden Drachen.
Milla stand in der ersten Reihe hinter ihrem riesigen blauen Drachen. Sie beugte sich an Iggies Hals vorbei, um Jo zuzulächeln, und formte mit den Lippen »Viel Glück!«.
Noch immer bewegte sich niemand.
Warum diese Verzögerung? Jo rieb sich den Nacken. Die heiße Sonne brannte auf seiner Haut. Sie juckte förmlich vor Ungeduld. Sein Gesicht glühte. Um sich abzulenken, musterte er die Menge, und sein Blick blieb an dem einzigen Gesicht hängen, das kummervoll aussah. Es gehörte Winter, einer der Drachenlosen. Sie hatte ihren Drachen während des Großen Drachensterbens vor zwei Jahren verloren. Damals waren auch einige Drachenlose gestorben. Die meisten waren jedoch von der Insel geflohen, weil sie nicht mit der Erinnerung an ihren Verlust leben konnten. Nur Winter war geblieben.
Es gab Gerüchte über einen Geist in dem verlassenen Wohnquartier im Nordwesten der Insel – dem Schattenviertel –, aber Jos Eltern hatten immer gesagt, dass es nur Winter sei, die in ihrem grauen Kleid und einem dunklen Umhang aus den Schatten auftauchte und wieder verschwand.
Ihre Mutter lebte immer noch in der Unterstadt, aber Winter lief Tag und Nacht durch die Straßen und sprach mit ihrem toten Drachen Jin. Die Menschen waren freundlich zu ihr, begleiteten sie sanft nach Hause und gaben ihr zu essen, dennoch war sie hager und abgerissen wie eine Vogelscheuche und wirkte wesentlich älter als vierzehn.
Normalerweise sah sie mit ihren grauen Augen einfach durch die Menschen hindurch. Heute aber fiel ihr Blick auf Jo, und was dieser darin sah, war unerträglich: abgrundtiefer, unvorstellbarer Schmerz. Er musste den Blick abwenden.
»Anwärter! Kommt und setzt euch im Kreis auf den Boden. Aber nicht zu nah. Lasst den Eiern Platz«, rief Isak sie endlich heran.
Die Menge hielt den Atem an. Alle Augen waren auf die Anwärter gerichtet. Conor führte sie an.
Jo wusste nicht mehr, wie man lief. Sein ganzer Körper hatte sich in Blei verwandelt. Die Blicke der Zuschauer lasteten schwer auf ihm.
Amina schob ihn sanft vorwärts.
Schwitzend und unbeholfen setzte er sich in Bewegung. Er trat Conor auf die Ferse, der unterdrückt fluchte.
Dann blieb er abrupt stehen, sodass Amina in ihn hineinlief.
»Jo! Reiß dich zusammen«, flüsterte sie.
»Tut mir leid! Tut mir leid!«, murmelte er den beiden zu. Sein Herz raste. Schließlich waren sie am Ziel und standen ganz vorn. Ravenna knurrte leise.
»Verteilt euch, bildet einen Kreis, keiner näher als der andere!«, erinnerte sie Isak und wies auf ihre Plätze. »Und jetzt setzt euch hin!«
Jo ließ sich mit zitternden Beinen sinken. Er spürte, wie ihm der Schweiß über den Rücken lief.
Amina saß kerzengerade da, ausnahmsweise ruhig und feierlich.
Conor schien von innen heraus zu leuchten.
Jo sah in die Runde und musterte die Gesichter seiner Konkurrenten. Sie wirkten entweder ernst, eifrig oder nervös. Alle, bis auf Noah, der ihm gegenübersaß und ihn grimmig anfunkelte.
Jo wandte den Blick ab und konzentrierte sich auf die Eier.
In der nun folgenden Stille machte es klar und deutlich Knacks.
4. Kapitel
Der erste Drache schlüpfte aus dem blaugrünen Ei. Er schob seinen schillernden dunkelgrünen Kopf durch den Riss und purzelte dann ganz heraus, als die Schale entzweibrach. Er sah aus wie eine kleine Eidechse mit einem Höcker auf dem Rücken, dort, wo sich seine gefalteten Flügel befanden. Jo saß auf den Knien, beugte sich vor und lauschte angestrengt. Komm, Drache, nimm mich! Ich bin hier!, rief er dem Schlüpfling trotz seines Traums in Gedanken zu. Es war ihm plötzlich egal, welche Farbe sein Drache hatte. Bei früheren Zeremonien hatte er gesehen, wie die Kinder singend oder pfeifend nach einem Jungen riefen. Er horchte in sich hinein, ob so etwas auch in ihm aufstieg. Doch er hörte nur ein dumpfes Rauschen in den Ohren.
Dann rief Tiago, der älteste Junge, von der anderen Seite des Kreises: »Lina! Li-na!« Sein rundes, offenes Gesicht war ganz und gar auf das Drachenjunge konzentriert. Auf Kinn und Wangen zeigten sich hier und da erste Ansätze eines Barts, und in seinen braunen Augen schimmerten Tränen.
Bluffte Tiago?, fragte Jo sich und hielt gespannt die Luft an. Aber nein. Der kleine grüne Drache wurde bei Tiagos Ruf ganz munter und versuchte, im gleichen Rhythmus zu antworten.
Isak traf seine Entscheidung: »Du kannst zu Lina gehen, Tiago. Füttere sie und halte sie warm.«
Jo hatte das Gefühl, als bekäme er nicht genügend Luft.
Noch vier Eier übrig.
Das cremefarbene war das nächste. Oben entstand ein winziges Loch. Jo konnte den Eizahn des Schlüpflings erkennen – den winzigen Knubbel auf seiner Nase –, mit dem er von innen gegen die Schale pickte.
Diesmal war es die Kleinste von ihnen, Flavia, ein winziges Mädchen aus Sartola, das nur wenige Plätze links von Jo saß und kaum alt genug wirkte, um hier zu sein. Sie hatte dünne Storchenbeine und riesige Augen, ihre schwarzen Haare waren im Nacken kurz geschnitten. Mit einer überraschend tiefen, trillernden Melodie sang sie dem kleinen Drachen laut vor. Noch bevor er ganz geschlüpft war, schob der Kleine den Kopf aus der Schale und zirpte zurück.
Es vergingen schmerzhaft lange Minuten des Wartens, bis er sich langsam herausgekämpft hatte und das kleine Mädchen ihn hochnehmen konnte. Sie musste dafür an Jo, Conor und Amina vorbeigehen, und er sah in den Gesichtern seiner Freunde, dass sie ebenso niedergeschmettert waren wie er. Zumindest durchlitten sie die Sache gemeinsam. Für einen kurzen Moment gestattete er sich, an später zu denken, sich vorzustellen, wie sie drei darüber sprachen und sich gegenseitig trösteten.
Zu Noah schaute Jo nicht.
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