Название: Aufstieg der Schattendrachen
Автор: Liz Flanagan
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Legenden der Lüfte
isbn: 9783968267012
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Er sah ihr an, dass sie noch mehr sagen wollte, aber er wandte sich seinem Vater zu, der in der Menge nach Isak und Tarya Ausschau hielt. Mit einem Anflug von Besorgnis bemerkte er, wie alt sein Vater aussah, als er dort auf seinem Gehstock lehnte, seine Haare leuchteten im Sonnenlicht schlohweiß.
»Wiedersehen, Vater.« Jo kam Nestan mit einer hastigen Umarmung zuvor. »Geht lieber runter, damit eure Plätze nicht weg sind.«
Nestan nickte. »Wir finden dich schon, hinterher.«
Hinterher. Wenn er, ganz vielleicht, einen Drachen im Arm halten würde! Jo versuchte, es sich vorzustellen: ein zappelndes purpurrotes Drachenjunges in seinen Armen. Seine Aufregung wurde immer größer.
Jo sah seinen Eltern hinterher, als sie auf dem heißen, überfüllten Marktplatz ihre Plätze suchten. Heute gab es dort keine Buden. Stattdessen saßen die Menschen in steil angeordneten Sitzreihen, als wären sie in einem Theater und warteten auf den Beginn der Vorstellung. Festliche Flaggen mit den Symbolen von Arcosi und Sartola wehten im Wind. Und genau in der Mitte lag, wie eine Bühne, ein sonnenbeschienener, kreisrunder Platz und wartete auf die Ankunft der Drachen und der Eier. Jos Magen verknotete sich vor Anspannung.
»Jo!«
Als er sich umdrehte, sah er seine Freunde, Amina und Conor, auf sich zustürmen, die ebenfalls in Weiß gekleidet waren. Sie mussten vor ihm angekommen sein. Er war froh, dass er mit ihnen zusammen Anwärter war.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Das war Amina, die vor Energie nur so sprühte und sich zu ihm durchdrängte. Um den Kopf trug sie ein neues weißes Tuch, das zu ihrem weißen Gewand passte.
»Amina!« Plötzlich kam Jo der Tag noch heller vor.
Conor folgte etwas langsamer und versetzte ihm einen leichten Stoß. »Nur weil du Geburtstag hast, bekommst du noch lange nicht den ersten Drachen, klar?«
»Natürlich nicht!« Jo grinste Conor an. »Aber wer weiß?«
»Anwärter!«, rief ein Drachenwächter, um sie auf sich aufmerksam zu machen. »Die Eier werden bald ankommen. Es dauert nicht mehr lange: Habt Geduld und nehmt eure Plätze ein.«
»Ha, der Teil dauert immer länger, als man denkt«, sagte Amina, die ungeduldig auf den Zehenspitzen wippte. »Das weiß ich noch von der letzten Zeremonie. Sie trauen sich nicht, die Kutsche schneller fahren zu lassen, damit die Eier nicht zu stark erschüttert werden. Wir haben also noch Zeit, dir deine Geschenke zu geben!«
»Jetzt?«, fragte Jo. »Aber sie werden uns gleich aufrufen.« Alles andere wurde zweitrangig.
»Nein, letztes Mal haben sie ewig gebraucht«, sagte Conor. »Alles Gute zum Geburtstag, Jo.« Er zog ein Päckchen aus der Tasche und gab es ihm. »Vorsichtig. Schneid dir nicht den Daumen ab. Ich weiß, wie ungeschickt du dich manchmal anstellst, Kumpel.«
Jo wickelte einen weichen Lederbeutel aus. Er öffnete ihn und holte ein kleines Messer mit einem Griff aus Elfenbein heraus, in den ein Flammen speiender Drachenkopf geschnitzt war.
»Vater und ich haben es letzten Winter auf einer Handelsreise gefunden«, sagte Conor. »Ich habe es für dich aufgehoben.«
»Boah!« Jo testete die Klinge an seinem Daumen. »Autsch. Ist die scharf!« Ein roter Blutstropfen bildete sich.
»Ich hab dich gewarnt, Dummi«, sagte Conor.
»He.« Jo steckte die Klinge in die Scheide und stieß Conor mit dem Ellbogen an.
»Er meint Danke«, sagte Amina.
»Danke, Conor. Im Ernst.« Jo verstaute das Messer vorsichtig in der Innentasche seiner weißen Jacke.
»Ich bin dran!«, sagte Amina, holte ein winziges Päckchen heraus, das in purpurrote Seide gewickelt war, und überreichte es Jo. Ihre Augen funkelten im Sonnenlicht wie Bernstein, und der blasse Schal betonte ihre braune Haut. Sie strahlte ihn mit ihren weißen Zähnen an, umarmte ihn hastig und sagte: »Das habe ich für dich gemacht.«
»Danke.« Jo war gerührt. Beim Öffnen des Päckchens leuchtete ihm eine schillernde Farbenpracht entgegen. Auf einem kleinen Stoffstück war auf tiefblauem Hintergrund ein purpurroter Drache eingewebt; aneinandergereihte bunte Sechsecke bildeten den Saum.
Schon wieder ein purpurner Drache! Wenn das kein Zeichen ist. »Das ist unglaublich«, sagte er. »Wirklich!«
»Wann bist du so gut geworden, Amina?«, fragte Conor vornübergebeugt. Er klang beeindruckt.
»Ich habe abends daran gearbeitet, wenn ich mit meinem Tagwerk fertig war.«
»Das muss ewig gedauert haben!«, sagte Jo.
Amina bekam rosige Wangen. »Das Blau habe ich mit Indigo von den Seideninseln hergestellt.« Amina kam aus einer Weberfamilie, die von dort stammte und sich einige Generationen zuvor auf Arcosi niedergelassen hatte. »Und das Rot habe ich aus Krappwurzel selbst angemischt …«
Jo faltete das Stoffstück sorgfältig zusammen und steckte es in die Hosentasche. Der Tag wurde immer mehr zu etwas ganz Besonderem. Er wollte gern sagen, wie glücklich er war. Wie wunderbar es sich anfühlte, Freunde zu haben, die ihn so gut kannten. »Ihr beide! Es ist … ich bin … versteht ihr?« Er fand keine Worte, stand einfach nur da und grinste sie an. »Vielen Dank.«
»Gern geschehen«, sagte Conor und grinste zurück.
»Noch fünf Minuten!«, rief der Drachenwächter ihnen zu. »Stellt euch bitte auf!«
Alle starrten schweigend zum Ende der Straße. Sie hatten diesen Moment geprobt. Sie wussten, wie es ablaufen würde, dennoch war das Ganze Ehrfurcht erregend.
Sämtliche Köpfe wandten sich um und sahen der Prozession der Drachen und der Eier-Kutsche entgegen. Sie rollte langsam die breite Hauptstraße entlang, die sich wie eine Schlange um die Insel wand.
Jo erhaschte einen Blick auf die Drachenmutter Ravenna. Sie schritt vor den Drachenwächtern her, die das Gefährt zogen. Als sie das Ende der Straße passierte, füllte sie den Durchlass vollständig aus. Jo sah ihre schwarzen gefalteten Flügel und den langen geschuppten Rücken, ihre Krallen glänzten auf dem Kopfsteinpflaster. Als spürte sie seinen Blick, wandte Ravenna den riesigen Kopf, starrte ihn aus gelben Augen an und fauchte.
Jo schnappte nach Luft. Er hatte zwar vom Beschützerinstinkt der Drachenmütter gehört, aber es war etwas völlig anderes, wenn dieser sich gegen einen persönlich richtete.
Doch ihm blieb keine Zeit: Die Anwärter setzten sich ebenfalls in Bewegung und folgten der Prozession die Hauptstraße hinab. Jo schaute über die Köpfe der anderen und stellte fest, dass er der Größte von allen war.
Conor ging vor ihm, seine rotbraunen Locken zerzausten beim Gehen immer mehr. Hinter ihm kam Amina, die vor Ungeduld ganz zappelig wirkte.
Jetzt entdeckte Jo mitten auf dem Marktplatz seinen Bruder und seine Schwester. Eigentlich waren sie seine Halbgeschwister, aber in Jos Augen gab es diesbezüglich keine halben Sachen. Er liebte beide abgöttisch.
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