Название: Der letzte Mensch
Автор: Mary Shelley
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783159618371
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In der Abgeschiedenheit und auf vielen einsamen Wanderungen fernab aller Zivilisation reiften seine Ideen für die Reform der englischen Regierung und die Verbesserungen für das Volk heran. Es wäre besser gewesen, wenn er seine Gedanken verborgen hätte, bis er in den Besitz der Macht gekommen wäre, die für ihre praktische Ausführung sorgen würde. Doch aufrichtig und furchtlos wie er war, plagte ihn eine Ungeduld bezüglich der Jahre, die zuvor verstreichen müssten. Er lehnte nicht nur die Pläne seiner Mutter kurzerhand ab, sondern gab seine Absicht bekannt, seinen Einfluss darauf zu verwenden, die Macht des Adels zu verringern, einen besseren Ausgleich von Reichtum und Privilegien zu bewirken und ein ausgeklügeltes System der Republik in England einzuführen. Zuerst behandelte seine Mutter seine Theorien als wilde Ausbrüche, die seiner Unerfahrenheit geschuldet waren. Aber sie waren so systematisch geordnet und seine Argumente so gut begründet, dass sie, wenngleich sie immer noch ungläubig wirkte, begann, ihn zu fürchten. Sie versuchte, ihn umzustimmen, und als ihr dies nicht gelang, lernte sie ihn zu hassen.
Seltsamerweise war dieses Gefühl ansteckend. Seine Begeisterung für das Gute, das es nicht gab, seine Verachtung für die Unantastbarkeit der Autorität, sein Eifer und seine Unbesonnenheit standen alle im völligen Gegensatz zum üblichen Lebensalltag. Die Weltlichen fürchteten ihn, die Jungen und Unerfahrenen verstanden weder die hohe Strenge seiner moralischen Ansichten, noch mochten sie ihn, da er sich so von ihnen unterschied. Evadne konnte sich nicht recht für seine Pläne erwärmen. Sie hielt es für gut, dass er seinen Willen durchsetzte, aber sie wünschte, dass dieser Wille für die Masse verständlicher wäre. Sie hatte nichts vom Geist eines Märtyrers an sich und war nicht geneigt, die Schande und Niederlage eines gefallenen Patrioten zu teilen. Sie war sich der Reinheit seiner Motive, der Großzügigkeit seiner Veranlagung, seiner aufrichtigen und glühenden Liebe zu ihr bewusst, und sie empfand eine große Zuneigung für ihn. Er erwiderte diesen Geist der Güte mit liebevoller Dankbarkeit und machte sie zur Schatzkammer all seiner Hoffnungen.
Zu dieser Zeit kehrte Lord Raymond aus Griechenland zurück. Keine zwei Personen könnten gegensätzlicher sein als Adrian und er. Trotz all der Widersprüchlichkeiten seines Charakters war Raymond eindeutig ein Mann von Welt. Er neigte zur Unbeherrschtheit; da seine Leidenschaften oft die Kontrolle über ihn erlangten, konnte er sein Verhalten nicht immer zu seinen Gunsten steuern, doch er handelte stets voller Selbstsucht. Er betrachtete die Struktur der Gesellschaft als einen Teil der Maschinerie, die das Netz, auf dem sein Leben beruhte, stützte. Die Erde breitete sich vor ihm aus wie eine Straße, der Himmel türmte sich über ihm als ein Baldachin auf.
Adrian fühlte, dass er Teil eines großen Ganzen war. Er empfand nicht nur eine Verbundenheit mit den Menschen, sondern zur ganzen Natur; die Berge und der Himmel waren seine Freunde, die Winde des Himmels und der Bewuchs der Erde seine Spielkameraden. Während er sich nur auf diesen mächtigen Spiegel konzentrierte, spürte er, wie sich sein Leben mit dem Universum der Existenz vermischte. Seine Seele war voller Zuneigung und ganz dem Schönen und Guten gewidmet. Adrian und Raymond kamen nun in Kontakt, und es entwickelte sich eine Abneigung zwischen ihnen. Adrian lehnte die engstirnigen Ansichten des Politikers ab, Raymond wiederum verachtete die wohltätigen Visionen des Philanthropen zutiefst.
Mit der Ankunft Raymonds kam der Sturm auf, der auf einen Schlag die Gärten der Freude und der lauschigen Pfade verwüstete, die Adrian sich als eine Zuflucht vor Niederlage und Schmach gesichert zu haben glaubte. Raymond, der Befreier Griechenlands, der elegante Soldat, der in seiner Miene einen Hauch von allem, was ihrer Heimat zugehörig war, trug, wurde von Evadne verehrt – er wurde von Evadne geliebt. Überwältigt von ihren neuen Empfindungen, hielt sie nicht inne, um sie zu bedenken oder ihr Verhalten durch irgendwelche anderen Gefühle zu steuern außer dem unwiderstehlichen, das plötzlich Besitz von ihrem Herzen ergriff. Sie gab seinem Einfluss nach, und die nur zu natürliche Konsequenz eines Geistes, der sanfte Gefühle nicht gewohnt ist, war, dass die Aufmerksamkeit Adrians ihr unangenehm wurde. Sie wurde launisch; ihr zärtliches Verhalten ihm gegenüber wich Schroffheit und zurückweisender Kälte. Wenn sie den gefühlvollen Ausdruck seines Gesichtes wahrnahm, gab sie zuweilen nach und nahm für eine Weile wieder ihre alte Freundlichkeit an. Aber diese Schwankungen erschütterten die Seele des empfindsamen Jünglings bis ins Mark; er glaubte nicht mehr, dass die Welt ihm gehörte, weil er Evadnes Liebe besaß; er fühlte in jedem Nerv, dass die schrecklichen Stürme des geistigen Universums seine zerbrechliche Seele angreifen würden, die in der Erwartung ihres Erscheinens zitterte.
Perdita, die damals bei Evadne lebte, sah die Marter, die Adrian erduldete. Sie liebte ihn als einen freundlichen älteren Bruder; einen Verwandten, der sie führte, schützte und unterrichtete, ohne die allzu häufige Tyrannei der elterlichen Autorität. Sie verehrte seine Tugenden und sah mit gemischter Verachtung und Entrüstung, wie Evadne wegen eines andern, der sie kaum beachtete, düstere Trauer über ihn brachte. In seiner einsamen Verzweiflung besuchte Adrian oft meine Schwester und drückte in verdeckten Begriffen sein Elend aus, während Stärke und Pein um den Thron seines Geistes rangen. Bald, ach! würde einer besiegt sein. Wut machte keinen Teil seiner Gefühle aus. Auf wen sollte er wütend sein? Nicht auf Raymond, der von dem Elend, das er verursachte, nichts wusste; nicht auf Evadne, für sie weinte seine Seele blutige Tränen – das arme, fehlgeleitete Mädchen, das Sklavin, nicht Tyrannin war, und unter seiner eigenen Qual betrauerte er ihr zukünftiges Schicksal. Einmal fiel Perdita ein Schreiben von ihm in die Hände; es war mit Tränen befleckt – möge ein jeder es damit beflecken –
»Das Leben« – so begann es – »ist nicht das, als was Romanschreiber es beschreiben; die Schritte eines Tanzes machen und nach verschiedenen Drehungen zu einem Abschluss kommen, worauf die Tänzer sich setzen und ausruhen können. Im wahren Leben gibt es Handlungen und Veränderungen. Wir gehen voran, in Gedanken stets mit unserm Ursprung verbunden, jede Handlung folgt einer früheren Handlung. Keine Freude oder Trauer stirbt ohne Nachkommenschaft, welche, stets hervorgebracht und selbst Neues hervorbringend, die Kette flicht, die unser Leben ist:
Tage rufen andre Tage
Und verketten je und je
Klag um Klage, Weh um Weh.
Wahrhafte Enttäuschung ist die Schutzgöttin des menschlichen Lebens; sie sitzt an der Schwelle der ungeborenen Zeit und ordnet die zukünftigen Ereignisse. Einst hüpfte mein Herz leicht in meiner Brust; die ganze Schönheit der Welt war doppelt schön, bestrahlt von dem aus meiner eigenen Seele gegossenen Sonnenlicht. O warum verbindet sich die Liebe in unserem sterblichen Traum stets mit dem Untergang? So dass, wenn wir unser Herz zu einem Lager für dies sanft anmutende Geschöpf machen, stets sein Gefährte mit ihm eintritt und erbarmungslos in Schutt und Asche legt, was ein Zuhause und eine Zuflucht hätten sein können.«
Nach und nach wurde seine Gesundheit durch sein Elend erschüttert, und dann gab auch sein Verstand der Marter nach. Sein Benehmen wurde wild; er war zuweilen rasend, zuweilen in stumme Melancholie versunken. Plötzlich verließ Evadne London und reiste nach Paris; er folgte ihr und holte sie ein, als das Schiff im Begriff war abzusegeln; niemand СКАЧАТЬ