Der letzte Mensch. Mary Shelley
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Название: Der letzte Mensch

Автор: Mary Shelley

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783159618371

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СКАЧАТЬ wurde ein Abenteurer in den griechischen Kriegen. Sein waghalsiger Mut und seine großen Begabungen brachten ihm Ruhm ein; er wurde der Lieblingsheld dieses aufstrebenden Volkes. Allein seine ausländische Geburt, denn er weigerte sich, seine Loyalität zu seinem Heimatland aufzugeben, verhinderte, dass er die obersten Posten im Staat besetzte. Doch obgleich andere in Titel und Zeremoniell höher rangierten, stand Lord Raymond über ihnen. Er führte die griechischen Armeen zum Sieg, all ihre Triumphe waren die seinen. Wo er erschien, schwärmten ganze Stadtbevölkerungen aus, um ihn zu sehen, ihren Nationalhymnen wurden neue Liedtexte gegeben, die von seinem Ruhm, seiner Tapferkeit und Freigebigkeit sangen.

      Ein Waffenstillstand wurde zwischen den Griechen und Türken geschlossen. Zur gleichen Zeit wurde Lord Raymond durch einen unerwarteten Zufall der Besitzer eines ungeheuren Vermögens in England, wohin er mit Ruhm gekrönt zurückkehrte, um den Ehrenlohn und die Auszeichnung zu erhalten, die ihm zuvor verweigert worden waren. Sein stolzes Herz rebellierte gegen die geänderte Behandlung. War er nicht noch immer derselbe, der einst verachtete Raymond? Wenn der Erwerb von Macht in der Gestalt von Reichtum diese Veränderung verursachte, sollten sie diese Macht als ein eisernes Joch fühlen. Macht war daher das Ziel all seiner Bestrebungen; die Erhöhung des Stands war das, worauf er stets abgezielt hatte. In offenem Ehrgeiz oder heimlicher Intrige war sein Ziel dasselbe: die oberste Stellung in seinem eigenen Land zu erreichen.

      Diese Sache hatte meine Neugier erregt. Die Ereignisse, die auf seine Rückkehr nach England folgten, verschärften meine Gefühle. Abgesehen von seinen anderen Vorzügen war Lord Raymond äußerst gut aussehend, jeder bewunderte ihn, Frauen liebten ihn. Er war höflich, konnte in süßen Worten sprechen – er war ein Meister der Verführungskunst. Was konnte dieser Mann in der geschäftigen englischen Gesellschaft nicht alles erreichen! Der Veränderung folgten weitere Veränderungen; die ganze Geschichte hat mich allerdings nicht erreicht, denn Adrian hatte aufgehört zu schreiben, und Perdita schickte stets nur kurze Nachrichten. Es ging das Gerücht, Adrian sei – wie das fatale Wort niederschreiben? – geisteskrank; dass Lord Raymond der Liebling der einstigen Königin sei und der von ihr für ihre Tochter bestimmte Ehemann. Mehr noch, dass dieser aufstrebende Adlige den Anspruch des Hauses Windsor auf die Krone wiederbelebe und dass die Stirn des ehrgeizigen Raymond, im Falle der Unheilbarkeit von Adrians Krankheit und seiner Ehe mit dessen Schwester, mit dem magischen Reif des Königtums bekränzt werden könnte.

      Jene ruhmvolle Geschichte erscholl überall; jene Geschichte machte meinen weiteren Aufenthalt in Wien, fern von dem Freund meiner Jugend, unerträglich. Jetzt musste ich meinen Schwur erfüllen, jetzt mich ihm zur Seite stellen und sein Verbündeter und Unterstützer sein bis zum Tode. Leb wohl, höfisches Vergnügen, auf zur politischen Intrige, auf ins Labyrinth der Leidenschaft und Torheit! Sei gegrüßt, England! Heimisches England, empfange dein Kind! Du bist der Schauplatz all meiner Hoffnungen, die gewaltige Bühne, auf der das einzige Drama gespielt wird, das mich fesseln kann. Eine unwiderstehliche Stimme, eine allgewaltige Macht zog mich dorthin. Nach einer Abwesenheit von zwei Jahren landete ich an seinen Ufern und wagte nicht, irgendwelche Fragen zu stellen, so sehr fürchtete ich mich vor den Antworten. Meinen ersten Besuch würde ich meiner Schwester abstatten, die ein kleines Häuschen, auch dies war Adrians Geschenk, am Rande des Waldes von Windsor bewohnte. Von ihr sollte ich die Wahrheit über unseren Gönner erfahren; ich sollte hören, warum sie sich aus dem Schutz Prinzessin Evadnes zurückgezogen hatte, und über den Einfluss unterrichtet werden, den dieser gewaltig emporragende Raymond auf die Geschicke meines Freundes ausübte.

      Ich war noch nie zuvor in der Nähe von Windsor gewesen; die Fruchtbarkeit und Schönheit des Landes um mich herum flößten mir jetzt Bewunderung ein, die sich vertiefte, als ich mich dem altehrwürdigen Wald näherte. Die Stümpfe majestätischer Eichen, die im Laufe der Jahrhunderte gewachsen, gediehen und verfallen waren, markierten die einstige Grenze des Waldes, während die zerbrochenen Umzäunungen und das verfilzte Unterholz anzeigten, dass dieser Teil zugunsten der jüngeren Anpflanzungen verlassen worden war, die zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts angelegt wurden und jetzt in voller Reife standen. Perditas bescheidene Behausung lag an den Rändern des ältesten Teils; vor ihr lag Bishopsgate Heath, das sich, so weit das Auge reichte, nach Osten erstreckte, und im Westen von Chapel Wood und dem Hain von Virginia Water begrenzt wurde. Dahinter wurde die Hütte von den ehrwürdigen Riesen des Waldes beschattet, unter denen Hirsche grasten, und welche, größtenteils hohl und zerfallen, phantastische Gruppierungen bildeten, die mit der gewöhnlichen Schönheit der jüngeren Bäume kontrastierten. Diese, die Nachkommen einer späteren Periode, standen aufrecht und schienen bereit, furchtlos in die kommende Zeit vorzustoßen; während jene abgekämpften Gerippe sich ausgedörrt und zerschmettert aneinanderklammerten und ihre schwachen Äste im sie schüttelnden Wind seufzten – eine wettergegerbte Truppe.

      Eine zierliche Umzäunung umgab den Garten der Hütte, welche mit ihrem niedrigen Dach der Majestät der Natur zu unterliegen und sich inmitten der ehrwürdigen Überreste vergangener Zeit niederzukauern schien. Blumen, die Kinder des Frühlings, schmückten Garten und Fenster; inmitten der Einfachheit herrschte ein Hauch von Eleganz, der auf den anmutigen Geschmack der Bewohnerin hindeutete. Mit pochendem Herzen betrat ich den Garten; als ich am Eingang der Hütte stand, hörte ich ihre Stimme, die so melodisch klang wie in meiner Erinnerung und die mich, noch ehe ich sie sah, ihres Wohlergehens versicherte.

      Einen Augenblick darauf erschien Perdita; sie stand vor mir in der frischen Blüte jugendlicher Fraulichkeit, anders als das Bergbauernmädchen, das ich verlassen hatte, und doch dieselbe. Ihre Augen konnten nicht tiefsinniger sein als in der Kindheit und ihr Antlitz nicht ausdrucksvoller; aber der Ausdruck war verändert und verfeinert; Intelligenz sprach daraus. Als sie lächelte, wurde ihr Gesicht von der sanftesten Empfindsamkeit versüßt, und ihre leise, wohlklingende Stimme schien von der Liebe gestimmt. Ihre Gestalt hatte äußerst weibliche Formen erhalten. Sie war nicht groß, doch das Leben in den Bergen hatte ihre Bewegungen beflügelt, so dass ihr leichter Schritt ihre Fußtritte kaum hörbar machte, als sie mir durch den Flur entgegenging. Als wir uns getrennt hatten, hatte ich sie voller Wärme an meine Brust gezogen; wir trafen uns wieder, und neue Gefühle wurden erweckt. Als wir einander erblickten, verging die Kindheit, nun begegneten wir uns als Erwachsene in dieser wechselvollen Szene. Dies Innehalten dauerte nur einen Augenblick; die Flut von Zuneigung stürzte wieder mit voller Kraft in unsere Herzen, und wir umarmten uns mit den zärtlichsten Empfindungen.

      Als dieser Ausbruch leidenschaftlichen Gefühls vorüber war, saßen wir mit wieder beruhigten Gedanken beisammen und redeten von Vergangenheit und Gegenwart. Ich spielte auf den kühlen Ton ihrer Briefe an, aber die wenigen Minuten, die wir zusammen verbracht hatten, erklärten die Ursache dafür hinreichend. In ihr waren neue Gefühle entstanden, die sie einem Menschen, den sie nur in der Kindheit gekannt hatte, nicht schriftlich ausdrücken konnte; doch nun, da wir uns wiedersahen, wurde unsere Nähe erneuert, als ob nichts sie je unterbrochen hätte. Ich berichtete ausführlich über die Geschehnisse während meines Aufenthalts im Ausland und fragte sie dann nach den Veränderungen, die zu Hause stattgefunden hatten, nach den Ursachen für Adrians Abwesenheit und ihr zurückgezogenes Leben.

      Die Tränen, die meiner Schwester in die Augen strömten, als ich unseren Freund erwähnte, und ihre geröteten Wangen schienen für die Wahrheit der Berichte zu bürgen, die mich erreicht hatten. Doch ihre Bedeutung war zu schrecklich für mich, um meine Ahnung sofort zur Wahrheit werden zu lassen. Gab es wirklich eine Unordnung im erhabenen Universum von Adrians Gedanken, brachte der Wahnsinn die wohlgeordneten Legionen durcheinander und war er nicht mehr der Herr seiner eigenen Seele? Geliebter Freund, das Klima dieser unseligen Welt war schädlich für deinen sanften Geist; du gabst seine Herrschaft zugunsten falscher Menschlichkeit auf, die ihn vor der Winterzeit seiner Blätter beraubte und sein nacktes Leben dem unheilvollen Einfluss rauer Winde preisgab. Haben diese sanften Augen, diese »Kanäle zur Seele«, ihre Sinnhaftigkeit verloren, oder offenbaren sie in ihrem Blick nurmehr die schreckliche Geschichte ihrer Verirrungen? Sollte diese Stimme nicht mehr die »beredteste Musik sprechen«? Schrecklich, überaus schrecklich! Ich bedecke meine Augen vor Entsetzen über die Veränderung, und die strömenden Tränen bezeugen mein Mitleid für diesen unvorstellbaren Untergang.

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