Название: Verantwortlich leben
Автор: Timothy J Geddert
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783862567348
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Im ersten Teil dieses Buches möchte ich einige dieser Themen grundlegend besprechen. Dazu gehören Themen wie: unsere »Hermeneutik« (Grundsätzliches zum Thema »Bibelauslegung und -anwendung«), die Grundzüge einer biblischen Ethik, das Wesen der christlichen Gemeinschaft und ihre ethische Verantwortung, die Rolle der Bergpredigt für diese Überlegungen. Ich werde dazu mehrere biblische Texte betrachten und mehrere ethische Fragen ansprechen.
Es ist jedoch nicht das Ziel dieses Abschnittes, endgültige Antworten anzubieten. Es geht vielmehr darum, grundsätzliche Überlegungen und Richtlinien zu überprüfen, die wir dann später anwenden können, wenn wir uns mit konkreten ethischen Fragen auseinandersetzen. Es ist nicht die Absicht dieses Buches, eine bestimmte Position als richtig zu erklären und alle anderen Positionen als falsch. Es geht mir darum, Dinge ans Licht zu bringen, die uns zeigen, wo wir aneinander vorbeireden. Diese Punkte können uns dann hoffentlich helfen, im Gespräch weiter zu kommen. Damit sollten wir besser in der Lage sein, die teilweise schwierigen Themen des zweiten Teiles dieses Buches anzupacken.
GRUNDLEGENDES
1. Gott spricht durch die Bibel: Warum hören wir so unterschiedlich?
Im ersten Kapitel will ich darstellen, wie ich selbst mit der Bibel umgehe. Nicht alle Meinungen über die Bibel, die fromm klingen, sind hilfreich, um aus der Bibel Wegweisungen zu gewinnen. Aber welche Haltungen in Bezug auf das Wesen der Bibel helfen? Was für ein Buch ist die Bibel überhaupt? Welche Ziele, welche Haltungen, welche Schritte können uns voranbringen?
Der Mittelweg
Es gibt Gemeinden, die die christlichen Traditionen der Vergangenheit relativ unkritisch über den Haufen werfen. Dabei passen sie sich all zu schnell der heutigen Kultur an. Die Bibel wird zwar zitiert, wenn sie heutige Einstellungen und Trends zu unterstützen scheint, aber stillschweigend zur Seite gelegt, wenn das nicht der Fall ist. Richtschnur für Glauben und Leben ist sie damit nicht.
Es gibt aber auch Gemeinden, die der Gefahr auf der anderen Seite erliegen. Sie halten die Traditionen ihrer kirchlichen Vergangenheit relativ unkritisch aufrecht, manchmal auf Kosten von Relevanz und Konsequenz. Manches wird als unumstößliche biblische Wahrheit und Wegweisung angesehen, was eigentlich Tradition ist oder früher einmal in einer bestimmten Situation eine angemessene Anwendung der biblischen Lehre war. Wenn wir Traditionen aufrechterhalten, ohne die Bibel heute zu befragen, dann ist sie auch nicht unsere Richtschnur.
Es geht also darum, den Mittelweg zu finden. Paulus empfiehlt: »Prüft alles, und behaltet das Gute!« (1. Thessalonicher 5,21). Und das ist tatsächlich der bessere Weg. Weder die heutige Kultur noch die Traditionen der Vergangenheit dürfen zum Maßstab werden. Maßstab ist die Bibel, und wenn wir sie angemessen betrachten, vermittelt sie uns Wegweisungen fürs Leben.
»Sola Scriptura«: Allein die Schrift
Gerade dieser Mittelweg ist manchmal aber ein schwerer Weg. Denn er bedeutet, mit der Bibel in der Hand sowohl die heutige Kultur als auch die kirchlichen Traditionen der Vergangenheit kritisch zu hinterfragen. Das ist gar nicht so einfach, denn von alleine beantwortet die Bibel unsere Fragen nicht. Der reformatorische Grundsatz Martin Luthers Sola Scriptura (allein die Schrift) bedeutet nicht, dass die Bibel automatisch alles von selbst erledigt.
Wir müssen unsere Richtlinien in der Bibel suchen und finden. Und dafür brauchen wir nicht nur Wissen über die Bibel, nicht nur eine gute Konkordanz oder die Bereitschaft, biblische Aussagen anzunehmen, sondern wir brauchen auch die richtige Einstellung zur Bibel. Wir benötigen eine gute Herangehensweise an die Bibel, brauchen die Bereitschaft, miteinander und voneinander zu lernen, wie sie richtig ausgelegt und angewendet werden soll – und das alles, obwohl wir die Bibel manchmal sehr unterschiedlich verstehen. Unterschiedlich vor allem deswegen, weil wir uns nicht einig sind, wem eine Bibelstelle gilt und wie sie heute in die Praxis umgesetzt werden soll.
Die Bibel ist nämlich nicht völlig »zeitlos« und situationsunabhängig zu verstehen. Gott ist ein Gott der Geschichte, der in konkrete Situationen hinein geredet hat und immer wieder redet. Die Aussagen der Bibel sind also nicht immer direkt und in allen Situationen gleichermaßen anwendbar, schon gar nicht ohne Auslegung.
Die Verheißungen zum Beispiel wurden häufig in konkrete Situationen hinein gesprochen. Es wäre ein großer Fehler, alle Verheißungen der Bibel so zu verstehen, als wäre immer ich selbst gemeint. Als Gott zu Abraham und Sarah oder auch zu Zacharias und Elisabeth sagte: »Ihr werdet in eurem hohen Alter einen Sohn bekommen«, meinte er damit nicht, dass auch ich und meine Frau diese Verheißung in Anspruch nehmen sollten, oder? Sie galt nicht uns, sondern bestimmten Menschen damals.
Als Jesus sagte: »Macht euch nicht im Voraus Sorgen, was ihr sagen sollt; sondern was euch in jener Stunde eingegeben wird, das sagt!« (Markus 13,11), meinte er damit nicht, dass sich Prediger nicht für ihren Dienst vorbereiten sollten. Es war ein Wort für die verfolgten Apostel, die vor Gericht gezerrt würden und sich gar nicht darauf vorbereiten können würden. Das ist uns zwar klar, aber viele Menschen meinen trotzdem: Wer der Bibel treu sein will, der muss glauben, dass ihr gesamter Inhalt direkt angewendet werden kann und muss – auf alle Menschen, in allen Situationen. So mancher meint, dass die Aussagen der Bibel nie und nimmer anlassbezogen oder situationsbedingt sind. Es ist aber so, zumindest in vielen Fällen. Dazu später mehr.
Was für Verheißungen in der Bibel gilt, das gilt auch für Aufforderungen und Befehle. Als Jesus zu den Aposteln sagte: »Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd« (Lukas 9,3), meinte er ganz konkret diese Apostel auf der ihnen bevorstehenden Missionsreise – und nicht alle Menschen in allen Zeiten, die irgendwelche Reisen unternehmen!
Natürlich gibt es ebenso auch zeitlose und situationsübergreifende Verheißungen und Aufforderungen, die die Schrift uns direkt vermittelt. Wir sollten zum Beispiel nicht behaupten, wir seien nicht gemeint, wenn Jesus zu seinen Jüngern sagt: »Wenn ihr beten wollt und ihr habt einem anderen etwas vorzuwerfen, dann vergebt ihm, damit auch euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen vergibt« (Markus 11,25). Wir sollten nicht behaupten, wir seien nicht gemeint, wenn Paulus einer Gemeinde sagt: »Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat« (Epheser 5,1/2). Und was Verheißungen angeht, so dürfen wir zwar die Verheißung für uns in Anspruch nehmen, als Gott zu Josua spricht: »Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht. Sei mutig und stark!« (Josua 1,5/6 a). Doch was Gott im Anschluss daran sagt, ist nicht für uns gemeint: »Denn du sollst diesem Volk das Land zum Besitz geben« (Josua 1,6 b). Damit hat Gott nicht uns gemeint. Da geht es um das damalige Israel und das damals ihm verheißene Land.
Und genau das ist nun der Punkt, an dem wir in Schwierigkeiten kommen. Woher wissen wir, wann die Bibel СКАЧАТЬ