Fratelli tutti. Papst Franziskus
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fratelli tutti - Papst Franziskus страница 7

Название: Fratelli tutti

Автор: Papst Franziskus

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783843613149

isbn:

СКАЧАТЬ Der Geburtenrückgang, der zu einer Alterung der Bevölkerung führt, und die Tatsache, dass die älteren Menschen einer schmerzlichen Einsamkeit überlassen werden, bringen implizit zum Ausdruck, dass alles mit uns vorbei sein wird, wo nur unsere individuellen Interessen zählen. So »werden heute nicht nur Nahrung und überflüssige Güter zu Abfall, sondern oft werden sogar die Menschen ›weggeworfen‹«.14 Wir haben gesehen, was mit den älteren Menschen an einigen Orten der Welt aufgrund des Corona-Virus geschehen ist. Sie sollten nicht auf diese Weise sterben. Tatsächlich aber war etwas Ähnliches schon bei mancher Hitzewelle und unter anderen Umständen vorgefallen: Sie wurden brutal weggeworfen. Es wird uns bewusst, dass eine Isolierung der älteren Menschen und ihre Übergabe in die Obhut anderer ohne eine angemessene und gefühlvolle familiäre Begleitung die Familie selbst verstümmelt und ärmer macht. Im Übrigen führt es dazu, dass den jungen Menschen der nötige Kontakt mit ihren Wurzeln und mit einer Weisheit, welche die Jugend von sich aus nicht erreichen kann, vorenthalten wird.

      20 Diese Aussonderung zeigt sich auf vielfältige Weise, wie etwa in der Versessenheit, die Kosten der Arbeit zu reduzieren, ohne sich der schwerwiegenden Konsequenzen bewusst zu werden, die eine solche Maßnahme auslöst; denn die entstandene Arbeitslosigkeit führt direkt zu einer zunehmenden Verbreitung der Armut.15 Die Aussonderung nimmt zudem abscheuliche Formen an, die wir als überwunden glaubten, wie etwa der Rassismus, der verborgen ist und immer wieder neu zum Vorschein kommt. Die verschiedenen Ausprägungen des Rassismus erfüllen uns erneut mit Scham, denn sie zeigen, dass die vermeintlichen Fortschritte der Gesellschaft nicht so real und ein für alle Mal abgesichert sind.

      21 Es gibt wirtschaftliche Regeln, die sich als wirksam für das Wachstum, aber nicht gleicherweise für die Gesamtentwicklung des Menschen erweisen.16 Der Reichtum wächst, aber auf ungleiche Weise, und so »entstehen neue Formen der Armut«.17 Wenn man sagt, dass die moderne Welt die Armut verringert habe, so misst man hier mit Maßstäben anderer Epochen, die nicht mit der aktuellen Wirklichkeit vergleichbar sind. In anderen Zeiten wurde zum Beispiel die Tatsache, dass man keinen Zugang zur elektrischen Energie hatte, nicht als Zeichen der Armut betrachtet und gab keinen Anlass zu Sorge. Man untersucht und man versteht die Armut immer nur im Zusammenhang mit den wirklichen Gegebenheiten eines bestimmten historischen Moments.

      Menschenrechte, die nicht universal genug sind

      22 Oft stellt man fest, dass tatsächlich die Menschenrechte nicht für alle gleich gelten. Die Achtung dieser Rechte »ist ja die Vorbedingung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Wenn die Würde des Menschen geachtet wird und seine Rechte anerkannt und gewährleistet werden, erblühen auch Kreativität und Unternehmungsgeist, und die menschliche Persönlichkeit kann ihre vielfältigen Initiativen zugunsten des Gemeinwohls entfalten«.18 Doch »wenn man unsere gegenwärtigen Gesellschaften aufmerksam beobachtet, entdeckt man in der Tat zahlreiche Widersprüche, aufgrund derer wir uns fragen, ob die Gleichheit an Würde aller Menschen, die vor nunmehr 70 Jahren feierlich verkündet wurde, wirklich unter allen Umständen anerkannt, geachtet, geschützt und gefördert wird. Es gibt heute in der Welt weiterhin zahlreiche Formen der Ungerechtigkeit, genährt von verkürzten anthropologischen Sichtweisen sowie von einem Wirtschaftsmodell, das auf dem Profit gründet und nicht davor zurückscheut, den Menschen auszubeuten, wegzuwerfen und sogar zu töten. Während ein Teil der Menschheit im Überfluss lebt, sieht der andere Teil die eigene Würde aberkannt, verachtet, mit Füßen getreten und seine Grundrechte ignoriert oder verletzt«.19 Was sagt das über die Gleichheit der Rechte aus, die in derselben Menschenwürde begründet liegen?

      23 Entsprechend sind die Gesellschaften auf der ganzen Erde noch lange nicht so organisiert, dass sie klar widerspiegeln, dass die Frauen genau die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben wie die Männer. Mit Worten behauptet man bestimmte Dinge, aber die Entscheidungen und die Wirklichkeit schreien eine andere Botschaft heraus. In der Tat, »doppelt arm sind die Frauen, die Situationen der Ausschließung, der Misshandlung und der Gewalt erleiden, denn oft haben sie geringere Möglichkeiten, ihre Rechte zu verteidigen«.20

      24 Seien wir uns ebenso folgender Tatsache bewusst: »Obwohl die internationale Gesellschaft zahlreiche Abkommen getroffen hat mit dem Ziel, der Sklaverei in all ihren Formen ein Ende zu setzen, und verschiedene Strategien eingeleitet hat, um dieses Phänomen zu bekämpfen, […] werden noch heute Millionen Menschen – Kinder, Männer und Frauen jeden Alters – ihrer Freiheit beraubt und gezwungen, unter Bedingungen zu leben, die denen der Sklaverei vergleichbar sind. […] Heute wie gestern liegt an der Wurzel der Sklaverei ein Verständnis vom Menschen, das die Möglichkeit zulässt, ihn wie einen Gegenstand zu behandeln. […] Der Mensch, der als Abbild Gottes und ihm ähnlich erschaffen ist, wird mit Gewalt, mit List oder durch physischen bzw. psychologischen Zwang seiner Freiheit beraubt, kommerzialisiert und zum Eigentum eines anderen herabgemindert; er wird als Mittel und nicht als Zweck behandelt«. Die kriminellen Netze »bedienen sich geschickt der modernen Informationstechnologien, um junge und sehr junge Menschen aus aller Welt anzulocken«.21 Die Verirrung kennt keine Grenzen, wenn man Frauen versklavt, die dann zur Abtreibung gezwungen werden. Es kommt sogar zu abscheulichen Taten wie der Entführung von Menschen, um ihre Organe zu verkaufen. All das macht den Menschenhandel und andere aktuelle Formen der Sklaverei zu einem weltweiten Problem, das von der gesamten Menschheit ernstgenommen werden muss, denn »wie die kriminellen Organisationen sich globaler Netze bedienen, um ihre Ziele zu erreichen, so erfordert die Aktion zur Überwindung dieses Phänomens außerdem eine gemeinsame und ebenso globale Anstrengung seitens der verschiedenen Akteure, welche die Gesellschaft bilden«.22

      Konflikt und Angst

      25 Kriege, Attentate, Verfolgungen aus rassistischen oder religiösen Motiven und so viele Gewalttaten gegen die Menschenwürde werden auf verschiedene Weise geahndet, je nachdem, ob sie für bestimmte, im Wesentlichen wirtschaftliche Interessen mehr oder weniger günstig sind. Etwas ist wahr, solange es einem Mächtigen genehm ist, und ist es dann nicht mehr, wenn es seinen Nutzen für ihn verliert. Solche Gewaltsituationen haben »sich in zahlreichen Regionen der Welt so vervielfältigt, dass sie die Züge dessen angenommen haben, was man einen ›dritten Weltkrieg in Abschnitten‹ nennen könnte«.23

      26 Das verwundert nicht, wenn wir das Fehlen von Horizonten feststellen, die uns zur Einheit zusammenführen, weil in jedem Krieg letztlich »das Projekt der Brüderlichkeit selbst […], das der Berufung der Menschheitsfamilie eingeschrieben ist«, zerstört wird, denn »jede Bedrohung nährt das Misstrauen und fördert den Rückzug auf die eigene Position«.24 So schreitet unsere Welt in einer sinnlosen Dichotomie fort, mit dem Anspruch, »Stabilität und Frieden auf der Basis einer falschen, von einer Logik der Angst und des Misstrauens gestützten Sicherheit verteidigen und sichern zu wollen«.25

      27 Paradoxerweise gibt es angestammte Ängste, die nicht vom technologischen Fortschritt überwunden worden sind. Sie haben sich vielmehr zu verbergen gewusst und vermochten sich hinter neuen Technologien zu potenzieren. Auch heute gibt es hinter den Mauern der alten Stadt den Abgrund, das Land des Unbekannten, die Wüste. Was von dort kommt, ist nicht vertrauenswürdig, weil man es nicht kennt, man nicht vertraut mit ihm ist, weil es nicht zum Dorf gehört. Es ist das Gebiet des ›Barbarischen‹, vor dem man sich verteidigen muss, koste es was es wolle. Folglich werden neue Schranken zum Selbstschutz aufgerichtet, sodass nicht mehr die eine Welt existiert, sondern nur noch die ›meine‹, bis zu dem Punkt, dass viele nicht mehr als Menschen mit einer unveräußerlichen Würde angesehen werden, sondern einfach zu ›denen da‹ werden. Von Neuem erscheint »die Versuchung, eine Kultur der Mauern zu errichten, Mauern hochzuziehen, Mauern im Herzen, Mauern auf der Erde, um diese Begegnung mit anderen Kulturen, mit anderen Menschen zu verhindern. Und wer eine Mauer errichtet, wer eine Mauer baut, wird am Ende zum Sklaven innerhalb der Mauern, die er errichtet hat, ohne Horizonte. Weil ihm dieses Anderssein fehlt«.26

      28 Die Einsamkeit, die Angst und die Unsicherheit vieler Menschen, СКАЧАТЬ