Fratelli tutti. Papst Franziskus
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fratelli tutti - Papst Franziskus страница 4

Название: Fratelli tutti

Автор: Papst Franziskus

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783843613149

isbn:

СКАЧАТЬ dann zu dem Schluss zu kommen: »Von einer ›Kultur der Begegnung‹ zu sprechen bedeutet also, dass wir uns als Volk für die Idee begeistern, zusammenzukommen, Berührungspunkte zu suchen, Brücken zu schlagen, etwas zu planen, das alle miteinbezieht« (FT 216). Franziskus will als Pontifex – als Brückenbauer – agieren. Diese Idee liegt der Enzyklika zugrunde. Der Papst verurteilt die Tendenzen, neue Mauern aufzubauen etwa im Umgang mit Migranten; er verurteilt die Ausgrenzung der Bedürftigen, der Alten, ja ganzer Länder mit Blick auf das vorherrschende Weltwirtschaftssystem und versucht, mit dem Modell der »Zivilisation der Liebe« Brücken zu bauen innerhalb der einzelnen Nationen, aber auch weltweit. »Isolierung: nein; Nähe: ja. Kultur der Konfrontation: nein; Kultur der Begegnung: ja« (FT 30).

      Dabei ist Franziskus nicht naiv. Dialog und Begegnung bedeuten nicht, dass er oberflächlichen Freundlichkeiten das Wort redet. Im sechsten Kapitel beschäftigt er sich eingehend mit »Dialog und sozialer Freundschaft«. »Der echte Dialog innerhalb der Gesellschaft setzt die Fähigkeit voraus, den Standpunkt des anderen zu respektieren und zu akzeptieren, dass er möglicherweise gerechtfertigte Überzeugungen oder Interessen enthält« (FT 203). Unterschiede, so Franziskus kurz zuvor, brächten zwar Konflikte hervor, »die Einförmigkeit jedoch erstickt und bewirkt, dass wir uns kulturell selbst vernichten« (FT 191). Aus diesem Grund fordert er nicht nur einen »integrativen Sozialpakt«, sondern auch einen Kulturpakt, »der die unterschiedlichen Weltanschauungen, Kulturen oder Lebensstile, die in der Gesellschaft nebeneinander bestehen, respektiert und berücksichtigt« (FT 219). Das Ganze mündet dann in der Vorstellung des Polyeders als des geeignetsten Gesellschaftsmodells. »Der Polyeder stellt eine Gesellschaft dar, in der die Unterschiede zusammenleben, sich dabei gegenseitig ergänzen, bereichern und erhellen, wenn auch unter Diskussionen und mit Argwohn« (FT 215). In diesem Sinn ist dann auch eine Zusammenarbeit der Glaubenden verschiedener Religionen möglich sowie ein gemeinsames Handeln mit den Nichtglaubenden.

      Der Titel irritiert

      Zugleich müsste aber auch dem Papst bewusst sein, in welche Zeit hinein er spricht. Die Frauenfrage ist hochaktuell. Zu viele Verletzungen gab und gibt es im Bereich der katholischen Kirche. Hier sind die Frauen zu Recht sehr sensibel. Daher fällt sofort auf, dass der Papst in dem neuen Dokument keine einzige Frau zitiert. Selbst am Ende, wo er mit dem Verweis auf Martin Luther King, Desmond Tutu und Mahatma Gandhi versucht, den Kreis derer, die ihn für seine Enzyklika über die Geschwisterlichkeit inspiriert haben, über die katholische Tradition hinaus zu öffnen, nennt er keine Frau. Die Frauen werden den Papst sicherlich auch fragen, wie das mit der gleichen Würde und den gleichen Rechten ist, die er für die Frauen in der Gesellschaft einfordert. Welche Glaubwürdigkeit hat diese Aussage angesichts der Situation innerhalb der katholischen Kirche?

      Aus der Tradition kommend …

      Nun geht es in dieser Sozial- und Friedensenzyklika nicht um innerkirchliche Fragen. Es geht Franziskus um das Verhältnis der Kirche zur Welt und um ihre Aufgabe in der Welt. Hier beruft er sich auf die zentralen Sätze der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, um das soziale Handeln der Kirche zu begründen. »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi« (GS 1, zitiert in FT 56). Mit den Verweisen auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter im Lukasevangelium und auf die Frage Gottes an Kain – »Wo ist Abel, dein Bruder?« – legt Franziskus das biblische Fundament für seinen Traum von der geschwisterlichen Welt.

      Dabei stellt er sich in die Tradition der katholischen Soziallehre. Gerade an zentralen Stellen der Enzyklika zitiert er seine Vorgänger. »Die Kirche ›hat eine öffentliche Rolle, die sich nicht in ihrem Einsatz in der Fürsorge oder der Erziehung erschöpft‹, sondern sich in den ›Dienst der Förderung des Menschen und der weltweiten Geschwisterlichkeit‹ stellt«, erklärt er mit den Worten seines Vorgängers Benedikt XVI. aus dessen Enzyklika »Caritas in veritate« (FT 276). Von Johannes Paul II. übernimmt er nicht nur den Gedanken, dass »Gott die Welt dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt [hat], ohne jemanden auszuschließen« (FT 120), sondern auch die für die aktuelle Argumentation entscheidende Feststellung, dass »wenn es keine transzendente Wahrheit gibt, der gehorchend der Mensch zu seiner vollen Identität gelangt, […] es kein sicheres Prinzip [gibt], das gerechte Beziehungen zwischen den Menschen gewährleistet« (FT 273). Mit Paul VI. fordert Franziskus die Rückbindung des privaten Eigentums an das Gemeinwohl und dass die weltweiten Rüstungsausgaben in einen Fonds zur Bekämpfung von Hunger und Armut umgewidmet werden.

      … die Tradition weiterdenkend

      Wirklicher Friede ist nur möglich infolge einer globalen Solidarität und Zusammenarbeit, ist Franziskus überzeugt. Dabei denkt er ein inklusives Gesellschaftsmodell. Das bedeutet, alle sind beteiligt. Er kritisiert, wo er das nicht verwirklicht sieht, wenn etwa die sozialen Volksbewegungen aus seiner Sicht nicht ernst genommen werden. »In einigen kleinkarierten und monochromatischen Wirtschaftstheorien scheinen zum Beispiel die Volksbewegungen keinen Platz zu finden, welche Arbeitslose, Arbeitnehmer in prekären Arbeitsverhältnissen und viele andere, die nicht einfach in die vorgegebenen Kanäle passen, versammeln« (FT 169).

      Nur, wenn jede Stimme zählt, nimmt man Populisten in Politik und Gesellschaft den Wind aus den Segeln und befördert zugleich eine wahre Politik des Volkes, könnte man Franziskus’ Ansatz kurz zusammenfassen. Denn er denkt die Veränderungen, die er fordert, nicht nur von oben: »Wir dürfen nicht alles von denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil. Wir haben Möglichkeiten der Mitverantwortung, die es uns erlauben, neue Prozesse und Veränderungen einzuleiten und zu bewirken. Wir müssen aktiv Anteil haben beim Wiederaufbau und bei der Unterstützung der verwundeten Gesellschaft« (FT 77). »Große Veränderungen werden nicht am Schreibtisch oder in Büros fabriziert« (FT 231), betont Franziskus – verbunden mit dem Hinweis, dass »in dem einen kreativen Plan ein jeder eine wesentliche Rolle [hat], um eine neue Seite der Geschichte zu schreiben, eine Seite voller Hoffnung, voller Frieden und voller Versöhnung«.

      Hier kommt der Gedanke des Traums wieder ins Spiel. Franziskus wird mit Sicherheit viel Kritik ernten für das neue Schreiben. Als Marxist wird er bezeichnet werden von den Anhängern einer liberalen Wirtschaftstheorie, als Häretiker von konservativen Christen, weil er Muslime ganz selbstverständlich als Partner sieht und betont, dass Gott alle Menschen liebt, unabhängig von der Religion, ja selbst Atheisten. Utopist werden ihn die nennen, die von der aktuellen Wirtschaftsordnung profitieren auf Kosten der Armen und Ausgegrenzten. Der Papst wird weiter träumen, weil er überzeugt ist: Wer Träume hat, der jagt ihnen nach, damit sie sich erfüllen. Er baut darauf, Mitträumer zu finden für eine geschwisterliche Welt. »Wer fähig ist zu träumen, wird zum Lehrmeister, durch das Zeugnis«, ist Franziskus überzeugt. Einen Anstoß dazu bietet die vorliegende Enzyklika.

      ______

      СКАЧАТЬ