Название: Fratelli tutti
Автор: Papst Franziskus
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783843613149
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48 Sich hinsetzen, um einem anderen zuzuhören, ist charakteristisch für eine menschliche Begegnung und stellt ein Paradigma einer aufnahmebereiten Haltung dar. Damit überwindet ein Mensch den Narzissmus; er heißt den anderen willkommen, schenkt ihm Aufmerksamkeit und nimmt ihn in der eigenen Gruppe auf. Dennoch »ist die Welt von heute mehrheitlich eine taube Welt […]. Manchmal hindert uns die Geschwindigkeit der modernen Welt, die Hektik, daran, einem anderen Menschen gut zuzuhören. Wenn er in der Mitte seiner Wortmeldung ist, unterbrechen wir ihn schon und wollen ihm antworten, obwohl er noch nicht zu Ende gesprochen hat. Man darf die Fähigkeit zuzuhören nicht verlieren. [Der heilige Franziskus] hat der Stimme Gottes zugehört, er hat der Stimme des Armen zugehört, er hat der Stimme des Kranken zugehört, er hat die Stimme der Natur vernommen. All das verwandelt er in einen Lebensstil. Ich hoffe, dass der Samen des heiligen Franziskus in allen Herzen heranwachse«.49
49 Wenn es kein Schweigen und Zuhören mehr gibt und alles in ein schnelles und ungeduldiges Tippen und Senden von Botschaften verwandelt wird, setzt man diese Grundstruktur einer weisen menschlichen Kommunikation aufs Spiel. Man schafft einen neuen Lebensstil, bei dem man das herstellt, was man vor sich haben will. Dabei schließt man alles aus, was man nicht flüchtig und augenblicklich kontrollieren oder erkennen kann. Diese Dynamik verhindert aufgrund ihrer inneren Logik ein ruhiges Nachdenken, das uns zu einer menschlich vermittelbaren Weisheit führen könnte.
50 Wir können gemeinsam die Wahrheit im Dialog suchen, im ruhigen Gespräch oder in der leidenschaftlichen Diskussion. Das ist ein Weg, der Ausdauer braucht und auch vom Schweigen und Leiden geprägt ist. Er ist in der Lage, geduldig die umfangreiche Erfahrung der Menschen und Völker zusammenzubringen. Die erdrückende Fülle von Information, die uns überschwemmt, bedeutet nicht mehr Weisheit. Weisheit entsteht nicht durch ungeduldiges Nachforschen im Internet und auch nicht durch eine Ansammlung von Information, deren Wahrheitsgehalt nicht erwiesen ist. Auf diese Weise reift man nicht in der Begegnung mit der Wahrheit. Die Gespräche kreisen am Ende nur um die neuesten Daten und sind schlicht ein oberflächlicher Wortschwall. Man schenkt aber dem Eigentlichen des Lebens keine eingehende Aufmerksamkeit und dringt nicht zu ihm vor, man erkennt nicht, was das Wesentliche ist, um der Existenz Sinn zu verleihen. So wird die Freiheit eine Illusion, die uns verkauft wird und die mit der Freiheit, vor einem Bildschirm zu surfen, verwechselt wird. Das Problem besteht darin, dass ein Weg der Geschwisterlichkeit, im Kleinen wie im Großen, nur von freien Geistern beschritten werden kann, die zu wirklichen Begegnungen bereit sind.
Unterwerfung und Selbstverachtung
51 Einige in wirtschaftlicher Hinsicht erfolgreiche Länder werden als kulturelle Vorbilder für die weniger entwickelten Länder hingestellt, anstatt zu versuchen, dass jedes Land in dem ihm eigenen Stil wachse und seine Fähigkeiten zu einer Erneuerung nach den eigenen kulturellen Werten entwickle. Diese oberflächliche und betrübliche Vorstellung führt dazu, eher zu kopieren und zu kaufen, als vielmehr selbst schöpferisch tätig zu sein, und gibt Anlass für ein sehr niedriges nationales Selbstwertgefühl. In den wohlhabenderen Schichten vieler armer Länder und manchmal bei denen, die es geschafft haben, aus der Armut herauszukommen, stellt man eine Unfähigkeit fest, ihre eigene Situation und deren Entwicklung zu akzeptieren. So verfallen sie einer Verachtung der eigenen kulturellen Identität, als ob sie die Ursache aller Übel sei.
52 Das Selbstwertgefühl einer Person zu zerstören ist ein einfacher Weg, um sie zu beherrschen. Hinter diesen Tendenzen, die auf eine Homogenisierung der Welt abzielen, treten Machtinteressen hervor, die von der geringen Selbstachtung profitieren, während gleichzeitig über Medien und Netzwerke versucht wird, eine neue Kultur im Dienst der Mächtigeren zu schaffen. Dies wird von einer skrupellosen Finanzspekulation und Ausbeutung ausgenutzt, wo die Armen immer die Verlierer sind. Andererseits bedeutet das Ignorieren der Kultur eines Volkes, dass viele politische Verantwortungsträger nicht mehr in der Lage sind, ein leistungsfähiges Projekt durchzuführen, das frei übernommen und über die Zeit hinweg aufrechterhalten werden kann.
53 Man vergisst, dass »es keine schlimmere Entfremdung gibt als erfahren zu müssen, keine Wurzeln zu haben und zu niemanden zu gehören. Ein Land wird nur in dem Maß fruchtbar sein, ein Volk wird nur in dem Maß Früchte tragen und Zukunft schaffen können, wie es Beziehungen der Zusammengehörigkeit unter seinen Mitgliedern hervorbringt und Bindungen zur Integration unter den Generationen und seinen verschiedenen Gemeinschaften schafft; und wie es die Spiralen durchbricht, welche die Sinne trüben und so uns immer mehr voneinander entfernen«.50
Hoffnung
54 Trotz dieser dunklen Schatten, die nicht ignoriert werden dürfen, möchte ich auf den folgenden Seiten den vielen Wegen der Hoffnung eine Stimme geben. Gott fährt nämlich fort, unter die Menschheit Samen des Guten zu säen. Die jüngste Pandemie hat uns erlaubt, viele Weggefährten und -gefährtinnen wiederzufinden und wertzuschätzen, die in Situationen der Angst mit der Hingabe ihres Lebens reagiert haben. Wir können erkennen, dass unsere Leben miteinander verwoben sind und wir durch einfache Menschen Hilfestellung erfahren haben, die aber zweifellos eine bedeutende Seite unserer Geschichte geschrieben haben: Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, Supermarktangestellte, Reinigungspersonal, Betreuungskräfte, Transporteure, Ordnungskräfte, ehrenamtliche Helfer, Priester, Ordensleute und viele, ja viele andere, die verstanden haben, dass niemand sich allein rettet.51
55 Ich lade zur Hoffnung ein. »Sie spricht uns von einem Durst, einem Streben, einer Sehnsucht nach Fülle, nach gelungenem Leben; davon, nach Großem greifen zu wollen, nach dem, was das Herz weitet und den Geist zu erhabenen Dingen wie Wahrheit, Güte und Schönheit, Gerechtigkeit und Liebe erhebt. […] Die Hoffnung ist kühn. Sie weiß über die persönliche Bequemlichkeit, über die kleinen Sicherheiten und Kompensationen, die den Horizont verengen, hinauszuschauen, um sich großen Idealen zu öffnen, die das Leben schöner und würdiger machen«.52 Schreiten wir voller Hoffnung voran!
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