Autochthone Minderheiten und Migrant*innen. Sarah Oberbichler
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СКАЧАТЬ in den Medien – in den letzten 25 Jahren immer sichtbarer geworden. Der Titel „Autochthone Minderheiten und Migrant*innen“ verweist dabei bereits auf die Komplexität des Zusammenlebens alter und neuer Minderheiten in Südtirol. Denn wenn in Südtirol von Migrant*innen als neue Minderheiten gesprochen wird, dann deshalb, um diese von den alten, also historisch gewachsenen, Sprachgemeinschaften abzuheben, d. h. von der deutschen, der italienischen und der ladinischen Sprachgruppe. Das bedeutet, wir haben es in Südtirol mit komplexen Minderheitenverhältnissen zu tun. Um die autochthonen Minderheiten in Südtirol zu schützen, wird ihr Zusammenleben durch ein dissoziatives Konfliktlösungsmodell geregelt, das dem politischen System aufgesetzt ist und die ethnische Trennung vorsieht. Migrant*innen sind von diesem Minderheitenschutz jedoch ausgeschlossen und müssen sich den ethnisch getrennten Realitäten in Südtirol anpassen. Wie in einem solchen System Migrant*innen wahrgenommen werden und inwiefern sich das Sprechen über Migration in den jeweiligen Sprachgruppen unterscheidet, ist die zentrale Frage, der in diesem Buch nachgegangen wird. Hierbei liegt der Fokus auf der Region, trotzdem reflektiert dieses Buch auch globale Migrationsphänomene. Denn Migrationsdiskurse folgen weltweit ähnlichen Argumentationsstrategien. So auch in Südtirol. Spannend wird es jedoch dann, wenn globale Migrationsdiskurse von ethnischen Diskursen durchwoben werden. Nahezu bruchlos reflektiert die Südtiroler Presse die fragmentierte Gesellschaft in Südtirol, wodurch medial konstruierte Wirklichkeit besonders gut sichtbar wird.

      Weil eine wissenschaftliche Arbeit nie das Werk einer einzelnen Person ist, soll auch all jenen gedankt werden, die zum Entstehen dieses Buches beigetragen haben. Zu besonderem und tiefempfundenem Dank bin ich meinen Betreuer*innen Prof. Dr. Eva Pfanzelter und Prof. Dr. Dirk Rupnow verpflichtet. Danken möchte ich auch all jenen, die bei der Erschließung der Quellenbasis behilflich waren. Armin Sparer vom Dolomiten-Archiv der Athesia GmbH bearbeitete engagiert die unzähligen Anfragen für tausende Artikel der Dolomiten, die Stadtbibliothek Cesare Battisti und dort Elisa Nicolini stellten digitalisierte Ausgaben der Alto Adige zur Verfügung und die Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann unterstützte bei der Digitalisierung von Teilen der Alto Adige. Doz. Dr. Hans Heiss danke ich für die Bereitstellung von Material aus dem Archiv der Grünen, Nadja Schuster und Dr. Karl Tragust von der Südtiroler Landesverwaltung standen außerdem dankenswerterweise für Interviews zur Verfügung.

      Einleitung

      Südtirol blieb – wie die deutschsprachige Tageszeitung Dolomiten 1996 berichtete – nicht von der „modernen Völkerwanderung“ verschont. Bereits ein Blick in die Südtiroler Tageszeitungen zeigt, wie präsent und brisant das Thema Migration für die Südtiroler Bevölkerung seit den frühen 1990er-Jahren ist, auch wenn oder gerade weil für sie die Erfahrung mit Menschen ausländischer Herkunft eine relativ neue ist. Allzu leicht wird vergessen, dass das heute wohlhabende Südtirol bis Ende der 1980er-Jahres stärker von Auswanderung als von Einwanderung geprägt war – aus ökonomischen Gründen, aber auch aus politischen und militärischen.

      Vorliegendes Buch erforscht die Wahrnehmung von Migration in den Südtiroler Tageszeitungen. In diesem Zusammenhang strukturiert sich die Arbeit in zwei wesentliche Teile. Im ersten Teil der Arbeit geht es um eine Darstellung des Forschungsstandes, der Methoden und des methodischen Vorgehens: Das erste Kapitel bietet eine Übersicht über den Forschungsstand und bettet die Arbeit in einen theoretischen Rahmen ein. Das zweite Kapitel beschreibt das Textkorpus, das dieser Arbeit zugrunde liegt. Das dritte Kapitel erläutert die herangezogenen Methoden, begründet die Kombination verschiedener Ansätze und beschreibt das methodische Vorgehen. Anschließend werden in diesem Kapitel die ausformulierten Schlussregeln der in den Tageszeitungen vorkommenden Argumentationen aufgelistet.

      Der zweite Teil der Arbeit dient der Analyse: Im ersten und umfangreichsten Kapitel wird der historische und politische Rahmen zum Thema Einwanderung in Südtirol rekonstruiert und die durch die vergleichende diskurshistorische Argumentationsanalyse/Inhaltsanalyse erhaltenen Ergebnisse werden erläutert. Den ersten Schwerpunkt bildet das Thema Flucht und Vertreibung, es folgen die Südtiroler Moscheekonflikte und die Entstehung illegaler Barackensiedlungen in den frühen 1990er-Jahren. Die Themen Wohnen und Integration schließen das Kapitel ab. Im zweiten Kapitel werden – aufbauend auf dem vorhergehenden Kapitel – Fragen geklärt, die über die einzelnen Diskurse (Flüchtlingsdiskurs, Moscheebaudiskurs etc.) hinausgehen: So zum Beispiel die Frage nach der historischen Kontinuität von Argumentationsmustern, der ethnischen Debatte beider Sprachgruppen, der Mitsprachemöglichkeiten der Migrant*innen sowie der Rolle der Politik im Migrationsdiskurs.