In deiner Kammer. Paul Keller
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу In deiner Kammer - Paul Keller страница 4

Название: In deiner Kammer

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788711517352

isbn:

СКАЧАТЬ Er bezahlte reichlich für die Erziehung und fuhr manchmal hin. Nicht oft! Er fürchtete sich, an seine alte Wunde zu rühren, wie er sich ja gefürchtet hatte, hierherzukommen. Er konnte auch jetzt das Kind nicht in sein Haus nehmen. Das war ganz unmöglich.

      Also würde er sein glück- und liebeleeres Leben fortsetzen müssen. Die ganze Bitterkeit seiner Vereinsamung überfällt ihn aufs neue. Wenn jetzt die alte Frau kam und er aus diesen Räumen hinaus musste, wanderte er wieder in die Fremde.

      Ein schwerer Seufzer der Angst vor seiner Zukunft ringt sich von seiner Brust; in seiner Qual faltet er die Hände. Und in schwerer Erregung spricht er; die Worte sind kaum hörbar. Manches bleibt nur Gedanke, manches löst sich in ein Seufzen auf. So, wie wenn einer in stiller Kirche mit ganz schwerem Herzen betet:

      „Margarete, du Verklärte, kannst du mich hören? Weisst du, dass ich hier bin? Weisst du, dass ich nach Hause gekommen bin? Margarete, ich bin ja so unglücklich! Ich weiss mir keinen Rat, die Verzweiflung überkommt mich; hilf mir, Margarete, hilf mir noch ein einziges Mal! Siehst du, ich bin hier, hier in unserem Zimmer, hier, wo du mein Weib warst, hier, wo du Mutter wurdest, hier, wo du starbst, hier in dem Tempel deiner reinen Weiblichkeit, und ich flehe dich an, tröste mich nur dieses eine Mal!“

      Erschöpft von der grossen Erregung, lehnt sich der Unglückliche gegen die Mauer. Er schliesst die Augen und scheint schwer nachzudenken. Es bleibt alles tot und stille. Die, zu der er sprach, ist zu weit. Aber, er lauscht doch ... lauscht ... lauscht ... wie wenn Antwort käme aus hoher Weite. Und plötzlich richtet er sich hastig auf, seine Augen sind weit geöffnet und strahlen vor Freude, seine Hände graben sich in die Haare.

      „Das, Margarete, das soll ich tun? Das?! Die Mutter, die Schwester, das Kind hierherholen? Unser altes Heim wieder einrichten? Sie hier wohnen lassen? Hier, Margarete, hier in unserer Wohnung? Und wieder ein Heim haben? Und wieder ein Heim haben?“

      Der Mann steht weinend mitten in der Stube.

      „Margarete, gute Margarete, siehst du, das wusstest nur du! Das konntest nur du mir raten. Das fiel sonst niemand ein. Du weisst immer, was mir fehlt, du weisst immer einen guten Rat für mich. Ja, ja, ich will unsere alten Möbel von der Mutter kommen lassen, ich werde alles so einrichten lassen, wie’s war, und ich hole alle die Lieben hierher. Ich kann sie dann besuchen, so oft ich will, ich kann heimgehen, wenn es mir nicht gut geht. Ich werde wieder eine Margarete haben, ich werde wieder unsere Wohnung haben, ich werde das Kind selbst unterrichten, und so werd’ ich auch wieder Lehrer sein können. Ich danke dir, Margarete, denn das wusstest nur du!“ — — —

      Die alte Hausmeisterin kommt. Sie erhebt ein grosses Lamento über ihren Enkel, der sich sehr verletzt habe, und bittet um Entschuldigung wegen ihres langen Ausbleibens.

      „Schon gut, Frau Völker, es ist schon gut! Ich miete die Wohnung! Hier haben Sie eine Anzahlung, und hier ist meine Adresse. Ich komme bald wieder, da regeln wir alles. Gute Nacht, Frau Völker!“

      „Gute Nacht, mein Herr!“

      Verwundert geht die Frau auf den Flur an eine Gasflamme.

      „Woher er bloss meinen Namen weiss!“

      Sie liest: „Franz Berthold.“

      „Herr Berthold, — Jeses, — Herr Berthold! Herr Berthold!“

      Der hört sie nicht mehr. Er geht unten bereits wieder über den Platz.

      Die Eisenbahn.

      Der Schluss einer Geschichte.

      Er sieht wieder nach der nahen Berglehne, über die der Weg nach der Stadt führt. Der Wind geht heute; da ist die Luft klar, und er wird vielleicht die Eisenbahn sehen können. Zwei Stunden sind’s ganz gut bis dahin, aber er hat schon einmal am Damme gestanden und die Bahn ganz nahe gesehen.

      Auf der Berglehne steht eine Windmühle, die ist der Stolz des ganzen Dörfchens, denn sie hat fünf Flügel. Der Joachim hat einmal den Müller gefragt: ob es ihm denn nicht auch so vorkäme, als zeige die Windmühle beim Drehen mit ihren fünf Fingern immer hinüber nach der Stadt. Doch der Müller hat gelacht und gesagt, die Windmühle hätte ja gar keine Finger.

      „Und sie hat doch Finger!“

      Der Joachim lehnt sich am Feldrain zurück und versinkt ins Träumen. Zwei- oder dreimal meldet ihm der Schäferhund, dass nicht alles in Ordnung sei. Er beachtet’s nicht. Er ist dem Hunde gram und den Schafen noch mehr.

      Dass er wandern wird, steht fest; aber nicht nach Berlin, wie er bisher wollte, sondern lieber nach Hamburg, wo das Meer ist. — Oder nach Breslau! — —

      Eine schwere Röte zieht über das Gesicht des Burschen, und er schaut sich um: ob auch kein Mensch in der Nähe sei. Er ist ganz allein. Da wird er mutig und spinnt seinen Gedanken fort. Nach Breslau!

      Ja, das ist sicher: sie hat zu ihrem Vater gesagt, er hätte ein interessantes Gesicht und kleine, schöne Hände. Die Martha hat’s aufgeschnappt und ihm wiedererzählt. Seit der Zeit spricht er öfter mit der Martha als sonst. Aber sie erzählt nichts Neues mehr.

      Warum sie nur vorgestern so heulte, die Martha, das dumme Ding? Sie hat’s doch gut, sie ist so viel um das Fräulein und darf ihr die meisten Dienste tun. — —

      Wie das Fräulein doch so klug, so reich und so engelsschön sein kann! Weit in der Ferne, in der grossen Stadt, gibt es vielleicht noch mehr solche Mädchen. Doch es soll ja nicht mehr geben, nur diese eine, nur diese!

      Nach einer Weile fängt der junge Schäfer an zu rechnen und wälzt sich dann schwer im Grase. Es sind wirklich fünf Wochen, dass sie da ist, und ist nur noch eine Woche Zeit.

      Joachim seufzt schwer. Der Winter ist so lang und der Sommer so kurz, und nur im Sommer ist er glücklich.

      Die Sommergäste hat er immer verehrt — alle, sogar die dicke Kaufmannsfrau aus Posen. Die Sommergäste sind alle reich, sie brauchen nicht zu arbeiten, sie sind nicht grob zueinander und tragen nie schmutzige Kleider.

      Joachim schaut an sich hinunter. Er hat die Sonntagsstiefel an und würde sogar den Sonntagsanzug zum Schafehüten anziehen, wenn er nur nicht gar zu sehr ausgelacht würde. Er möchte sich immer halbtot schämen vor ihr ... so in diesen Lumpen.

      Ob sie heute aufs Feld kommen wird, oder ob sie im Walde liest? Gestern hat sie ihm im Vorbeigehen nur zugenickt, aber vor vier Tagen ist sie mit ihrem Vater bei ihm stehen geblieben. Ob denn die Schafe nicht auch manchmal krank würden, hat sie gefragt. Da ist er glücklich gewesen, ihr alle Schafkrankheiten aufzählen zu können, die er kannte, und hat auch die Mittel angegeben, sogar die geheimen.

      Jetzt taucht ihm auch der Wunsch auf sie möchte einmal krank werden, er würde dann Tee für sie suchen. Aber er kann nichts für sie tun — gar nichts. —

      Der Joachim ist ein wenig müde, darum lässt er von der Zukunft ab und denkt ans Vergangene — an alle Begegnungen mit ihr. Diese Gedanken sind ganz mühelos, weil sie ihm so geläufig sind.

      Am liebsten stellt er sie sich vor, wie er sie zuerst gesehen hat; damals, als er mit der Herde heimtrieb und sie in der Haustüre stand. Er hat jetzt herausgefunden, dass das runde Fenster in der Tür, das im Abendlichte glänzte, ausgesehen habe wie eine Krone über ihrem Haupte oder wie ein goldener Heiligenkranz. Manchmal, wenn er sehr lebhaft daran denkt, kommen ihm Tränen in die Augen.

      Aber СКАЧАТЬ