In deiner Kammer. Paul Keller
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу In deiner Kammer - Paul Keller страница 2

Название: In deiner Kammer

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788711517352

isbn:

СКАЧАТЬ ... war sie da. Er erschrak vor ihr, wie vor einem Gespenste. Sie aber hob den vermummten Kopf zu ihm empor, blinzelte ihn mit ihren trüben Äuglein an und sagte, indes ein unendlich glückliches Lächeln über ihr verrunzeltes Gesicht ging:

      „Herr Berthold ... hab’ ich doch recht gesehen ... hab’ ich doch recht gesehen ... Nein, so was ... und ich hab’ Sie so lange nicht ...“

      Ein Hustenanfall erstickte ihre Stimme. Das hinderte sie aber nicht, ihm ihre braune, magere Hand hinzuhalten. In die liess er mechanisch die 4 Pfennige gleiten, die er noch zwischen den Fingern hielt. Die Alte erholte sich, besah das Geld beim Laternenlicht und nickte ihm zu: die Rechnung sei richtig. Da fasste er sich endlich.

      „Nu, Henselten, leben Sie denn immer noch?“

      „Immer noch!“ sagte sie weinerlich.

      „Und haben Sie mich richtig wiedererkannt?“

      Da machte sie ein geschäfts-kluges Gesicht.

      „Nu, ich wer’ doch! Sie sein ja immer mei bester Kunde gewesen.“

      Er lachte.

      „Haben Sie denn eine feste Kundschaft?“

      „O je, man muss wissen, wo man was herkriegt. Ich hol’ mir’s so auf der Strasse zusammen seit 15 Jahren. Sie sein wohl ganz von hier fortgemacht gewesen?“

      „Ja, Henselten, ja, das heisst, warten Sie mal ... es freut mich riesig, dass Sie mich wiedererkannt haben ... da, nehmen Sie nur ..., ich bin’s Ihnen lange genug schuldig geblieben.“

      Die Alte starrte auf das grosse Geldstück, das er ihr hinhielt.

      „Nehmen Sie’s nur, ... ich werd’ mich jetzt schon besser um Sie kümmern. Wo wohnen Sie denn?“

      Sie stammelte ihre Wohnung. In diesem Augenblicke nahte ein Schutzmann. Da griff sie scheu nach dem Geldstücke und humpelte mit langen Schritten davon.

      „Mein Herr, sind Sie von der Alten angebettelt worden?“

      „Angebettelt? Ich? Keine Idee! Wir sind alte Bekannte! Ich hab’ mich gefreut, sie wiederzusehen.“

      „Pardon! Wir haben nämlich die Frau neuerdings im Verdachte, dass sie bettelt.“

      Herr Berthold liess den findigen Polizeimann stehen und ging.

      Die Strasse endete, ein kleiner Platz kam. Den Einsamen befiel ein leises Zittern. Hier hatte er gewohnt. Ob er’s wagte, einmal bis an das Haus hinüberzugehen, in dem er so glücklich und so zum Tode verzweifelt gewesen war? Es waren kaum zweihundert Schritte.

      Er ging. Aber mitten auf dem Platze blieb er stehen. Dort drüben lag das Haus! Nummer 28... eine richtige Mietskaserne. Und doch sah’s jetzt nicht unschön aus. Fast aus jedem Fenster fiel Lichtschein. Das war ein Zeichen, dass lauter kleine Leute dort wohnten.

      Nur die Fenster, hinter denen er gewohnt hatte, waren dunkel. Minutenlang schloss er die Augen. Es störte ihn niemand; der Platz war nicht reich an Verkehr.

      Vor vierzehn Jahren war er dort drüben eingezogen, ein armer Kerl, aber doch ein glücklicher Mann. Sein Kleinod war die Margarete gewesen, sein junges, hübsches Weib. Jetzt wohnte er in einem viel schöneren Hause, jetzt hatte er ein anderes Weib ...

      O Gott! ...

      Ja, es ging doch nicht, dass er so erregt dastand, es würde auffallen. Langsam ging er vollends hinüber. Nummer 28! Ein Schild hing an der Haustür.

      „Freundliche Wohnung im zweiten Stock, drei Zimmer mit Zubehör, 480 Mark, bald zu vermieten.“

      Das musste „seine“ Wohnung sein. Er trat zurück. Richtig, die Fenster waren ohne Gardinen. Die Wohnung war frei.

      Mit raschem Entschluss trat er in das Haus. Ein Klingelzug war da, daneben stand: „Zur Hausmeisterin!“

      Er schellte.

      Lange musste er warten. Da endlich kam ein schlürfender Schritt die Kellertreppe herauf. Es war wirklich noch die alte, langsame Hausmeisterin. Er erkannte sie genau, doch sie kannte ihn nicht.

      „Bitte, wollen Sie mich in die freie Wohnung im zweiten Stock führen.“

      „Die Wohnung wird nur bei Tage gezeigt.“

      Er suchte in der Tasche und gab ihr ein Markstück.

      „Machen Sie eine Ausnahme, ich hatte nicht eher Zeit!“

      Da war sie willfährig und holte ein Licht.

      Sie stiegen die erste Stiege hinauf. Sie kam ihm sehr schmal und steil vor. Früher war ihm das nicht ausgefallen; jetzt war er verwöhnt. Im ersten Stock las er die Türschilder.

      „Ah, wohnen die Wendrichs immer noch hier?“

      „Ja! Der Herr kennt wohl die Madame Wendrich? Die Tochter ist jetzt verlobt.“

      „Die Luise?“

      „Ja, die Luise.“

      Na also! Vor 12 Jahren schon war das Mädel heiratsfähig und die Mutter hielt eifrige Ausschau für sie. Und jetzt ist sie schon verlobt. Nur Geduld muss man haben.

      Die zweite Stiege!

      „Warten Sie mal! Langsamer, — langsamer — ich — ich hab’ etwas kurzen Atem.“

      „Wir sind gleich da. Hier — rechts ist die Wohnung!“

      Er bleibt auf den letzten Treppenstufen stehen und hält sich an das Geländer. Die Kräfte drohen ihm zu schwinden — eine Angst packt ihn — eine furchtbare Scheu, da hineinzugehen.

      „Sie! Ich glaube doch, es ist besser, wenn ich bei Tage wiederkomme.“

      „Nu da! Jetzt, wo der Herr oben ist! Nee, nee, — ich hab’ hier ’n Stückchen Licht — bitte, kommen Sie nur! — Also das hier ist das Entree — es ist sehr geräumig —“

      „Jawohl,“ sagt er, indes er in der offenen Tür lehnt, — „4 Meter 20 lang und 1 Meter 80 breit.“

      „Na, sowas, — so ein Augenmass, — gestern erst ist’s ausgemessen worden! Das stimmt ja aufs Haar! Das is ja rein die Unmöglichkeit.“ —

      „Zeigen Sie mir rasch die andere Wohnung, — ich — ich muss dann wieder fort — jawohl, ich hab’ nicht viel Zeit —“

      „Gleich, lieber Herr! — Nanu, was ist ’n das für’n Geschrei dort unten? Jeses, das is der Julius, mein Enkelsohn, lieber Herr, — der is gewiss wieder gefallen, — das Kind, das Kind — ’n Augenblick bloss, lieber Herr, muss ich mal runter, — ich bin gleich wieder da — der Julius — entschuldigen Sie nur — der Junge —“

      Sie drückt ihm das brennende Stearinlicht in die Hand und lässt ihn allein.

      Regungslos steht der Fremde. Es ist totenstill um ihn her. Nur die Flamme knistert leise, und ein wenig Stearin tropft auf die Diele. Da wendet er scheu den Kopf und zuckt kurz zusammen СКАЧАТЬ