Agatha Christie. Barbara Sichtermann
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Название: Agatha Christie

Автор: Barbara Sichtermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783955102234

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СКАЧАТЬ sie nun, in einer wilden Orgie des Glücks, lachend, schreiend, drängend, springend, in einer zügellosen Euphorie. Es war furchterregend. Man hatte das Gefühl, wenn in diesem Augenblick ein paar Deutsche in der Nähe gewesen wären, hätten die Frauen sie in Stücke gerissen. Wahrscheinlich waren nur einige von ihnen betrunken, aber alle benahmen sich so. Sie wankten, taumelten, jubelten. Es war der 11. November 1918. Der Krieg war vorbei.

      Archie war schon im September nach England zurückgekehrt, aus Gesundheitsgründen. Seine Nebenhöhlen gaben auch bei der Artillerie keine Ruhe, außerdem hatte er ständig Magenprobleme, und jetzt war er, mittlerweile im Rang eines Obersten, ins Luftfahrtministerium abkommandiert worden. Selten hatte sich Agatha über eine Nachricht so gefreut wie über dieses Telegramm: «Ich komme nach Hause, stop. Archie.« Und von Clara erfuhr sie, dass sich Bruder Monty, der in Afrika verwundet worden war, auf dem Wege der Besserung befand. Unsere Familie hat Glück gehabt‹, dachte Agatha. Sie und Archie wollten sich in London niederlassen, sie suchten eine Wohnung – so wie ganze Scharen demobilisierter Soldaten mit und ohne Familie. Die Bleibe musste preiswert sein, denn Agatha und Archie waren nicht reich. Archies Sold war mäßig, und Agatha hatte nur ihr sehr bescheidenes Erbe. Aber beide waren zuversichtlich. »Ich werde einmal viel Geld verdienen«, brüstete sich Archie, und Agatha sagte sanft: »Hauptsache, wir sind zusammen.« Bald fanden sie ein passendes Apartment in London, Madison Mansions, und richteten es mit Elan ein. Archie ging Tag für Tag ins Ministerium und versah dort seinen Dienst, aber er teilte Agatha mit, dass er sich nach etwas Besserem umsehe und dass er kündigen werde, sowie er in der City einen Posten gefunden hätte. Verdiente Offiziere wurden bei Unternehmen und Banken gerne eingestellt. Agatha bewunderte Archies Pragmatismus. Sie war davon ausgegangen, dass das Militär seine Heimat sei, aber jetzt, wo der Krieg aus war, wollte er ins zivile Leben, dorthin, wo Geld verdient wurde und er keine Uniform tragen musste.

      An einem Winterabend saßen er und Agatha zusammen in ihrem Wohnzimmer, das nach Ashfield-Maßstäben klein war, für sie selbst aber eine große Freude, und Agatha sagte zu ihrem Mann: »Ob du es glaubst oder nicht, ich habe einen Roman geschrieben. Einen Kriminalroman mit einem äußerst rätselhaften Fall und einem bemerkenswerten Detektiv. Ob du den lesen würdest?«

      Archie kniff die Augen zusammen und sagte: »Wirklich?« Agatha nickte. Und er: »Na, her damit.« Agatha stand auf, um das Manuskript von Das fehlende Glied in der Kette zu holen. Sie war gar nicht besonders erleichtert über Archies Bereitschaft, ihr Buch zu lesen, denn sie hatte nichts anderes erwartet. »Hier«, sagte sie und legte ihm den dicken Papierstapel auf den Schoß, »schau mal rein, ich habe alles selbst mit der Maschine getippt.« Ehrfürchtig strich er über das Konvolut und sagte: »Alle Achtung«.

      Nun kam Archie öfter mit nach Ashfield. Einmal, während Agatha die neue Köchin zum Wochenmarkt begleitete, saß er mit Clara beim Tee im Esszimmer und sagte zu ihr:

      »Es tut mir leid, liebe Schwiegermama, dass ich so lange so abweisend war. Aber du darfst nicht vergessen, dass du versucht hast, mich aus dem Feld zu schlagen und stattdessen diesen Reggie …«

      Clara fiel ihm ins Wort. »Schnee von gestern. Du musst dich nicht entschuldigen, Archie. Ich möchte dir aber etwas sagen, was dich vielleicht überrascht. Wahrscheinlich hat Agatha dir von meiner Kindheit erzählt, dass ich weggegeben wurde und darunter gelitten habe –«

      »Ja, das hat sie.«

      »– und dass ich es deshalb nicht vertrage, mich von meinen Kindern zu trennen. Aber das ist nicht so, Archie. Ich habe Madge gehen lassen und Monty, und ich musste mich von meinem Mann trennen, den mir der Tod geraubt hat, das war sehr schwer. Aber ich habe es durchgestanden. Mit Agatha ist es etwas anderes.«

      Weil Clara eine Pause machte, im Wohnzimmer umhersah und auf ihrer Unterlippe kaute, fragte Archie: »Was ist es denn?«

      »Ich habe Agatha hier in Ashfield noch eine Weile behalten wollen – nicht, weil ich mich nicht von ihr hätte lösen können, sondern weil ich es richtig fand, sie noch ein wenig länger zu behüten.«

      »Das hast du ja nun getan. Sie ist immer noch nicht ganz von Ashfield ausgezogen. Seelisch, meine ich.«

      »Wie du sagst. Agatha ist auf ihre Art ein Kind geblieben, verstehst du? Und sie braucht einen entsprechenden Schutz.«

      Da lachte Archie. »Liebe Mama, ich kenne sie ja nun auch. Sie ist durchaus eine Frau!«

      »Sicher ist sie das.« Clara wiegte ihren Oberkörper ein wenig unbehaglich hin und her. Und sagte: »Ich habe sogar das Gefühl, dass sie sehr glücklich mit dir ist. Aber Agatha ist nicht so gestrickt wie du und ich. Sie lebt nicht unmittelbar in der Wirklichkeit. Sie nimmt die wirkliche Welt nur durch den Filter ihrer Vorstellung von ihr wahr. So wie Kinder es tun, die die Dinge um sie herum beseelen und sie nach den Maßstäben ihrer Phantasie einschätzen, anstatt sie als das zu nehmen, was sie sind.«

      Archie schaute zweifelnd: »Du meinst, Agatha lebt in einer Traumwelt?«

      »So würde ich es nicht sagen. Aber ihre Phantasieproduktion ist ungewöhnlich stark und bestimmt ihre Weltwahrnehmung und ihre Lebensentscheidungen auch dann, wenn es darauf ankommt, die Dinge klarzusehen. Deshalb hatte ich Angst um sie und wollte –«

      Archie ging lachend dazwischen. »Sorge dich nicht, verehrte Mama! Wenn es wirklich nötig sein sollte, Agatha ein bisschen mehr Bodenhaftung zu verschaffen, so werde ich das übernehmen. Schon morgen. Wir machen einen Ausflug ins Dartmoor.«

      Archie fand bald einen Job in der Finanzwelt. Er war sehr stolz und fest entschlossen, sein Bestes zu geben. Am Anfang verdiente er noch nicht das große Geld, aber eine fühlbare Verbesserung seiner und damit auch Agathas Einkommenslage konnte gefeiert werden. Tagsüber blieb Agatha allein in der gemeinsamen Wohnung und versuchte, Routinen des Ehelebens für sich zu entwickeln und Freude daran zu finden. Müsste es sich nicht als wundervoll erweisen, eine verheiratete Frau zu sein? Blumen arrangieren, Kissenbezüge sticken … Alle Geschichten über das Leben und das Schicksal von Frauen liefen auf diesen einen Punkt zu: die Eheschließung. Danach brauchte nicht mehr viel erzählt zu werden, denn was jetzt begann, sollte pure Seligkeit sein. Zwar murmelten alte Damen manchmal etwas von der Unzuverlässigkeit oder gar Treulosigkeit der Ehemänner und von dem Schmerz, der daraus erwuchs, aber dergleichen galt ja wohl nicht für Mr und Mrs Christie. Doch abgesehen von den Wochenenden mit Archie, die sie sehr genoss, verspürte Agatha überhaupt keine Seligkeit. Sie empfand ihr neues Leben sogar als ausgesprochen öde. Archie mochte sie das so nicht sagen, denn wenn er da war, verhielt es sich ja anders: dann war sie immer zufrieden, oft froh und manchmal richtig glücklich. Aber unter der Woche wusste sie einfach nicht, was tun. Haushaltspflichten waren zu erfüllen, das ja, aber da es seinerzeit in der englischen Gentry als unschicklich galt, über kein Personal zu verfügen, egal, wie beschränkt die Mittel waren, mit denen man auskommen musste, hatten auch die Christies eine Haushälterin eingestellt, die alle anfallenden Aufgaben, inclusive Küche, zur Zufriedenheit ihrer Herrschaft erledigte. Die Arbeit im Hause bestand für die bessergestellte Hausfrau ohnehin nur in der Koordination und Beaufsichtigung der Dienstboten – die freundliche Mrs Woods jedoch, die Agatha und Archie den Haushalt führte, musste nicht groß beaufsichtigt werden; man konnte eher sagen, dass es Mrs Woods war, die Agatha ein bisschen beaufsichtigte, wenn sie mitbekam, wie die arme junge Frau erwartungsvoll in den Tag schaute, der ihr nichts bot außer einer vagen Freude auf den Abend. »Vielleicht hat Madam Lust, mit mir ein bisschen Apfelkompott einzukochen?« O ja, dazu hatte Agatha durchaus Lust. Des Abends, wenn Mrs Woods gegangen war und Archie heimkam, passierte aber meistens auch nichts. Er stopfte seine Pfeife, ließ sich von Agatha Bier servieren und erzählte ihr kurz von der City.

      »Und was hast du erlebt, darling

      »Ich? Gar nichts.«

      »Warum unternimmst СКАЧАТЬ