Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
isbn:
Fett-Kloss und Cornudet, obwohl der Tür zunächst, stiegen doch als die letzten aus; sie trugen Angesichts des Feindes eine ernste hochfahrende Miene zur Schau. Die wohlbeleibte Donna suchte sich zu beherrschen und ruhig zu bleiben. Der Demokrat strich in theatralischer Weise mit etwas zitternder Hand seinen roten Schnurrbart. Sie suchten ihre Würde zu wahren, weil sie sich bewusst waren, dass bei solchen Begnügungen jeder einzelne das ganze Vaterland vertritt. Zudem ärgerte sie das höfliche Benehmen ihrer Reisegefährten. Fett-Kloss suchte daher stolzer aufzutreten als die vornehmen ehrbaren Damen, während in Cornudets Haltung sich der ganze Widerstands-Geist ausprägte, der mit der Aufwühlung der Strassen vor Rouen begonnen hatte.
Man trat in den geräumigen Flur des Hôtels und der Offizier ließ sich den Erlaubnisschein des kommandierenden Generals zeigen, auf dem der Name, der Stand und die Personalbeschreibung jedes einzelnen genau verzeichnet war. Nachdem er alle Anwesenden genau gemustert und ihr Äusseres mit der Beschreibung verglichen hatte sagte er kurz: »Es ist gut,« worauf er verschwand.
Man atmete erleichtert auf. Da der Hunger sich aufs neue geltend machte, so wurde noch ein Abendessen bestellt. Eine halbe Stunde musste man jedoch noch warten und die Reisenden musterten inzwischen die für sie bestimmten Zimmer. Sie lagen alle nebeneinander auf einem langen Gange an dessen Ende sich eine Glastüre mit einer allgemein bekannten Ziffer befand.
Als man sich endlich zu Tische setzte, erschien der Wirt selber, ein alter Pferdehändler, ein dicker kurzatmiger Mann, aus dessen Kehle fortgesetzt ein rasselnder zischender verschleimter Ton erklang. Sein Name war Follenvie.
»Ist Fräulein Eliesabeth Rousset hier?« fragte er.
»Das bin ich,« wandte sich Fett-Kloss erschreckt um.
»Der preussische Offizier möchte Sie sogleich sprechen, Fräulein.«
»Mich?«
»Jawohl, wenn Sie wirklich Fräulein Rousset sind.«
Einen Augenblick dachte sie unschlüssig nach, dann erklärte sie entschieden:
»Möglich, dass er mich sprechen will, aber ich werde nicht kommen.«
Es entstand eine Bewegung an der Tafel; man sprach über diesen Befehl und suchte seine Ursache zu ergründen. Der Graf näherte sich ihr.
»Sie tuen Unrecht Madame. Ihre Weigerung könnte fatale Schwierigkeiten hervorrufen, nicht nur für Sie, sondern für uns alle. Man muss dem Stärkeren immer nachgeben. Dieser Schritt kann keineswegs gefährlich sein. Es handelt sich jedenfalls um eine Formalität, die vergessen wurde.«
Alle übrigen vereinigten sich mit ihm, um sie zu bitten und sie zu drängen; schliesslich gelang es ihrer gemeinschaftlichen Überredung, sie zu überzeugen. Alle fürchteten die Verwicklungen, die aus ihrer Hartnäckigkeit entspringen könnten.
»Wenn ich es tue, so geschieht es sicherlich nur um Ihretwillen,« sagte sie endlich.
»Und wir danken Ihnen dafür,« entgegnete die Gräfin ihr die Hand reichend.
Sie ging hinaus und man wartete mit dem Essen auf sie. Ein jeder bedauerte im Herzen, nicht selbst statt dieses zornmütigen heftigen Mädchens herausgerufen zu sein und überlegte sich allerlei Liebenswürdigkeiten für den Fall, dass die Reihe an ihn käme.
Nach zehn Minuten kam sie wieder, keuchend, ganz ausser sich, rot zum Ersticken. »Ah, diese Kanaille! diese Kanaille!« stammelte sie.
Man überstürzte sich mit Fragen; aber sie sagte nichts. Als der Graf in sie drang, sagte sie mit großer Würde: »Nein, das kann Sie nicht kümmern; ich kann es nicht sagen.«
Nun versammelte man sich um die große Suppenschüssel, aus der ein kräftiger Duft von Kohl emporstieg. Trotz der Eile, mit der es angerichtet war, war das Essen vorzüglich. Der Cider, den das Ehepaar Loiseau und die Schwestern aus Sparsamkeits-Rücksichten bestellt hatten, mundete vortrefflich. Die übrigen hatten Wein, Cornudet dagegen Bier bestellt. Letzterer hatte eine eigene Art die Flasche zu entkorken, einzuschenken und die schäumende Flüssigkeit zu betrachten, indem er das Glas etwas schräg hielt, und es alsdann zwischen sich und das Lampenlicht brachte, um die Farbe des Stoffes zu prüfen. Sein gleichfarbiger großer Bart schien beim Trinken vor Vergnügen zu zittern, seine Augen schielten, um den Anblick des Schoppens nicht zu verlieren, und man merkte, dass dies die eigentliche Beschäftigung sei, für die er geboren war. Man bemerkte, dass in seinem Innern eine Annäherung, eine Art geistiger Verbindung zwischen den beiden großen Leidenschaften stattfand, die ihn beseelten: dem Pale Ale und der Republik. Sicherlich konnte er das eine nicht kosten ohne an die andere zu denken.
Herr und Frau Follenvie assen am oberen Ende der Tafel mit. Er, mit seinem ewig rasselnden Kehlkopf hatte zu viel Brustklemmung, um während des Essens reden zu können; aber seine Frau machte dies reichlich wieder gut. Sie schilderte alle ihre Eindrücke bei der Ankunft der Preussen, was sie trieben, was sie sagten; sie verwünschte dieselben einmal, weil sie ihr viel Geld kosteten, sodann, weil sie zwei Söhne bei der Armee hatte. Ihre Anrede galt vor allem der Gräfin, weil es ihr sehr schmeichelte mit einer vornehmen Dame sich zu unterhalten.
Dann senkte sie etwas die Stimme, um von delikateren Sachen zu sprechen, während ihr Mann sie zuweilen mit den Worten unterbrach; »Sprich lieber nicht davon, Madame Follenvie.« Aber sie achtete nicht auf ihn und fuhr fort:
»Ja, Madame, diese Leute essen nichts, wie Kartoffeln mit Schweinebraten und dann wieder Schweinebraten mit Kartoffeln. Man muss nur nicht denken, dass sie reinlich seien. Oh nein. Überall machen sie ihren Schmutz hin, mit Erlaubnis zu sagen. Und wenn Sie erst mal ihre Übung ansehen würden den ganzen lieben Tag lang; sie sind da in einem Lager – vorwärts, rückwärts marschieren, rechts – um, links – um! Wenn sie wenigstens noch das Land bebauten, СКАЧАТЬ