Название: Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht
Автор: Julia Fritz
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823302254
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Neben dieser temporären Differenzierung erscheint der zweite Aspekt seiner begrifflichen Auseinandersetzung noch wichtiger. Klaas spricht unter Bezugnahme auf das Lexikon der Pädagogik „vom Erlebnis als besonders einschneidende, existentiell bedeutsame Episode des Erlebens“ (Klaas 2013:218, Hervorh. d. Verf.). Erlebnisse zeichnen sich also ferner dadurch aus, dass wir sie als besonders eindrückliche und einprägsame Erfahrungen mit einem hohen emotionalen Beiklang wahrnehmen (vgl. Schöndorf 1995:25f.). Auch Clausen hebt diesen Punkt hervor:
Unter Umständen wird die Unterrichtswahrnehmung der Schüler auch durch einzelne kritische Unterrichtsereignisse geprägt, besonders eindrucksvolle Unterrichtsepisoden, die bei der Beurteilung erinnert werden (vgl. u.a. Weinstein, 1985). (Clausen 2002:189, Hervorh. d. Verf.)
Aus dieser Perspektive betrachtet, stellt die Bedeutungszuweisung und Beurteilung der Episode(n) durch die Lernenden ein weiteres zentrales Merkmal des Unterrichtserlebnisses dar. War in den bislang zitierten Studien von Unterrichtswahrnehmung die Rede, war damit zumeist eine wie auch immer geartete subjektive Bewertung durch die Lernenden impliziert. Folgt man jedoch dem Ansatz von Schenz (2007:172), gilt es hier zu differenzieren: „Das Erlebnis als Erleben und Beurteilen der eigenen Wahrnehmungen beinhaltet ein Gefühl.“ Zum Erlebnis wird eine Wahrnehmung demnach erst dann, wenn sie emotional geordnet, beurteilt und ihr eine Bedeutsamkeit für das eigene Handeln zugeschrieben wird (vgl. ebd.: 171). Damit unterscheidet sich Schenz auch von Reinhold et al. (1999:135), nach denen Erlebnisse sowohl bewusst oder unbewusst, reflektiert oder auch unreflektiert sein können.
Die voranstehenden Erläuterungen dienten dazu, zentrale Merkmale des Begriffs „Erlebnis“ herauszuarbeiten, welche die Grundlage für eine Definition des Unterrichtserlebnisses in dieser Arbeit bilden. So lassen sich Unterrichtserlebnisse als individuell bedeutsame Wahrnehmungen begreifen, die auf kritischen oder besonders eindrucksvollen Ereignissen innerhalb des (Fremdsprachen‑)Unterrichts basieren und vom Lernenden emotional geordnet sowie einer subjektiven Beurteilung unterzogen werden. Dabei können sowohl singuläre Ereignisse – im Sinne von Erlebnissen – als auch länger andauernde oder wiederkehrende Episoden – im Sinne eines Erlebensstroms – von Bedeutung für die SchülerInnen sein, sodass hier, wenn von Unterrichtserlebnissen die Rede ist, unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer beide Formen impliziert sind.
3.5 Zwischenresümee und Schlussfolgerungen für die empirische Studie
Der Vergleich vorliegender Studien, die ein Erkenntnisinteresse an den Sichtweisen der SchülerInnen auf (Fremdsprachen‑)Lernen und (Fremdsprachen‑)Unterricht formulieren, zeigt, dass dabei die Perspektive der Lernenden mit ihren Unterrichtswahrnehmungen in den Fokus gerückt wird. Im Rahmen von vorwiegend quantitativen Studien wurden affektive Faktoren (Einstellungen, Motivation, Emotionen etc.) als Ergebnisse des Fremdsprachenlernprozesses zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben. Der dynamische Prozess, d.h. die Entwicklungen und Veränderungen, die diesen Ergebnissen zugrunde liegen, wurden hingegen nur bedingt erfasst. Es liegen kaum Antworten vor, aufgrund welcher Bedingungen sich die Motivation, das Interesse bzw. die Einstellungen in die eine oder andere Richtung entwickeln, welche Faktoren auf die fachliche Hin- oder Abwendung in den individuellen Schülerbiografien einwirken und welche Rolle in diesem Prozess Unterrichtserlebnisse spielen. Die subjektiven Lernerfahrungen im Fremdsprachenunterricht und wie SchülerInnen diese interpretieren, bleiben bislang, wenn es um die Erklärung von Einstellungsunterschieden geht, als deren Ursache häufig unberücksichtigt. Doch nur wenn der Blick auf die fachbezogene Erlebnisgeschichte der Lernenden gerichtet wird, kann es gelingen, eben diese individuellen Bedingungszusammenhänge aufzudecken. Es fehlt demnach an empirischen Studien, die nicht nur das Wahl- bzw. Abwahlverhalten sowie die Schülersicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten erheben, sondern auch die Ursachen stärker mit in den Blick nehmen.
Zwecks Erarbeitung einer umfassenden Strategie zur Senkung der Abwahlquote sind umfangreiche zusätzliche Studien erforderlich, die weitere Zusammenhänge zwischen der Unterrichtsgestaltung und dem Wahl- bzw. Abwahlverhalten aufzeigen. (Bittner 2003:352)
Hier erweist sich der Zugang über das individuelle Unterrichtserleben der SchülerInnen als besonders anschlussfähig und verspricht insofern neue Erkenntnisse. Indem die Frage gestellt wird, wie die Lernenden ihren Fremdsprachenunterricht wahrnehmen, ergeben sich durchaus Überschneidungen zu bereits vorhandenen Arbeiten zur Schülersicht (vgl. Kap. 3.3). Anders als in diesen Studien wird hier hingegen vielmehr die Prozessdimension und damit das Erfahrungswissen der Lernenden betont, was gleichzeitig eine andere methodische Herangehensweise erforderlich macht. Diese soll im nachfolgenden Kapitel näher erläutert werden.
4. Methodologie und Methoden
4.1 Zielsetzung und Fragestellungen der empirischen Untersuchung
Wie in Kapitel 3 deutlich wurde, haben die bisherigen, vor allem quantitativen Fragebogenstudien das Erleben im Unterricht als einen wichtigen, vielleicht den entscheidenden Faktor für die Erklärung von Einstellungs- und Motivationsunterschieden herausgearbeitet. Dennoch mangelt es bislang an Studien zum Unterrichtserleben, in denen die individuellen Sichtweisen der SchülerInnen in den Mittelpunkt gerückt werden. Dabei sollten diese neben den Lehrenden und externen BeobachterInnen gleichermaßen als ExpertInnen für Unterricht betrachtet werden und als solche zu Wort kommen (vgl. Nölle 1995:22). „Auch Erklärungen für das Handeln von Schülern sind nur dadurch zu erschließen, daß deren subjektive Wahrnehmungen analysiert und dadurch Hinweise auf ihr subjektives Erleben, Erfahren, Handeln und Denken gewonnen werden.“ (ebd.: 23)
Zu verstehen, wie SchülerInnen das Erlernen der zweiten Fremdsprache erleben, um Abwahlentscheidungen besser nachvollziehen zu können, stellt insofern das Ziel der vorliegenden Untersuchung dar. Der Fokus richtet sich damit auf die Bezugnahme zur zweiten Fremdsprache Französisch und Spanisch, wobei hier besonders interessiert, welche Prozesse der fachbezogenen Abwendung sich in den Äußerungen dokumentieren und wie diese mit der Bezugnahme zur zweiten Fremdsprache bzw. zum Erlernen derselben einhergehen. Was bedeutet es für die Jugendlichen, eine zweite Fremdsprache zu lernen, welche Ziele verfolgen sie dabei? Welchen Nutzen und welche Relevanz schreiben sie dem Erlernen und Beherrschen einer zweiten Fremdsprache zu? Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, welche Erwartungen und Vorstellungen sie vom Lernen einer zweiten Fremdsprache haben. Indem die Fremdsprachenlernerfahrungen der SchülerInnen in den Blick genommen werden, soll es gelingen, das Unterrichtserleben der Lernenden sowie deren Deutungen und Bewertungen zu erfassen. Hier interessiert, welchen einprägsamen Erlebnissen aus dem Unterricht sie rückblickend eine Bedeutung zuschreiben und welche Unterrichtserlebnisse der Bezugnahme zum Fach zugrunde liegen. Daraus ergeben sich folgende zentrale, die Forschung leitende Fragestellungen:
Wie erleben SchülerInnen ihren Französisch- bzw. Spanischunterricht?
Welche Unterrichtserlebnisse bewerten sie als bedeutsam?
Wie werden diese Erlebnisse und deren Wirkung von den SchülerInnen gedeutet?
Welche Bedeutung schreiben SchülerInnen dem Lernen der zweiten Fremdsprache Französisch und Spanisch am Ende der Sekundarstufe I zu?
Wie entstehen und verlaufen Prozesse der fachbezogenen Abwendung?
Welche Auswirkungen haben die Lernerfahrungen für die SchülerInnen?
Welche Rolle spielen in diesem Prozess individuelle СКАЧАТЬ